Mitglieder rebellieren gegen Annahme
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Schlichtungsergebnis im öffentlichen Dienst Bund und Kommunen

Mitglieder rebellieren gegen Annahme

Von Michael Heldt | 11.04.2025

ver.di ruft zur Annahme der Schlichtungsempfehlung im öffentlichen Dienst auf. Der Bundesvorstand spricht von einem „schwierigen Kompromiss“. Doch das trifft nicht den Kern. Was wir erleben, ist eine Niederlage – in einer Zeit, in der die Auseinandersetzung um soziale Rechte und öffentliche Kapazitäten eine zentrale politische Rolle spielt. Der Abschluss ist ein weiterer Schritt in der Umverteilung von unten nach oben – und das inmitten einer Regierungsbildung, die Angriffe auf soziale Sicherheiten und das Streikrecht vorbereitet.

Was wurde beschlossen?

Die wichtigsten Punkte der Schlichtung:

  • Ab April 2025: Erhöhung der Tabellenentgelte um 3 % mindestens 110 Euro
  • Ab Mai 2026 Erhöhung der Tabellenentgelte um 2,8 %
  • Laufzeit: 27 Monate
  • Besserstellung höherer Entgeltgruppen durch Anhebung der Jahressonderzahlung auf bis zu 100 %
  • Verlängerte Laufzeit der Arbeitszeitregelungen Ost bis Ende 2027.
  • Die Arbeitszeit kann individuell auf 42 Stunden erhöht werden

Was bedeutet das real?

Reallohnverlust trotz Erhöhung – Verluste der letzten Jahre wurden nicht ausgeglichen. Die Sonderzahlung nutzt vor allem den oberen Lohngruppen – gerade jene, die es weniger nötig hätten – während die Preissteigerungen weitergehen.

Die Laufzeit von 27 Monaten ist noch einmal länger als in den letzten Jahren üblich – mit allen politischen und gewerkschaftlichen Folgen. Auch ver.di schließt sich damit der „Burgfriedenspolitik“ der Industriegewerkschaften und des DGB an.

Die Schlichtungsregelungen gehören abgeschafft.

Dieser Abschluss fällt in eine Phase, in der sich sozialer Protest neu aufstellen müsste. Stattdessen erleben wir eine Einhegung der Bewegung. Viele Kolleg:innen sind – zurecht – enttäuscht. Gleichzeitig hat das Schlichtungsverfahren genau den Zweck erfüllt, den es immer hat: die Streikbereitschaft zu brechen und die Basis zu befrieden.

Jetzt zu mobilisieren für ein Nein bei der Mitgliederbefragung ist richtig und notwendig, aber wir müssen auch ehrlich sein: Die Kampfkraft wurde systematisch untergraben – und ein Teil der Kolleg:innen ist nicht mehr bereit, weiter zu kämpfen.

Die Konsequenz kann nur eine sein: Die Schlichtungsregelungen im Öffentlichen Dienst gehören abgeschafft.

Sie sind kein neutrales Mittel zur Lösung von Tarifkonflikten – sie sind ein Herrschaftsinstrument. Und sie passen nicht mehr in eine Zeit, in der massive Angriffe auf Löhne, soziale Infrastruktur und demokratische Rechte vorbereitet werden. Doch dieser Kampf kann nur erfolgreich sein, wenn wir uns von der Denkweise verabschieden, die sagt, in Zeiten der Krise und angesichts politischer Drohungen gegen das Streikrecht sei es besser, diesen Konflikt zu meiden. Genau das Gegenteil ist der Fall: Wenn wir gerade jetzt den Konflikt scheuen, setzen wir die gewerkschaftliche Handlungsfähigkeit dauerhaft aufs Spiel.

Fazit

Auch wenn das Ergebnis formal über dem der Post oder der IG Metall liegt:

Es bleibt ein fauler Kompromiss – oder genauer: eine politische Niederlage mit Ansage.

Jetzt braucht es eine breite Debatte über die Strukturen gewerkschaftlicher Organisierung, über die Rolle der Schlichtung – und vor allem über die Frage, wie wir die Streichfähigkeit von unten neu aufbauen.

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