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Nach dem Stromausfall in den USA: Bushs betrügerisches “Hilfsprogramm”

Von Harvey Wasserman | 01.10.2003

Bush erklärte vor Reportern, er betrachte den Blackout vom August 2003 als einen “Weckruf, … einen Hinweis, dass wir das Elektrizitätsfernleitungsnetz modernisieren müssen.”

Bush erklärte vor Reportern, er betrachte den Blackout vom August 2003 als einen “Weckruf, … einen Hinweis, dass wir das Elektrizitätsfernleitungsnetz modernisieren müssen.”

Klar ist, dass die Bushregierung diese neueste Krise als eine weitere glänzende Gelegenheit ansieht. […] Der Blackout veranlasste Bush, erneut einen dreifachen Coup zu starten: seinen bevorzugten Wahlkampfspendern in der Energiewirtschaft noch mehr Geld zuzuschustern, die Deregulierung fortzuführen und die Ausbeutung fossiler und nuklearer Brennstoffe voranzutreiben.

Das Mittel zur Umsetzung ist das Bush Energie Gesetz (Bush Energy Bill). Die Novelle von 2003 brachte den Versorgungsbetrieben, der Atomindustrie und den Gas-, Kohle- und Ölförderern gewaltige Zuschüsse. Allein die Nuklearindustrie erhielt etwa 8,5 Mrd. $ garantierter Darlehen für Neuanlagen zugeschustert […].
FirstEnergy
FirstEnergy (FE), hat seinen Sitz in Akron und ist heute der viertgrößte Versorgungsbetrieb in den USA. Er verkauft seinen Strom an 4,5 Mio. Abnehmer in Ohio, Pennsylvania und New Jersey. FE besitzt und bestimmt auch die Gesetzgebung in Ohio, was ihm z. B. dank der Deregulierung Ende der 1990er Jahre annähernd 9 Mrd. $ an Subventionen einbrachte. […]

Dass FirstEnergy den Blackout vom 14. August angezettelt hat, ist nur politische Poesie. Vorstandsmitglieder der Firma organisierten im Juni eine Spendensammlung für Bush, bei der glatte 600.000 $ zusammenkamen und an der niemand Geringeres als Vizepräsident Dick Cheney teilnahm. FE-Vorstandsvorsitzender Anthony Alexander persönlich spendete 100.000 $ für die Amtseinführung von Bush-Cheney und diente in der Übergangsmannschaft des Energieministeriums.
Mehr Geld für das Fernleitungsnetz
In Bushs Darstellung liegt auf der technischen Seite die Hauptverantwortung für den Blackout beim Fernleitungsnetz. "Das Netz ist alt. Es wird älter. Und die Nachfrage nach Strom steigt gewaltig und wir kommen nicht nach," so Energieminister Spencer Abraham in "Fox News Sunday".

Recht hat er. Denn dieser massive Eingriff, der das Pferd von hinten aufzuzäumen versucht, kann das Problem nicht lösen. Gewaltige Netzwerke mit riesigen Türmen und Leitungen aus dem 20. Jahrhundert, die Elektrizität über Tausende von Meilen transportieren ist eine absurde Ineffizienz. Mindestens 10 Prozent der Elektrizität geht dadurch verloren, dass sie über so lange Strecken geleitet wird. Die Leitungen sind gefährlich für die Menschen und tödlich für Millionen Vögel. Dieses System hat größere Blackouts erlebt in den Jahren 1959, 1961, 1965 und 1977 im Osten der USA und 1996 im Westen. Abraham sagt, dass das Aufrüsten des Leitungssystems 50 Mrd. $ kosten wird und dass die Verbraucher dies zahlen sollen, denn sie seien "diejenigen, die davon profitieren."

