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Brasilien

Plattform der „Roten Freiheit“ (Liberdade Vermelha)

01.01.1970


öffentliche Fraktion der DS (brasilianische Sektion der IV. Internationale)

1. Zum Charakter der Lula-Regierung

Falls es unmittelbar nach Lulas Amtsantritt noch Zweifel über den Charakter seiner Regierung gegeben haben sollte, so liegt dieser Charakter heute sehr offen zu Tage.

Es ist eine Tatsache, dass die Regierung von zahlreichen Widersprüchen geprägt ist und lebhafte interne Konflikte erfährt. Einige dieser Konflikte sind sehr bedeutsam (so z. zur Frage der Verhandlungen mit der Amerikanischen Freihandelszone, ALCA, oder etwa was die Umsetzung der versprochenen Landreform angeht). Aber die allgemeine Orientierung ist klar, sie kommt in der Wirtschaftspolitik und der Bündnispolitik zum Ausdruck und in beiden hat sich der konservative Charakter noch verstärkt worden. Die Regierung Lula ist generell neoliberal ausgerichtet. Man kann sie auch sozial-liberal nennen, wenn damit zum Ausdruck gebracht wird, dass sie eine neoliberale Politik betreibt und sich dabei auf eine Partei mit sozialistischer Tradition stützt. Es ist eine Regierung der Klassenzusammenarbeit, die die Interessen des Volkes einer privilegierten Allianz mit dem Bürgertum unterordnet, sowohl auf brasilianischer wie auf internationaler Ebene. Selbst wenn die Teile der Regierung, die der ALCA kritisch gegenüberstehen, sich durchsetzen würden und die Umsetzung der ALCA-Bestimmungen für Brasilien verhindern würden (wobei sie allerdings eher eine „ALCA-Light“-Version befördern würden als ALCA überhaupt abzulehnen), und selbst wenn es den Teilen der Regierung, die der Landreform wohl gesonnen sind, gelingen würde, den ursprünglich vorgesehenen Nationalen Plan zur Landreform (PNRA) zu konkretisieren, (der aber nicht das darstellt, was die Bewegungen der Bauern und Landlosen forderten), dann würde damit noch keine Änderung der allgemeinen wirtschaftspolitischen Orientierung eintreten. Und dies würde auch nicht reichen, um die Logik der Unterordnung der Interessen des Volkes unter das breite Bündnis mit Teilen des Bürgertums umzukehren.

Die Konflikte in den Kernsektoren des Kabinetts stellen weder die neoliberale Wirtschaftspolitik in Frage, noch die breiten Bündnisse mit zahlreichen Sektoren des Bürgertums, die die Garantie dafür bilden, dass die Regierung deren historischen Interessen verteidigt. Der zentrale Kern der Regierung steht den konservativen und bürgerlichen Ministern (etwa Palocci [Finanzen] und seine Mannschaft, Mitglied des Kernkabinetts, Rodrigues [Landwirtschaft], Furlan [Industrie]) näher als etwa solchen Ministern wie Miguel Rossetto [Agrarreform] oder Marina Silva [Umwelt]. Die Rolle der letzteren ist sehr klar begrenzt und den anderen untergeordnet. Sie wurden ausgewählt (und werden auf ihren Posten belassen) als ein Zugeständnis an die traditionelle Basis der PT, um damit zu verhindern, dass diese vollständig ins Lager der Opposition wechselt. Die Tatsache, dass sie in der Regierung bleiben, erfüllt gegenüber verschiedenen Teilen der Bevölkerung die Funktion, die generell konservative Orientierung der Regierung zu legitimieren. Dies hat der Regierung bei der Umsetzung ihrer allgemeinen Politik geholfen, nämlich die sozialen Bewegungen zu demobilisieren und zu integrieren. Gemeinhin wird es so gesehen, dass [Außenminister] Itamary am ehesten die Linie verteidigt, wie sie noch in der Wahlkampagne vertreten wurde, und der sich am stärksten von der Linie der Vorgängerregierung Cardoso abhebt. Dennoch ist es unmöglich, darüber hinwegzusehen, dass er eine konservative und inakzeptable Politik der Zusammenarbeit mit den USA betreibt und zwar über die Beteiligung an der militärischen Besetzung Haitis.

