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Kultur

Popmusik national

Von Bonnie | 01.03.2005

Eine Diskussion, mehr landessprachliche Musik zu spielen, wird nicht nur in den Nachbarländern Frankreich oder Polen geführt. Auch in Deutschland fordern mittlerweile PolitikerInnen Quoten für das Abspielen deutscher Musik einzuführen.

Die allgemeine Krise der Wirtschaft hat auch die Musikindustrie erreicht. Um die deutsche Musikbranche vor einem Absturz zu bewahren, wird in Deutschland eine alte Diskussion wieder aufgekocht. Es geht dabei um die Forderung nach einer Quotierung der Musik, die Radiosender spielen. Die Sender sollen sich verpflichten, mindestens 40% deutschsprachige bzw. in Deutschland produzierte Musik zu spielen, so der Vorschlag von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse.
Argumentativ untermauert wird das von der kulturpolitischen Sprecherin der Grünen, Antje Vollmer mit ihrer Initiative „Musiker in eigener Sache“ (u.a. dabei: 2Raumwohnung, Die Prinzen, Joachim Witt und Frank Zander).
In einer ebenfalls auf Quotierung abzielenden Initiative wurde 1994 noch von Deutschland als „kulturell besetztem“ Land und von einem „kulturellen Genozid gesprochen“ gesprochen. Heute nennt es die Initiative ihr Ziel, dem „dominante[n] anglo-amerikanischen Repertoire“ immer „weniger weltumspannende[r] Firmen“, also „der Allmacht des amerikanischen Kulturimperialismus“ und der damit vorgeblich einhergehende „oligopole Struktur des internationalen Musikgeschäfts“ Paroli zu bieten.

Quote für deutsche Szene

Dieser Vorstellung entgegengestellt wird eine „deutsche Szene“, die per Quote bevorteilt werden soll. Dabei ist unklar, was nun als „deutsch“ gilt: Wird am Anfang des Aufrufs „mehr Musik von hier“ gefordert, so geht es später völlig unvermittelt um deutschsprachige Musik. Hier zeigen sich auch die zwei Motivationen, die hinter der Kampagne stehen. Neben der Aufbesserung des Umsatzes deutscher Musikproduktionen geht es auch darum, mehr Texte in der guten deutschen Sprache zu hören.
Würde diese Forderung vor einem anderen gesellschaftlichen Hintergrund gestellt, bliebe sie wohl, wie schon beispielsweise 1994 bedeutungslos. Jedoch trifft sie heute genau den politischen Mainstream. Schon der Erfolg der Historienfilmen wie „Der Untergang“ oder „Das Wunder von Bern“ hat gezeigt, dass die populäre Kultur mit der jüngeren deutschen Vergangenheit wieder „ganz unverkrampft“ umgehen kann. Nicht nur, dass das neue Szenemagazin „deutsch“ oder die Modemacherin Eva Gronbach, die eine ganze Kollektion in schwarz-rot-gold entwarf, kreieren ein neues und „hippes“ deutsches Nationalbewusstsein.

National ist Trend?

Am wirksamsten funktioniert das wohl augenblicklich in der Popmusik. Auf diesem Wege kommt der Nationalismus in jugendliche Kreise, die sich selbst für alternativ und „kritisch“ halten. Die Berliner Band Mia ist dafür ein Beispiel: noch vor zwei Jahren sind sie in Berlin auf der 1.Mai-Demo aufgetreten, das provokante Auftreten der Frontfrau mag so manch einer/m eine willkommene Abwechslung zu den zahlreichen seichten Popbands gewesen sein. Auf dem zweiten, sehr erfolgreichen Album findet sich jetzt u.a. das Lied „Was es ist“, ein Liebeslied an Deutschland. „Fragt man mich jetzt woher ich komme / tu ich mir nicht mehr selber Leid / ich riskier was für die Liebe / ich fühle mich bereit.“ Heißt es da unter anderem. Hier klingt stark der Wunsch nach einem „geläuterten Deutschland“ an, wie es bspw. in Teilen der Bewegung gegen den Krieg gegen den Irak zu vernehmen war. So sagte der Schlagzeuger der Band auch, für ihn sei das Positive an diesem Krieg gewesen, dass „man sich wieder zu Deutschland bekennen könne“. Diese Ansicht lässt sich offenbar gut verkaufen, geht sie doch Hand in Hand mit der rot-grünen Vorstellung einer „modernen Friedens-Militärmacht“ Deutschland, die endlich wieder auf der ganzen Welt einsatzfähig ist und wirtschaftlich sowieso ganz vorne mit dabei ist.
Wie das ausgeht zeigt sich auch in der aktuellen Musik: „So schnell kriegt man uns nicht klein. Keine Zeit zum Bitter sein / Wir sind Wir / Aufgeteilt, besiegt und doch schließlich gibt es uns ja immer noch“. Mit diesen Texten hetzen Peter Heppner und der Techno-DJ Paul von Dyk in ihrer neuen Koproduktion für das deutsche Volk. Im dazugehörigen Video werden die Opfer-Täter-Verhältnisse des Zweiten Weltkrieges einfach mal vertauscht und wir sehen heimkehrende Wehrmachtsoldaten in zertrümmerten deutschen Städten. Die Textpassage „Jetzt können wir haben was wir wollen / Aber wollten wir nicht eigentlich viel mehr?“ zieht dann wohl die schlüssige Folge.
Das traurige ist, dass diese nationalistische Hetze nicht von traditionell neonazistischen Kreisen ausgeht und gerade dadurch erstmal mehr Gehör findet – nicht nur bei Nazis.

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