Für uns am wichtigsten ist, dass das Fernleitungsnetz zwar repariert werden kann, das es aber grundsätzlich nicht sicher gestaltet werden kann. Denn die Grundausrichtung des Netzes, das Bush bewahren und schützen will, ist total überholt. Bush will weiterhin den Strom in großen zentralen Kraftwerken mit fossilen Brennstoffe und Atomkraft erzeugen lassen und mehr und mehr von diesem Saft über ein wackliges Fernleitungsnetz weiterleiten, das extrem anfällig ist für Zusammenbrüche aufgrund technischer Inkompetenz oder Sabotage.

Die wirkliche Zukunft liegt in einem System, das die Bushregierung niemals akzeptieren wird: in der dezentralen Elektrizitätserzeugung basierend auf erneuerbaren Energien, dort wo der Strom gebraucht wird, und zwar mit Sonnenkollektoren auf den Dächern, Blockkraftwerken im Keller, Erdwärme usw.

Bush hingegen wird diese Krise nutzen, um weitere Milliarden in das Ausbessern und Herumbasteln am vorhandenen Fernleitungsnetz zu pumpen. Das ganze Geld wird den Firmen zufließen, die für Bushs Wahlkampagne gespendet haben, sicherlich auch an FirstEnergy und wahrscheinlich auch an Halliburton – wenn die bis dahin rechtzeitig aus dem Irak zurück sind1.
Verteidigung der Deregulierung
Im Allgemeinen können Blackouts nicht allein der Deregulierung angelastet werden. Bush möchte sie in jedem Fall weitertreiben und hat das auf seiner Prioritätenliste ganz oben stehen. Vor den reihenweise eintretenden […] Blackouts in Kalifornien von 2000-2001 fanden die größten Ausfälle in einer Zeit statt, als die Industrie noch "reguliert" war. Aber ein Blackout diesen gewaltigen Ausmaßes konnte nur in einer deregulierten Wirtschaft passieren. Dass so viele Versorgungsunternehmen ihr System über eine so große Fläche zusammenbrechen lassen konnten, war nur möglich, weil sie allesamt nichts anderes im Sinn haben als den maximalen Profit in der kürzest möglichen Zeit.

Inzwischen wiederholt die Industrie gebetsmühlenartig ihre alten Weisheiten vom "freien Markt" und behauptet, der Blackout geschah, weil es "nicht genug Deregulierung" gab. Und das ist auch die Bush-Linie: Mehr und nicht weniger "Kräfte des freien Marktes" werden irgendwie das Fernleitungsnetz in den Griff bekommen, obwohl gerade das Gegenteil richtig ist.

Bushs erstes und oberstes Ziel ist das Public Utilities Holding Company Act (PUHCA, Gesetz der Öffentlichen Versorgungseinrichtungen), ein Bollwerk aus der Zeit des New Deal, das es den Versorgungsunternehmen untersagte, über Staatsgrenzen hinweg zu fusionieren, und das für viele ihrer Aktivitäten eine öffentliche Rechnungslegung verlangt. Es wurde ins Leben gerufen, nachdem in den 1920er Jahren viele Versorgungseinrichtungen fusioniert hatten, zu räuberischen Monopolen herangewachsen und dann zusammengebrochen waren. Das Gesetz wurde seinerzeit das Herzstück einer bundesweiten Gesetzgebung, das darauf abzielte, den Unterschied zwischen Betrieben öffentlichen Eigentums und solchen mit privater Gewinnaneignung klein zu halten.

Es wurde eingeführt in der Zeit des Aufstiegs der Stromwirtschaft, die in der Zeit zwischen 1895 und 1920 ihren Siegeszug angetreten hatte, und führte dazu, dass die privaten Versorgungsunternehmen stabil blieben, relativ billig und etwa 80 Jahre lang noch halbwegs verlässlich. Aber für die privaten Unternehmen war die Regulierung auch ein brauchbares Mittel, um sich gegen die Übernahme durch verärgerte Nutzer zu wehren, die ihre Wut an die Regulierungsbehörde richten durften. […]