Die Regierung hat praktisch auf ihrer Rechten keine Opposition, weil sie im Wesentlichen das Programm der Rechten umsetzt. Tatsächlich führen die zentralen politischen Initiativen der Lula-Regierung die vorher von der Cardoso-Regierung ergriffenen Maßnahmen fort und vertiefen sie, folgen dem Modell des IWF und der Weltbank und zielen im Wesentlichen darauf ab, die Finanzmärkte zu bedienen. Fabio Konder Comparato hat in einem Interview mit dem Journalisten Elio Gaspari von der [Tageszeitung] Folha de São Paulo die Aufmerksamkeit auf den „moralischen Ruin“ der Regierung Lula gerichtet. Es kann einfach nicht in Zweifel gezogen werden, dass er damit Recht hat. Das Problem liegt aber nicht so sehr auf dieser Ebene, wo es um verschiedene Informationen über das Fehlverhalten von Regierungsmitgliedern oder von Leuten geht, die sich nach Lulas Regierungsantritt der PT angeschlossen haben, vor allem seit der „Waldomiro-Affäre“ [Korruptionsaffäre mit der Mafia des illegalen Glücksspiels]. Das Problem liegt wohlgemerkt viel tiefer als das korrupte Verhalten dieses ehemals sehr engen Freundes und Beraters des Ministers Dirceu [des quasi Premierministers]. In Wirklichkeit enthüllen sich damit sowohl die Methoden, mit denen die Regierung ihre parlamentarische Mehrheit bildet, als auch der Charakter dieser Mehrheit. Aber am gravierendsten ist, dass Lula ein gewaltiges Wahlspektakel vollführt und zur selben Zeit seine Regierung (mit Unterstützung der gesamten Führung der „Mehrheitsströmung“ der PT) das historische Programm der PT und die Interessen der ArbeiterInnen und des Volkes verrät. Anders ausgedrückt: Es geht um den Wechsel des Lagers im Klassenkampf, den Lula und diejenigen, die die Politik der Regierung bestimmen, vollzogen haben.

2. Zur PT heute

Seit Anfang der 90er Jahre hat die PT einen Prozess der Loslösung von einigen der wichtigsten Elemente vollzogen, die die Partei seit ihrer Entstehung ausgezeichnet hatten: Sie wurde zunehmend eine institutionelle Partei, die fast nur noch im Zusammenhang mit Wahlkämpfen funktionierte, und die mehr und mehr ihren Charakter als Partei von Aktiven verlor. Zudem zeigt seitdem ein Teil der Führung, dass sie sich von der sozialistischen Perspektive entfernt hat.

Dennoch gab es in all diesen Jahren eine Auseinandersetzung um den Kurs der Partei. Ein großer Teil der Aktiven in den sozialen Bewegungen, die die Basis der Partei gebildet haben, hat sich weiterhin mit dem Sozialismus identifiziert. In den Führungen der PT hat die Linke immer gegen diese rückwärts gewandte Entwicklung angekämpft.

Mit der Wahlkampagne 2002 und besonders seit Lulas Regierungsantritt ist der Raum für interne Demokratie radikal beschnitten worden und der Substanzverlust der PT als sozialistische Partei hat einen qualitativen Sprung gemacht und ist unumkehrbar geworden (was dadurch bekräftigt wurde, dass ausgesprochen rechte Persönlichkeiten ohne jegliche Verbindung mit einer progressiven Tradition sich der Partei angeschlossen haben). Die ganze Handhabung der Altersvorsorgereform [Rentenreform] (wie auch anderer Fragen) unter völliger Missachtung der Beschlüsse der Parteitage und die Tatsache, dass man den Parlamentsfraktionen der PT die Rolle des Transmissionsriemen für Entscheidungen des Führungszirkels der Regierung zugewiesen hat, sowie der Ausschluss der parlamentarischen Rebellen [der vier „Radikalen“, die sich der Rentenreform widersetzt hatten] sind weitere Belege für diese Entwicklung. Die PT unterstützt bedingungslos eine sozial-liberale Regierung.

