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Bildung, Jugend

Neoliberaler Schulalltag

Von Johann Strauch | 01.06.2008

Rund 8000 SchülerInnen demonstrierten am 22. Mai in Berlin gegen Bildungsabbau. Am 12. Juni ist ein bundesweiter Schulstreik geplant. Zentrale Forderungen sind kleinere Klassen, mehr LehrerInnen, Lernmittelfreiheit und die Abschaffung des gegliederten Schulsystems. Doch dies sind noch längst nicht alle Probleme, mit denen SchülerInnen zu kämpfen haben, seitdem die Schule im Fadenkreuz des Neoliberalismus steht.

Rund 8000 SchülerInnen demonstrierten am 22. Mai in Berlin gegen Bildungsabbau. Am 12. Juni ist ein bundesweiter Schulstreik geplant. Zentrale Forderungen sind kleinere Klassen, mehr LehrerInnen, Lernmittelfreiheit und die Abschaffung des gegliederten Schulsystems. Doch dies sind noch längst nicht alle Probleme, mit denen SchülerInnen zu kämpfen haben, seitdem die Schule im Fadenkreuz des Neoliberalismus steht.

Am besten lässt sich die Situation mit den Schlagworten Leistungsdruck, Unsicherheit, Repression, Individualisierung und Konkurrenz(denken), 8 Jahre Gymnasium (G8) und der damit verbundenen Selektion ausdrücken. Grund ist, dass in der Dienstleistungsgesellschaft Wissen zur Produktivkraft wird, Bildung zur Ware und der Wissenssektor zum Markt.
Spaltung der SchülerInnenschaft
Es wird bereits meist in der 4. Klasse sortiert, wer später auf ein Gymnasium oder eine minderwertige Schule geht. So wird von Anfang an ein Großteil der SchülerInnen von höherer Bildung ausgeschlossen und aufs gesellschaftliche Abstellgleis gestellt bzw. direkt in die Arbeitslosigkeit entlassen. Diese erzeugt einen strukturellen Druck auf die verbliebenen SchülerInnen, nicht in Selbige abzurutschen. Das fördert die Konkurrenz unter den SchülerInnen und erzeugt bei ihnen schon in der Schule das Maß an freiwilliger Selbstausbeutung, welches essenziell für den neoliberalen Arbeitsalltag geworden ist. Dass die gesellschaftlichen Eliten oder Verantwortungsträger selbst ausschließlich von Gymnasien kommen, ist logisch.

Außerdem zieht sich der Staat immer weiter zugunsten der Wirtschaft von seinen Aufgaben zurück. Er übernimmt (mit der Wirtschaft zusammen!) bloß noch die Erfüllung von zentralen Aufgaben, sowie die Überwachung, dass alles mehr schlecht als recht funktioniert.
Vergleichbarkeit
Durch die Einführung von zentralen Vergleichsarbeiten und Prüfungen wird die Möglichkeit geschaffen, die Schulen und die SchülerInnen untereinander vergleichen zu können. Auf Schulebene führt dies zu einer Konkurrenz zwischen den Standorten. Schlagworte wie Wissens- und Schulmanagement verdeutlichen den Charakter des Unternehmens Schule.

Der empfundene Leistungsdruck bei SchülerInnen, insbesondere GymnasiastInnen, ist Ausdruck der Individualisierung durch real existierenden Druck, welcher mit der Vergleichbarkeit der Abschlüsse gepaart ist, zu ihrer Isolation und zwischen ihnen zum Wettbewerb führt. Bildung und Unterricht werden so als Investition ins Humankapital verstanden. Hier schließt sich der Kreis mit dem Arbeitsalltag. Die auf Durchsetzungsvermögen und sozialer Ungleichheit beruhende ausgestellte Qualifizierung steckt die Grenzen zwischen Ausbeuter und Ausgebeuteten ab. Durch die Spaltung der SchülerInnenschaft auf Schulebene wird die gesamtgesellschaftliche Prekariat antizipiert und eine strukturelle Gewalt erzeugt, die gefühlt wird.
Für eine solidarische Alternative
Vor diesem Hintergrund wird auch klar, warum sich der Widerstand vor allem an Gymnasien formiert. Wo früher der Start ins Berufsleben abgesichert war, steht heute die Konfrontation mit der neoliberalen Realität. Doch der Kampf für mehr LehrerInnen, sowie für bessere Ausstattung und kleinere Klassen führt nicht zu einer Verbesserung, sondern zu einer Zementierung der Verhältnisse. Dass auf individuellen Druck mit Forderung nach individueller Förderung reagiert wird, ist systemlogisch. Aber nur eine Solidarität unter den SchülerInnen, und auch mit den LehrerInnen, kann die Isolation des Einzelnen aufbrechen. Die Zerstörung von Lebensgrundlagen in Form von Bildungsverweigerung, zur Aufrechterhaltung von Prekarität, zerstört demokratische Grundlagen der Gesellschaft. Das Ziel einer SchülerInnenbewegung kann daher nur sein, eine solidarische, gesamtgesellschaftliche Alternative zu formulieren. 

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