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Kultur

„Momentan gibt es keine linke kulturpolitische Debatte“

Von Heinrich Neuhaus | 01.09.2008

Seit 40 Jahren steht der linke Mannheimer Liedermacher Bernd Köhler auf der Bühne. In dieser Zeit hat sich der seit den 70er Jahren auch als „Schlauch“ bekannte Künstler seine kritische Sichtweise bewahrt. Für Avanti sprach mit ihm Heinrich Neuhaus: "Bernd, von den ersten Akkorden auf der Gitarre 1965 bis heute hast Du – auch musikalisch – einen langen Weg zurückgelegt. Welches sind die entscheidenden Veränderungen seit damals?" Bernd Köhler: "Puhh, das ist ja gleich eine echt intergalaktische Frage. Ich denke, die Welt hat sich seit damals grundsätzlich und nachhaltig verändert. Leider nicht in dem Sinne, wie wir es vor 40 Jahren angedacht hatten. Die Marktmechanismen haben einmal mehr bewiesen, wie innovativ sie sind, wenn es darum geht, gesellschaftliche oder kulturelle Gegenbewegungen profitträchtig umzudrehen..."

Seit 40 Jahren steht der linke Mannheimer Liedermacher Bernd Köhler auf der Bühne. In dieser Zeit hat sich der seit den 70er Jahren auch als „Schlauch“ bekannte Künstler seine kritische Sichtweise bewahrt. Für Avanti sprach mit ihm Heinrich Neuhaus.

Bernd, von den ersten Akkorden auf der Gitarre 1965 bis heute hast Du – auch musikalisch – einen langen Weg zurückgelegt. Welches sind die entscheidenden Veränderungen seit damals?

Bernd Köhler: Puhh, das ist ja gleich eine echt intergalaktische Frage. Ich denke, die Welt hat sich seit damals grundsätzlich und nachhaltig verändert. Leider nicht in dem Sinne, wie wir es vor 40 Jahren angedacht hatten. Die Marktmechanismen haben einmal mehr bewiesen, wie innovativ sie sind, wenn es darum geht, gesellschaftliche oder kulturelle Gegenbewegungen profitträchtig umzudrehen. Die Kultur- und Medienindustrie ist hier nur ein Beispiel. Man könnte fast sagen, dass das herrschende System diese Prozesse der Aneignung zum Überleben braucht. Leider gibt es momentan keine linke kulturpolitische Debatte, die dies tiefer zu durchdringen versucht.

Du schreibst politische Lieder. Als Grafiker hast du politische Kampagnen im Antifabereich oder für attac mitentwickelt – was war der rote Faden in deinem Leben?

Bernd: Der rote Faden war und ist mein Bezug zur Arbeiterbewegung. Dort habe ich die meiste Anregung für meine künstlerische Arbeit erhalten. Eine Auseinandersetzung, wie die um die 35-Stundenwoche, bei der es zwar um eine Tariffrage, aber letztlich um die Verwertung von Arbeit und Freizeit ging, war für mich zutiefst innovativ und inspirierend. Zum roten Faden gehören aber auch meine zwanzig Jahre als Mitglied in einer kommunistischen Partei, der DKP. Die Erfahrungen von Genossinnen und Genossen, die aus dem antifaschistischen Widerstand kamen, die Debatten mit klassenbewussten Kolleginnen und Kollegen. Das war aus Überzeugung gewählt und gewollt, wie auch die spätere Trennung von diesem Parteikonzept.

ewo2 – das kleine elektronische weltorchester – existiert nun seit fast 10 Jahren. Mit der CD „die neue welt” wurde ewo2 auch überregional bekannt. Wie kann dieses Projekt charakterisiert werden?

Bernd: ewo2 ist ein linkes kulturelles Projekt ohne parteispezifische Zuordnung. Die Palette der Auftrittsorte reicht von Kultureinrichtungen über Feste und Aktionen linker Organisationen bis zu den Gewerkschaften. Das erste ewo-Projekt war eine multimediale Inszenierung zum 70. Todestag des russischen Revolutionspoeten Wladimir Majakowski. Obwohl das Ganze hochkarätig war, blieb die Resonanz gering. Den traditionell-politischen Leuten waren wir zu künstlerisch und der Kunstszene zu politisch. Das erfolgreich­ste künstlerische Projekt war eine Musik-Text-Collage über den schizophrenen Schweizer Künstler Adolf Wölfli, die auch verfilmt wurde. Aktuell sind wir erfolgreich mit „avanti popolo”, neu bearbeiteten Widerstandslieder aus unterschiedlichen Ländern und Epochen, unterwegs.

Gibt es auch Verknüpfungen zwischen ewo2 und anderen Projekten?

Bernd: Es ergeben sich immer wieder Überschneidungen mit anderen Künstlerinnen und Künstlern. Das Letzte war unsere Musik für die szenische Collage Paranoiadies, einer Auftragsproduktion von ver.di zum Thema Menschenwürde und prekäre Arbeit. Ein weiteres Beispiel sind die gemeinsamen Auftritte mit dem Mannheimer Alstom Chor, der am 25. Oktober sein 5-jähriges Bestehen feiert. Auch da wird ewo2 wieder mit dabei sein.

Welche musikalischen Planungen hast Du für die nähere Zukunft?

Bernd: ewo2 plant im nächsten Jahr ein Programm mit Liedern von Franz-Josef-Degenhardt. Im Dezember gibt es die Premiere eines Chansonabends mit Blandine Bonjour.

 

TiPP!
Am 27. September tritt ewo2 mit seinem Programm „avanti popolo“ bei der Konferenz des RSB „70 Jahre IV. Internationale“ in Mannheim auf.

 

 

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