Es ist offensichtlich, dass der nächste Parteitag „aufgebläht“ sein wird, sowohl durch den Zustrom neuer rechter Anhänger wie auch durch die Manipulation vieler Anhänger seitens der Regierung; er wird nicht demokratisch sein. Selbst wenn es in ihren Reihen zahlreiche AktivistInnen der sozialen Bewegungen und ernsthafte SozialistInnen gibt, so gibt es dennoch keine Chance dafür, dass die PT zu einem Kampfinstrument wird, das den Regierungskurs korrigieren könnte.

3. Zur Unmöglichkeit, den Klassencharakter der Lula-Regierung zu ändern

Die Konflikte innerhalb der Regierung sind aufgrund ihrer Anlage und der bis heute eingeschlagenen Entwicklung sowie aufgrund der Kräfteverhältnisse nicht dazu in der Lage, einen grundlegende Änderung des Charakters der Regierung herbeizuführen. Die PT kann aufgrund der bereits vollzogenen und weiterhin sich vollziehenden Änderung ihres Charakters, sowie aufgrund der innerparteilichen Kräfteverhältnisse, ebenso wenig ein Instrument für eine Änderung der generellen Orientierung der Regierung sein.

Die soziale Bewegung macht Druck und dieser Druck steigt. Aber die Bewegung vermag es nicht, auf den Kurs der Regierung entscheidend Einfluss zu nehmen. Dieser ist es vielmehr gelungen, einen Teil der sozialen Bewegungen zu integrieren und andere Teile zu neutralisieren. Die CUT [der von der PT geschaffene Gewerkschaftsdachverband], ohne Zweifel die einflussreichste Organisation unter allen sozialen Bewegungen, hat verschiedene Punkte der Kritik an der Regierungspolitik formuliert, aber in ihrer Führung (und von da ausgehend in der realen Politik des Dachverbandes) hat sehr viel mehr die Zusammenarbeit mit der Regierung dominiert als der bedingungslose Kampf für die Interessen der ArbeiterInnen.

Nur eine explosive Entwicklung der Unzufriedenheit und der Ausbruch einer schweren Krise könnte eine Änderung hervorrufen. Aber in einem solchen Fall würde es sich um einen Prozess handeln, der sich gegen die Lula-Regierung und gegen die Führung der PT richten würde.

4. Die Notwendigkeit für die sozialistische Linke, sich nicht an der Regierung zu beteiligen

Die Lula-Regierung betreibt insgesamt eine neoliberale Politik. Es gibt keine Möglichkeit, diese Situation qualitativ zu ändern, etwa ausgehend von den internen Widersprüchen in der Regierung oder durch Druck seitens der PT oder seitens der sozialen Bewegungen (zumindest so lange es dieser nicht gelingt, einen qualitativen Sprung nach vorne zu machen, indem sie sich in eine massive Mobilisierung gegen die Regierung transformiert). Hinzu kommt, dass die Regierung Lula ständig von der Bevölkerung mehr Geduld einfordert und versucht, sie fehl zu informieren und zu manipulieren und dass sie dabei die verlogensten Propagandatechniken und ihren Einfluss auf die Fernsehsender und die große Presse nutzt. Ihr Ziel ist die Demobilisierung. Diese Regierung muss als ein Feind der ArbeiterInnen und der Volksbewegungen bezeichnet werden. Die Beteiligung an der Regierung Lula steht zunehmend in einem frontalen Gegensatz zur Verteidigung der Interessen des Volkes und des Sozialismus. Die Linke der PT (und anderer Parteien) befindet sich mit der immer dringlicher werdenden Notwendigkeit konfrontiert, mit dieser Regierung zu brechen. Die Minister, die schlüssig ihren aktivistischen linken und sozialistischen Anspruch bewahren möchten, müssen die Regierung verlassen.

5. Zur Notwendigkeit, eine Alternative aufzubauen

Die einzige heute existierende Alternative links der PT – nämlich die PSTU – hat nicht die Fähigkeit, sich als Alternative zur PT aufzubauen und sich als ausreichend starker Anziehungspol durchzusetzen, der diejenigen AktivistInnen anzuziehen vermag, die ihre Illusionen in die Regierung Lula verlieren.

