Weltweit protestieren viele Menschen gegen das israelische Vorgehen im Gazastreifen und die illegale Landnahme im Westjordanland. Vor allem die immer schrecklicheren Gräuel im Gazastreifen haben dazu geführt, dass auch in Deutschland Kritik an der israelischen Regierung wieder eher toleriert und sogar von der offiziellen Politik schüchtern angedeutet wird. Dabei liefert Deutschland weiterhin Waffen an Israel – und ohne die massive westliche Unterstützung hätte Israel nicht die bei Weitem stärkste Kriegsmaschine im Nahen Osten.
Noch immer wird der fadenscheinige Vorwand des „Rechts Israels auf Selbstverteidigung“ bemüht. Dabei ist doch offensichtlich, dass die israelische Regierung nicht gegen die Hamas Krieg führt – deren Etablierung Israel überhaupt erst ermöglicht hatte, um die PLO bzw. die Fatah zu schwächen –, sondern darauf abzielt, die palästinensische Bevölkerung zu vertreiben. Gregor Gysi hat im Bundestag zu Recht daran erinnert, dass Kriegsverbrechen der einen Seite nicht die Kriegsverbrechen der anderen Seite rechtfertigen – und dass keines der massakrierten und ausgehungerten palästinensischen Kinder für Angriffe auf Israel oder den Überfall vom 7. Oktober verantwortlich ist.
Im vorletzten Spiegel (vom 7. Juni) wurde darüber berichtet, wie maßgebliche Akteure der israelischen Regierung selbst über ihre Motive sprechen. Da ist nicht von „Selbstverteidigung“ die Rede. Bezalel Smotrich, Finanzminister und im Verteidigungsministerium für die Siedlungspolitik zuständig, will Gaza „vollständig zerstören“, „einen Trümmerhaufen hinterlassen“ und die „Palästinenser von dort entfernen“. Es sei auch „gerechtfertigt und moralisch“, die zwei Millionen Menschen im Gazastreifen auszuhungern. Sie sollen im Süden Gazas „konzentriert“ werden – so, dass ihnen nichts anderes übrig bleibt, als zu gehen. Aber wohin? Smotrich lässt zugleich im Westjordanland immer mehr Siedlungen errichten, mit dem erklärten Ziel, diese palästinensische Region endgültig zu annektieren.
Smotrich ist ein ausgewiesener Rechtsextremist und religiöser Fundamentalist, der statt einer Demokratie einen Staat will, in dem die Tora oberstes Gesetz ist. In Homophobie, Frauenfeindlichkeit und allen anderen kulturell-politischen Fragen steht er fanatisch-fundamentalistischen Muslimen in nichts nach. Obwohl er nur eine Splittergruppe vertritt, hat er erheblichen Einfluss in der israelischen Regierung. Premierminister Netanjahu ist ebenso auf ihn angewiesen wie auf den ähnlich denkenden Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir. Sollte Netanjahu nicht an der Regierung bleiben, drohen ihm ein Prozess wegen Korruption – und, oh Graus! – eine Untersuchungskommission zur Rolle der israelischen Regierung beim Angriff aus Gaza am 7. Oktober.
Netanjahu hat nun die iranische Bevölkerung dazu aufgerufen, das Mullah-Regime zu stürzen. Doch wenn überhaupt etwas dieses Regime besonders nachhaltig stützt und demokratischen Bewegungen das Wasser abgräbt, dann sind es gerade die israelischen Raketen. Die Rechtfertigung, man müsse verhindern, dass der Iran Atommacht wird, ist aus israelischer Sicht besonders unglaubwürdig. Israel hat den Atomwaffensperrvertrag nie unterzeichnet und ist schon lange Atommacht. Sollte der Iran deshalb seinerseits das Recht haben, Israel mit Raketen anzugreifen?
Einen furchtbaren Rechtsruck gibt es nicht nur in Israel, sondern seit vielen Jahren in zahlreichen formell noch demokratischen Ländern. Der politische Diskurs – gerade in Fragen von Krieg und Frieden – entzivilisiert sich im Eiltempo. Angriffskriege, die Eroberung militärisch schwächerer Länder, brutale Strafaktionen mit zivilen Opfern auf fremdem Staatsgebiet: All das wird zunehmend zur Normalität – bei Trump sogar ganz offen zum Programm. Dessen Isolationismus ist ohnehin relativ – etwa in seiner massiven Unterstützung des völkermörderischen Vorgehens der israelischen Regierung in Palästina. Wer – gerade auch in Deutschland – nicht lautstark für eine massive Ausweitung der Produktion von Zerstörungsmitteln eintritt, wird schnell zum politischen Außenseiter erklärt.
Auch wenn viele das nicht sehen wollen: Israel ist kein Hort zum Schutz jüdischen Lebens. Ein solcher wäre nur ein gemeinsamer, laizistischer und demokratisch verfasster palästinensischer Staat, der die Rechte aller Bevölkerungsteile respektiert – ohne Kriegsverbrechen und ohne Diskriminierung. Die autoritär regierten arabischen Staaten sind in Wirklichkeit keine Verbündeten des palästinensischen Befreiungskampfs – viele von ihnen verbieten sogar entsprechende öffentliche Kundgebungen. Der Erfolg dieses Kampfs muss Hand in Hand gehen mit einem neuen Aufblühen des arabischen Frühlings.
Das Gebot der Stunde ist in jedem Fall: das Ende der militärischen Unterstützung Israels und der Aufbau einer breiten internationalen Solidaritätsbewegung – überall und immer zuerst gegen den eigenen Imperialismus.