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Betrieb & Gewerkschaft

Neues aus Nordhausen

Von Philipp Xanthos | 01.11.2007
Schon bevor alle 1800 Bestellungen für das strike bike eingetroffen waren, stand für die Betriebs-BesetzerInnen von Nordhausen fest: Es wird produziert. Die Solidaritätskampange, die die anarchosyndikalistische Freie ArbeiterInnen Union (FAU) ins Leben gerufen hatte, schlug voll ein. Aus vielen Ländern der Welt trafen Bestellungen ein. Am Ende wurden dann allerdings sogar Bestellungen abgewiesen.

Schon bevor alle 1800 Bestellungen für das strike bike eingetroffen waren, stand für die Betriebs-BesetzerInnen von Nordhausen fest: Es wird produziert. Die Solidaritätskampange, die die anarchosyndikalistische Freie ArbeiterInnen Union (FAU) ins Leben gerufen hatte, schlug voll ein. Aus vielen Ländern der Welt trafen Bestellungen ein. Am Ende wurden dann allerdings sogar Bestellungen abgewiesen.

Das bestellte Material würde nicht ausreichen und eine Verstetigung des selbstverwalteten Produktionsprozesses war bislang nicht geplant. Nur ein Zeichen sollte gesetzt werden; die Produktionsdauer sollte ein bis zwei Wochen betragen. Seit einer Betriebsversammlung am 9. Oktober steht zudem fest, wie der weitere Weg wohl aussehen wird: Eine Transfergesellschaft wird gegründet, in der die KollegInnen ab dem 1. November weitergebildet werden sollen. Die Haltbarkeitsdauer dieser Transfergesellschaft beträgt acht Monate. Die MitarbeiterInnen befürchten nun, dass die aufgebaute Solidarität sich verläuft, weil manch eineR doch noch eine Stelle bekommen mag und jeder eigene Wege geht. Das Minimal- und gleichzeitige Maximalziel der ArbeiterInnen war schließlich nach wie vor, einen zahlungswilligen Investor zu finden. Der hatte sich aber bis zu Redaktionsschluss immer noch nicht blicken lassen. Und würde sich eigentlich überhaupt ein Investor auf eine Belegschaft einlassen, die ihm womöglich eines Tages den Betrieb wegbesetzt?
Vertrauen in eigene Kraft fehlt
Offensichtlich fehlt es den Besetzer­Innen zum einen an das Vertrauen in die eigene Kraft. Eine dauerhafte selbstverwaltete Produktion wurde von Anfang an nicht für möglich gehalten. Doch diese subjektive Haltung hat durchaus auch objektive Grundlagen. Denn es fehlt das nötige Kapital, das auch die schönste Solidaritätskampagne nicht beschaffen kann. Das Auftragsvolumen, die Materialien und viele Maschinen sind weg. Zudem leben die 124 ehemaligen Beschäftigten seit August von Arbeitslosengeld, so dass bei einigen schon das Spritgeld zur Fahrt zum Werk nicht mehr reicht. Das Volumen von 1 800 Fahrrädern, die Ende Oktober in einer Woche produziert und Anfang November ausgeliefert werden sollen, liegt noch unter der üblichen Tagesproduktion. Mit einer derart niedrigen Produktivität einfach weiter zu produzieren, kann kaum funktionieren. Schließlich muss bedacht werden, dass das kapitalistische Umfeld und der Fahrrad-Weltmarkt nach wie vor weiter bestehen und die effizienteste ArbeiterInnen-Selbstverwaltung daran nichts ändert.
Abtransport nicht verhindert
Nachdem leider der Abtransport der Materialien und von Maschinen nicht verhindert worden war, hätten die ArbeiterInnen einen öffentlichen, zinslosen Kredit  fordern können, um ein Startkapital zu haben. Mit einer bundesweiten Solidaritätskampagne der Gewerkschaften und klassenkämpferischen Organisationen wäre das erreichbar gewesen.
Allerdings ist zum einen zu bedenken, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Zum anderen sind auch jetzt schon und trotz allem folgende sehr positive Tatsachen zu nennen:

  1. Es wurde bewiesen, dass selbstverwaltete Produktion ohne Chefs an sich möglich ist und sich rechnen kann. Die konkrete ArbeiterInnendemokratie in Nordhausen stellt jede bisherige „betriebliche Mitbestimmung“ in den Schatten.
  2. Über das Internet wurde zudem ein alternativer und potentiell antikapitalistischer und antibürokratischer Absatzweg ohne Reibungsverluste erprobt.
  3. Es ist deutlich geworden, dass auf Grund der heutigen Vernetzung von klassenkämpferischen Individuen, Strömungen und Organisationen äußerst schnelle und effiziente internationale Solidaritätsbewegungen möglich sind.
  4. Es hat sich gezeigt, dass das plötzlich frei gesetzte schöpferische Potenzial und die entstandene Solidarität in hohem Maße ansteckend sind. Die Bevölkerung in der Region erklärte sich im Allgemeinen solidarisch, unabhängig vom individuellen Politisierungsgrad.
Rückschau
Am 10. Juli besetzten die ArbeiterInnen von Bike Systems in Nordhausen/Thüringen spontan und geschlossen die Fabrik. Zuvor war von der Geschäftsführung behauptet worden, dass das amerikanische  Milliarden-Unternehmen Lone Star kein Geld für Abfindungen habe. In der Folge gingen von den KollegInnen Solidaritätsaktionen für die lokale Bevölkerung aus, die sich ihrerseits solidarisch erklärte. Im September nahm sich die FAU der ArbeiterInnen an und startete eine Solidaritätskampagne. Das eigene Produkt Strike-Bike wurde auf den Markt gebracht – mit Erfolg.

 

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