Deswegen ist es erforderlich, ein neues politisches Werkzeug zu schaffen, das die militante und sozialistische Perspektive bewahrt, die von der PT aufgegeben wurde; die also eine Alternative für die AktivistInnen und die gesellschaftlichen Kreise bilden kann, die ihre Illusionen in die PT (und in die anderen Parteien, die die Lula-Regierung unterstützen) verlieren; d. h. also eine Partei, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die gesamte sozialistische Linke zu vereinen. Wenn es nicht zu einer solchen Partei kommt, geht das ganze Potential, das beim Aufbau der PT über mehr als 20 Jahre (seit ihrer Gründung bis zu den Wahlen 2002) akkumuliert wurde, verloren, auch wenn es in den letzten Jahren wachsende Probleme gegeben hat.

Diese Partei wird nicht das wiederholen können, was die PT in ihren ersten Jahren gemacht hat. Diese Tradition wird ein zentraler Bezugspunkt dabei sein, der PT das Erbe streitig zu machen. Aber es wird notwendig sein, eine Bilanz des zurück gelegten Weges der PT zu ziehen, zu bewerten, was falsch gelaufen ist und die gemachten Fehler klar zu benennen. Wir wollen aus den Fehlern wie aus den historischen Errungenschaften der PT lernen und darüber hinausgehen. Dabei werden wir das in die Erwägungen mit einbeziehen müssen, was sich im Laufe der Zeit auf der Welt und in Brasilien verändert hat. Und auf dieser Basis müssen wir d
ie Aktualität des Sozialismus begründen. Hier den neuen Internationalismus mit aufnehmen, der sich im Kampf gegen die neoliberale Globalisierung entwickelt, muss unsere besondere Aufmerksamkeit erhalten.

Ein Datum muss unweigerlich in die Überlegungen für den Aufbau dieser Alternative Eingang finden, nämlich die [Präsidentschafts-] Wahlen 2006. Auch wenn eine sozialistische Partei ihre Aktivitäten nicht auf die Wahlauseinandersetzungen konzentrieren soll, so kann sie es sich doch nicht leisten, sich davon fern zu halten. Heute, da der Charakter der Regierung Lula klar ist und angesichts der Entscheidungen, die im Zusammenhang mit der Wahlkampagne 2006 getroffen wurden (vor allem das Bündnis der PT mit der PMDB [Partei der demokratischen Bewegung Brasiliens, bedeutende und älteste bürgerliche Partei des Landes] und mit fast allen Parteien der Rechten), ist es der sozialistischen Linken vollkommen unmöglich, noch einmal die Kandidatur Lulas zu unterstützen. Für die sozialistische Linke wird es wesentlich sein, sich an den Wahlen 2006 zu beteiligen, um dabei den Verrat der Regierung an den Interessen des Volkes anzuprangern und zu zeigen, dass es eine Alternative zum Neoliberalismus und zum kapitalistischen System gibt. Unsere Wahlkampagne muss sich in Übereinstimmung befinden mit unsrem Eintreten für den Sozialismus als politische Alternative und mit unsrer Überzeugung, dass eine Gesellschaft möglich ist, die auf sozialer Gleichheit beruht und menschlich und völlig frei ist. Deshalb wird es erforderlich sein, die Bedingungen dafür zu schaffen, mit einer eigenen Kandidatur anzutreten.

Aus all diesen Gründen beteiligen wir uns am Aufbau einer neuen sozialistischen Partei in Brasilien, und zwar mit der Bewegung „Sozialistische und demokratische Linke“, die am 19. Januar mit dem Dokument „Bewegung für eine neue Partei – Für eine sozialistische und demokratische Linke“ gegründet wurde. In dieser Bewegung – unter Beachtung der sehr verschiedenen Erfahrungen und Werdegänge ihrer Bestandteile – kämpfen wir für den Aufbau einer demokratischen, aktivistischen, aber vor allem klassenbezogenen, antikapitalistischen, antiimperialistischen, sozialistischen und internationalistischen Partei, die sich auf alle Sektoren der ArbeiterInnenklasse stützt. Für eine Partei, die den Kampf aufnimmt für die Befreiung der Frau, gegen alle Formen rassistischer Diskriminierung, gegen die Unterdrückung der LSBT [Lesbischen, Schwulen, Bi- und Transsexuellen], den Kampf für eine wirklich nachhaltige Bewahrung der Umwelt (was im Rahmen des Kapitalismus unmöglich ist). All das sind wesentliche Pfeiler, ohne die wir nicht in der Lage sein werden, uns der Dynamik des Systems entgegenzustellen.

