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Betrieb & Gewerkschaft

NCI kämpft weiter gegen Entlassungen

Von Trixi Blixer | 01.12.2003

Gegen Ende des Geschäftsjahres 2001/2002 beschloss die Siemens AG, ihre defizitäre Netzwerksparte ICN (Information and Communication Networks) durch einen rigorosen Abbau der Kopfzahlen zu sanieren. NCI (Network Cooperation & Initiative) oder einfach ICN rückwärts, ist eine eigenständig organisierte Vereinigung von Siemens KollegInnen, die vom Stellenabbau bei Siemens Hofmannstraße München betroffen sind.

Gegen Ende des Geschäftsjahres 2001/2002 beschloss die Siemens AG, ihre defizitäre Netzwerksparte ICN (Information and Communication Networks) durch einen rigorosen Abbau der Kopfzahlen zu sanieren. NCI (Network Cooperation & Initiative) oder einfach ICN rückwärts, ist eine eigenständig organisierte Vereinigung von Siemens KollegInnen, die vom Stellenabbau bei Siemens Hofmannstraße München betroffen sind.

Gegründet hat sich NCI vor ca. einem Jahr, als die erste große Entlassungswelle nach dem Boom bei Siemens-München-Hofmannstraße eingesetzt hat. Der Zustand war durch Missmanagement verursacht und durch die internationale Krise der Telekommunikations-Branche verschärft worden. Siemens ist mit 84 Mrd. € Umsatz ein Global Player mit Niederlassungen in 190 Ländern. Der Konzern erzielte im Geschäftsjahr 2002/2003 sein zweitbestes Firmenergebnis in seiner 156-jährigen Geschichte: Gewinn nach Steuern 2,6 Mrd. EUR mit zusätzlichen Steuerrückerstattungen von 300 Millionen EUR in Deutschland.

Gleichzeitig sollen 2.600 Beschäftigte von 6.600 bei ICN und benachbarten Bereichen seit 2002 abgebaut werden. Den Gekündigten wurden von der Siemensleitung Aufhebungsverträge oder der Übertritt in eine siemenseigene Beschäftigungsgesellschaft (beE) unter Androhung einer Kündigung "angeboten". Die Belegschaft von Siemens Hofmannstr. kämpft deshalb seit letztem Jahr gemeinsam mit dem IG Metall-geführten Betriebsrat gegen den Stellenabbau.
Was ist NCI?
Gekennzeichnet ist diese Auseinandersetzung durch eine beispiellose Solidarität unter den Kolleginnen und Kollegen. Bei einer Betriebsversammlung vor einem Jahr suchte der Betriebsrat den offenen Dialog und die Zusammenarbeit mit der Belegschaft, die sich heute im Siemens KollegInnennetz NCI fortsetzt. NCI hat sich vergangenes Jahr vor Weihnachten gebildet, als eine neue Kündigungswelle bevorstand, und zählt mittlerweile über 700 Mitglieder. Unterstützung für dieses „Network Cooperation & Initiative", wie es sich nun nannte, kam intensiv von Seiten des Betriebsrates München Hofmannstr., der IG Metall und der Kirchen.

Das Netzwerk konnte vor allem durch die Informationspolitik des Betriebsrates entstehen, denn der Betriebsrat schweigt nicht. Er beginnt von Anfang an, die Belegschaft offen zu informieren, mit ihr zu diskutieren, geht an die Öffentlichkeit. Er ruft zusammen mit der IG Metall zu Demos auf, zitiert das Kündigungsschutzgesetz, informiert über Rechte. Der Betriebsrat unterstützte, gab Schutz und „Unterschlupf" in seinen Betriebsratsräumen. Das Beschäftigtennetz NCI begann mehr und mehr, sich zu formieren, anfangs noch auf dem Firmengelände. Dann warnte die IGM, dass der Boden zu heiß werden würde. In den benachbarten Kirchen wurden Räume organisiert und NCI schlüpfte nun unter das Dach der IG Metall, ohne seine Unabhängigkeit zu verlieren.

Als wichtige Ziele seiner Arbeit nennt NCI u.a. die Solidarität untereinander, um gemeinsam wirkungsvoller handeln zu können; Aufhebung von Isolierung; Aktiv sich für die eigenen Arbeitnehmerrechte, z.B. mit Demos, Presseartikeln, einzusetzen Stellungnahme zum Geschehen auf dem Arbeitsmarkt bzw. Aufklärung über ArbeitnehmerInnenrechte.
Netzwerke neben den Gewerkschaften
Im ICN-Standort München Hofmann- straße wehrte sich nicht nur der Betriebsrat gegen die geplanten Entlassungen. Er half aktiv ein solidarisches Netzwerk aufzubauen und die Belegschaft zur Selbstorganisation zu aktivieren. Wichtig ist auch, dass es geschafft wurde, das Bewusstsein zu vermitteln, dass sowohl die direkt Betroffenen wie auch die "nur" gefährdeten Beschäftigten gemeinsam gegen den Kahlschlag vorgehen müssen. Damit wurde auch die Position aller verstärkt und der BR bekam für seine Auseinandersetzung mit der Betriebsleitung Unterstützung von der Belegschaft: Die Belegschaft drückt dies in einem Solidaritätsbrief für den manchmal stark unter Beschuss stehenden Betriebsrat aus: "Wir empfinden es mutig und solidarisch mit der Belegschaft, dass der Betriebsrat sich nicht vor den Karren der Geschäftsleitung spannen lässt und keinen Schmusekurs mit der Geschäftsleitung führt. Aus Berichten von Mitarbeitern aus anderen Betrieben wissen wir, dass dies keineswegs selbstverständlich ist."

Ein selbst organisiertes Netzwerk konnte – zwar in Kooperation mit der IGM aber doch unabhängig – konkreter auf die Bedürfnisse wie z.B. besserer Informationsaustausch, Veranstaltungen, Gruppentreffen oder Mailinglisten eingehen, als die oft überbürokratisierten Strukturen der IGM. Die IGM reagierte auf das unabhängige Netzwerk, indem sie später Rechtshilfe finanzierte und die Homepage auf ihrem Server unterbrachte.

Mit NCI sollte eine solidarische Basis gebildet werden, um in der Öffentlichkeit die Problematik und die gesellschaftlichen Auswirkungen des Stellenabbaus aufzuzeigen und zu diskutieren. Die Bedeutung von Information, Eigeninitiative und Kooperation auf dieser Basis muss, vor allem in größeren Betrieben, von den abhängig Beschäftigten erst wahrgenommen und verinnerlicht werden. Häufig stehen gerade die langjährigen Angestellten und ArbeiterInnen mit den vermeintlich "sicheren" Arbeitsplätzen sehr hilflos vor einer Kündigungswelle. Da die Betriebsräte manchmal auch eher Co-Management betreiben, anstatt die Interesse der Belegschaft auszudrücken, ist die Bildung von Netzwerken wie NCI sicherlich eine Möglichkeit, den Kampf zu organisieren. Auch wenn diese keine überbetriebliche, gewerkschaftliche Organisierung ersetzen können.

Mehr Infos gibt es unter: www.nci.migm.de

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