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Betrieb & Gewerkschaft

Pakt mit der Wirtschaft statt Ausbildungsplatzabgabe

Von Karl Lindt | 01.09.2004

Die Lehrstellenabgabe wurde durch den Bundesrat ausgehebelt. Stattdessen erfolgt ein unverbindlicher Ausbildungspakt zwischen Regierung und Kapital.

Die Lehrstellenabgabe wurde durch den Bundesrat ausgehebelt. Stattdessen erfolgt ein unverbindlicher Ausbildungspakt zwischen Regierung und Kapital.

Nachdem der Bundesrat das Gesetz über die Lehrstellenabgabe durch Anrufung des Vermittlungsausschusses auf Eis gelegt hatte, wurde am 16. Juni nun ein sogenannter „Ausbildungspakt“ zwischen der Bundesregierung und den großen Wirtschaftsverbänden geschlossen. Im Gegensatz zur vormals geplanten Ausbildungsplatzabgabe basiert diese getroffene Vereinbarung nicht auf einem Gesetz, sondern auf einer unverbindlichen Vereinbarung, welche nach Informationen des Focus bis 2007 gelten soll.

Inhalt des Paktes

Kerninhalt dieses Paktes ist die Schaffung von 30 000 neuen betrieblichen Lehrstellen für das kommende Ausbildungsjahr 2004/2005. Auch sollen 25 000 Plätze für einjährige Betriebspraktika geschaffen werden, deren Kosten die Bundesagentur für Arbeit (BA) tragen wird. Der Bund verspricht zusätzlich, das Bund-Länder-Ausbildungsprogamm Ost sowie die ausbildungsfördernden Maßnahmen der BA unverändert fortzusetzen. Der Pakt beinhaltet desweiteren eine rund zwanzigprozentige Erhöhung der Ausbildungsplätze in der Bundesverwaltung und einen Ausbau des bundesfinanzierten Programms „STARegio“ zur Förderung betrieblicher Ausbildungsverbünde. Neben dem Bund wird in dem Pakt aber auch an die Länder und Gemeinden appelliert. So sollen sie ihre regionalen Ausbildungsmarktaktivitäten verstärkt ausbreiten und u.a. eine Verbesserung des Unterrichtes an den allgemeinbildenen Schulen gewährleisten. Die einzigen beiden Punkte in dem Ausbildungspakt, welche die Nicht-Regierungsseite betreffen, ist die Schaffung von 800 zusätzlichen Ausbildungsplätzen bei der „Deutschen Industrie- und Handelskammer“ (DIHK) bzw. beim „Zentralverband des Deutschen Handwerks“ (ZDH), sowie ein Appell an die Tarifparteien, ausbildungsfördernde Vereinbarungen zu treffen.

Ein fauler Kompromiss

Die im „Ausbildungspakt“ festgesetzten Vorhaben sind entweder unverbindliche Zielvereinbarungen, wenn sie das Kapital betreffen, oder sie werden durch Bundesmittel finanziert. In diesem Fall sind sie dann auch verbindlich. Bezüglich den von der Wirtschaft versprochenen 30 000 neuen Ausbildungsplätzen betonte der Präsident der „Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“, Dieter Hundt am 16. Juni 2004, „dass es sich dabei nicht um zusätzliche Stellen handele, da nicht auszuschließen sei, dass bisher angebotene Ausbildungsplätze wegfallen würden“ (jw 17.6.04). Dass die besagte Anzahl von neuen Lehrstellen überhaupt ausreichen wird, um die aus wirtschaftlichen und anderen Gründen wegfallenden Ausbildungsplätze zu kompensieren, ist dabei noch in Frage zu stellen. Schon Mitte Juni wurde seitens der KapitaleignerInnen der Wegfall von 23 000 Lehrstellen für das kommende Ausbildungsjahr gemeldet. Durch weitere Konkurse, Rationalisierungsmaßnahmen etc. kann diese Zahl noch erheblich steigen.
Die Schaffung der besagten 30 000 „neuen“ Lehrstellen wird keine Verbesserung der Lage der Jugendlichen bringen, sondern wenn überhaupt eine Konsolidierung des Status quo. Aber auch die als besondere „Innovation“ gefeierte Bereitstellung von 25 000 einjährigen Betriebspraktika, welche durch die BA finanziert werden, hilft nur, die Statistik der Jugendarbeitslosigkeit zu schönen. Die PraktikantInnen werden in diesem einen Jahr keinerlei Berufsqualifikation erhalten.
Somit bleibt für viele junge Menschen nur noch die Hoffnung, durch ein staatliches Ausbildungsprogramm wie das o.g. „STARegio“ eine „richtige“ Lehrstelle zu bekommen. Der quantitative und qualitative Erfolg solcher Programme lässt allerdings in den meisten Fällen zu wünschen übrig, wie u.a das so genannte JUMP- Programm der Bundesregierung gezeigt hat (siehe Avanti Nr. 109 zum JUMP-Programm).

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