Die Abschaffung des PUHCA-Gesetzes ist in beiden jetzt vorliegenden Versionen der Energiegesetzesnovelle vorgesehen. Und die Republikaner zielen darauf, auch die letzten Reste dieses Gesetzes zu beseitigen. Geschieht dies, wird es zu einer neuen Fusionswelle kommen, so dass es auf dem gesamten Kontinent nur noch eine Handvoll aufgeblähter Versorgungsunternehmen geben wird, die dann die Gesetzgebung genauso bestimmen werden wie sie die Veröffentlichungen kontrollieren und SenatorInnen und RepräsentantInnen oder die Kraftwerke im Griff haben. Trotz aller Rhetorik von freier Marktwirtschaft wird es dann keine nennenswerte Konkurrenz mehr geben. Die Preise werden s
teigen und der Service wird noch schlechter werden mit mehr und mehr destabilisierenden Blackouts, die immer größere Gebiete erfassen werden. All dies wird der Öffentlichkeit als Maßnahme gegen weitere Blackouts verkauft werden.
Mehr Bergwerke, mehr Bohrungen, mehr Atomkraft
Schließlich nutzt Bush diese Krise, um noch mehr Steuergelder für seine Freunde im Kraftwerksgeschäft locker zu machen. Mensch braucht, so sagen sie, immer mehr Kraftwerke, um den steigenden Bedarf zu decken.

Da spielt es keine Rolle, dass Kohle ein Umweltverschmutzer mit weitreichenden Problemen ist und dass Gas zunehmend knapp wird. Und da spielt es keine Rolle, dass in solchen Krisen Kernkraftwerke völlig wertlos sind. Da sie für ihr Funktionieren Energie im Hintergrund benötigen, mussten neun Reaktoren, die an das Fernleitungsnetz angeschlossen waren, runter gefahren werden und konnten genau zu dem Zeitpunkt, als ihre Energie am dringendsten gebraucht wurde, nichts liefern.

[…]

Der Bush-Plan enthält einige kleinere Steuersenkungen für große Windkraftanlagen und es mögen noch andere kleine Geschenke für grüne Kinkerlitzchen kommen. Aber man darf keine nennenswerten Maßnahmen zur Effizienzsteigerung oder Einsparung erwarten, um an die 50% Energie heranzugehen, die wir verschwenden. Eingesparte Energie ist die billigste Form "neuer" Energie. Die 50 Mrd. $, die Abraham den Bush-WahlunterstützerInnen für den Ausbau des Netzes zukommen lassen will, könnten für die Effizienzsteigerung verwendet werden. Oder sie könnten für die Entwicklung alternativer Energiequellen genutzt werden. All dies könnte das überforderte Netz entlasten.

Dies ist keine grüne Fantasie. Letztes Jahr gab San Francisco eine 100 Mio. $ Anleihe aus, um auf den öffentlichen Gebäuden Solaranlagen zu installieren. Hätte der Blackout San Francisco getroffen, wäre dank dieser Anlagen das Licht an geblieben. San Francisco blieb damit in Kalifornien allein, denn als die staatliche "Öffentliche Versorgungskommission" in den 1990er Jahren einen Plan zur Erzeugung alternativer Energien entwickelte, wurde er von den Versorgungsunternehmen gekippt. Diese Hunderte von Megawatt hätten Enron und die sonstigen Bush-nahen Kohorten daran hindern können, den kalifornischen Staat in den Bankrott zu treiben.

Diese selben Piraten unterstützen ganz begierig Bushs Pläne zur Ausnutzung des Blackouts für ihre Profitinteressen und werden dabei noch mehr Geld vom Steuerzahler erhalten. Wir verfügen über die Technologie, auf den tatsächlichen "Weckruf" angemessen zu antworten. Die Frage ist: Wollen wir das?

Es wird nicht leicht sein, diesen neuesten Angriff Bushs abzuwehren. Aber wir haben keine andere Wahl.

H. W. ist der Autor von "The Last Energy War" (Seven Strories Press) und Herausgeber von www.freepress.org

1 [Vizepräsident Cheney war Vorstandsvorsitzender von Halliburton und ist der Fa. nach wie vor verbunden. D. B.]

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