Die sozialistische und demokratische Linke ist in unsrem Land herausgefordert, eine neue politische Partei aufzubauen, die dies ohne eine Zusammenarbeit mit der Bourgeoisie betreibt und die dabei nicht nur die neoliberale Politik angreift, sondern die Legitimität des kapitalistischen Systems überhaupt in Frage stellt; eine Partei, die die sozialen Mobilisierungen und die demokratische Selbstorganisation der ArbeiterInnen verteidigt.

6. Wir sind GenossInnen der DS und der Vierten Internationale

Die Resolutionen der Siebten Nationalen Konferenz der DS, die im November letzten Jahres abgehalten wurde, hatten ihre Schwächen insofern, als die behandelten Themen in der Art eingeschränkt wurden, dass die größtmögliche Übereinstimmung erzielt werden konnte. Trotz dieser Einschränkungen hat die Konferenz doch eine sehr kritische Bilanz der ersten elf Monate der Regierung Lula und der Situation der PT Ende 2003 gezogen. Wir wiesen damals im besonderen darauf hin, dass die wirtschaftliche Orientierung der Lula-Regierung konservativ und neoliberal ist und dass sie alle Aktivitäten der Regierung bestimmt und dass die Politik strategischer Bündnisse mit bürgerlichen Parteien wie auch der Aufnahme von Persönlichkeiten, die nichts mit einer linken Partei zu tun haben, der Partei ihren sozialistischen Charakter nimmt und ernsthaft ihr ganzes historisches Projekt gefährdet. Wir haben außerdem die drastische Einschränkung der demokratischen Freiheiten in der PT wie auch die Transformation der Partei zu einem Transmissionsriemen für Regierungsentscheidungen, ganz besonders der unpopulärsten, hervorgehoben. In den Monaten nach der Konferenz haben sich alle negativen Züge der Regierung und der PT verstärkt:

Erstens ist der angekündigte Ausschluss der rebellierenden ParlamentarierInnen, gegen den wir gekämpft haben und den die Konferenz als völlig inakzeptabel bezeichnet hat, durchgezogen worden. Dies geschah trotz einer breiten Solidaritätsbewegung mit den angegriffenen ParlamentarierInnen, die in Brasilien und auf internationaler Ebene entwickelt wurde, wobei letzteres von GenossInnen der Vierten Internationale angestoßen wurde.

Zweitens hat sich die konservative Allianz mit bürgerlichen Parteien verstärkt, einschließlich der Vorbereitungen für ein Bündnis zu den Wahlen 2006 und der Einplanung des Vizepräsidentenposten für die PMDB.

Drittens wurde die konservative und neoliberale Wirtschaftspolitik, wie sie z. B. von Anne Krueger, Repräsentantin der härtesten IWF-Linie und der Bush-Regierung und eine der SprecherInnen der reaktionärsten Rechten, gelobt wird, verstärkt fortgesetzt. Diese konservative Festigung drückt sich zurzeit in einer brutalen Verringerung der Haushaltsmittel aus. Ihre gegen die Volksmassen gerichteten Konsequenzen treten jetzt noch deutlicher als in den ersten Monaten des Jahres 2004 zutage.

Viertens sind seit dem „Waldomiro-Skandal“ die politischen Methoden zur Bildung parlamentarischer Mehrheiten mit Hilfe von Geld und anderen Vorteilsgewährungen und unter Verfolgungen von Interessen, die dem Wohl des Volkes widersprechen, noch viel offensichtlicher geworden.

Aufgrund des Ausschlusses einer Genossin der DS, Heloisa Helenas, ist eine Gruppe von GenossInnen aus der DS ausgetreten und hat sich zusammen mit der Genossin an der Bildung einer Bewegung für eine neue Partei angeschlossen.

Wir denken, dass in der gegenwärtigen Lage die
Entscheidung, sich an der Bewegung für eine neue politische Partei zu beteiligen, die GenossInnen, die diese Entscheidung getroffen haben, nicht außerhalb des programmatischen Rahmens der DS und der Vierten Internationale stellen. Im Gegenteil: Diese Beteiligung steht in vollem Einklang mit diesem Rahmen.

