Die Ozeane sind eine gewaltige CO2-Senke. Da nun trotz aller Klimakonferenzen und Absichtserklärungen der Regierenden die Klimaziele offensichtlich nicht erreicht werden können – niemand glaubt mehr, dass das Überscheiten der 1,5 Grad-Grenze noch verhindert werden kann –, machen sich Forschende auf aller Welt darüber Gedanken, wie die Aufnahmefähigkeit der Weltmeere durch die Zugabe von Mineralien gesteigert werden kann.
Die Januarausgabe der „Spektrum der Wissenschaft“ bringt dazu einen umfangreichen Schwerpunktbeitrag (S. 12-26). Die Idee ist, fein gemahlenes Kalziumhydroxid oder ähnliche Materialien in großen Massen ins Meerwasser einzubringen. An der Kieler Förde haben erste Experimente mit sogenannten Mesokosmen an schwimmenden Plattformen gezeigt, dass so die Aufnahmefähigkeit des Wassers für Kohlendioxid tatsächlich gesteigert werden kann. Aber auch zum Beispiel die Algenblüte damit zeitlich verschoben wird.
Das ganze Projekt scheint mir die Ausgeburt von technischem Machbarkeitswahn zu sein. Genau wie die technischen Anlagen, die CO2 aus der Luft ziehen, das anschließend in den Boden gepresst wird (Carbon Capture and Storage, CCS). Mal abgesehen davon, dass diese Technologie noch nicht ausgereift ist, weil bislang viel zu viel Energie aufgewendet werden müsste: die Forscherinnen und Forscher können vor allem die langfristigen Folgen überhaupt nicht absehen.
Und das gilt auch für das Einbringen von massenhaft Mineralien in die Meere (deren Gewinnung und Zubereitung auch viel Energie frisst). Der pH-Wert der Ozeane würde dadurch künstlich erhöht, mit unabsehbaren Folgen für die empfindlichen Ökosysteme. Der umfangreiche Beitrag benennt auch viele Risiken und Gefahren, rechtfertigt aber die Forschung an diesem Projekt eben mit dem Argument, dass das 1,5 Grad-Ziel selbst dann nicht mehr erreicht werden könnte, wenn die CO2-Emissionen weltweit sofort drastisch abgesenkt würden (und das ist ja überhaupt nicht absehbar).
Uns so schwelgt der Beitrag insgesamt doch in der Hoffnung auf die wissenschaftlich vorbereitete große technische Lösung.
Zwischendurch kommt aber unverhofft die Zwischenüberschrift „Klimapolitik hat versagt“ und folgende Feststellung: „Dass überhaupt über Sinn und Unsinn solcher Verfahren diskutiert werden muss, zeigt, dass die Klimapolitik der zurückliegenden Jahrzehnte versagt hat. Viel Zeit wurde vergeudet, weil die Umsetzung naheliegenderer Maßnahmen Jahrzehnte verschleppt wurde. Dabei ist seit mehr als 50 Jahren belegt, dass der CO2-Gehalt in der Atmosphäre kontinuierlich steigt.“
Welche „naheliegenderen Maßnahmen“ denn verschleppt worden sind, wird nicht weiter erläutert. Da müssen wir wohl einspringen. Naheliegend ist zunächst, den Großkonzernen des Extraktivismus das Handwerk zu legen. Die fossilen Energieträger, deren Verfeuerung zum beschleunigten Anstieg des CO2-Anteils an der Atmosphäre und damit zur globalen Erwärmung entscheidend beiträgt, sind für diese mächtigen Konzerne ein riesiges Kapital, von dem so viel wie möglich verwertet werden muss. Für den Profit sind sie bereit, die natürlichen Lebensgrundlagen zu zerstören.
Weiter ist es mehr als naheliegend, die Produktion von Materialien zu unterbinden, die so gut wie nicht abbaubar sind, wie insbesondere Plastik, die sich in immer kleineren Stückelungen in den Meeresorganismen anreichern und deren Existenz bedrohen. Wieder sind es kapitalistische Großkonzerne – hier im Bereich der chemischen Produktion –, die daraus ihre Profite ziehen und solange daran festhalten, wie die technisch machbaren Alternativen ihnen zu teuer sind. Ähnliches gilt für die Lebensmittelproduktion, wo zerstörerische Monokulturen, Überweidung, brachiale Rodung und unverantwortliche Schädlingsbekämpfung die Quellen des Profits sind.
Viele andere Beispiele könnten angeführt werden. Es läuft immer auf dasselbe hinaus. Produktion für den Profit, der die Reichen immer reicher macht, unzähligen Menschen lebenswerte Perspektiven raubt und die Erde buchstäblich verwüstet, kann nicht weiter geduldet werden. Alle Bereiche der akut oder potenziell für die menschliche Gesellschaft schädlichen Produktion (einschließlich des Transports) gehen die menschliche Gesellschaft insgesamt an und gehören daher unter gesellschaftliche Kontrolle.
Die sogenannten „marktwirtschaftlichen Instrumente“ haben völlig versagt. Der Zertifikatehandel ist blanker Zynismus. Anstatt offensichtlich schädliche Produktionen zu verbieten, gibt man den großen Umweltsündern die Möglichkeit, sich freizukaufen.
Eine andere Wirtschaftsweise ist nötig auf der Grundlage von demokratischer Selbstverwaltung und Kontrolle und internationaler Kooperation der selbstorganisierten Beschäftigten. Ob das nun demokratische Gemeinwirtschaft oder Sozialismus genannt werden wird ist unerheblich. Sicher ist nur eins: ohne die Entmachtung des großen Kapitals hat eine von Menschen bewohnbare Erde keine Zukunft.