Wir verfolgen eine Taktik des Parteiaufbaus, die sich von der der Mehrheit der DS unterscheidet. Die Existenz verschiedener Taktiken zum Parteiaufbau ist im Allgemeinen nicht anstrebenswert; es handelt sich dabei in unsrer Geschichte um eine außergewöhnliche Situation. Wir wurden aufgrund der tiefgreifenden Veränderungen der Klassenkampfbedingungen in Brasilien dazu gezwungen, vor allem im Zusammenhang mit dem Überwechseln in das andere Lager, das die Führung der PT beschlossen hat, denn sie hat sich in den Dienst des internationalen Finanzkapitals gestellt. Die GenossInnen der DS, die sich an der Bewegung für eine neue Partei beteiligen, können dem Appell der Leitungsmehrheit der DS, sich wieder der PT anzuschließen, nicht folgen.

Die siebte nationale Konferenz der DS hat nicht beschlossen, eine Bewegung für eine neue Partei anzustoßen. Sie hat aber die Notwendigkeit unterstrichen, den Kampf gegen die neoliberale Orientierung der Regierung Lula und der Leitungsmehrheit der PT zu verstärken. Wir denken, dass angesichts der Beschleunigung der Ereignisse, die durch den Ausschluss der GenossInnen hervorgerufen wurde wie auch aufgrund der Verhärtung der konservativen Positionen der Regierung Lula unsere Position als eine erneute Legitimierung der Beschlüsse der Konferenz begriffen werden kann.

7. Zu den GenossInnen, die weiter in der PT kämpfen

Wir können nicht umhin festzustellen, dass die Mehrheit der LeitungsgenossInnen der DS im Gegensatz zum Verlauf der Diskussion über die Orientierungen [der Regierung und der PT] handelt. Die Haltung, die sie anlässlich des „Waldomiro-Skandals“ eingenommen hat, nämlich die Positionen der Regierung und der Leitungsmehrheit der PT zu verteidigen und sich dabei gegen die Einrichtung einer parlamentarischen Untersuchungskommission einzusetzen, wie auch die Tatsache, dass sie nicht das Seminar „Wir wollen ein anderes Brasilien“ unterstützt hat, sind unverständlich. In Wirklichkeit hat also die Leitungsmehrheit der DS keinen Kampf um den Kurs der PT und der Regierung geführt, wie er auf unsrer Siebten Konferenz beschlossen worden war. Statt einen klaren Kampf gegen die Positionen des „Mehrheitslagers“ der PT zu führen wie dies in den Resolutionen der Konferenz definiert worden war, wird die Zusammenarbeit mit der Gesamtheit der PT-Führung und somit mit dem „Mehrheitslager“ gepflegt.

Diese Haltung der Leitungsmehrheit gefährdet ernsthaft die Existenz unsrer Tendenz. In der DS gab es schon heftige Spannungen, zumindest seit dem Ausschluss von Heloisa Helena, aber die neue Position der Leitungsmehrheit unsrer Strömung setzt die Strömung vergleichbaren Zerreißproben aus, wie sie andere Strömungen der Linken in der PT erlebt haben. Wir sind dafür, dass die sozialistische Linke in der PT und die Bewegung der sozialistischen und demokratischen Linken zusammenkommen. Wir werden dafür kämpfen, dass freundschaftliche Beziehungen zwischen diesen beiden Sektoren sichergestellt werden, die heute den Großteil der brasilianischen sozialistischen Linken umfasst – im besonderen die GenossInnen der DS, die sich in beiden Teilen befinden.

Unterzeichner:

Ana Sílvia Laurindo Da Cruz, Anderson Mancuso, Bruno Velasco, Carlos Alberto Almeida, Daniel Velasco, Francisco Conte, Heloísa Helena, João Machado, Luciana Sá, Luciano Da Silva Barbosa, Luiz Delmiro Texeira, Luiz Felipe, Mário Agra, Nilo Aragão, Pérola Engelaum, Reginaldo Costa.

27. März 2004

Die portugiesische Originalfassung ist nachzulesen auf der Internetseite von Marxismo revolucionario Atual, www.marxismorevolucionarioatual.org

Übersetzung aus dem Französischen: D. Berger

 

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