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Kultur

Leseempfehlungen zu Arbeitskämpfen

Von B.S. | 01.09.2009

Der schönste Slogan taugt nichts, wenn mensch ihn nicht skandieren kann! „Wir bleiben hier. Dafür kämpfen wir!“. Nicht unbedingt demotauglich, aber in der Halle oder auf dem Platz sicher eindrucksvoll!

Der schönste Slogan taugt nichts, wenn mensch ihn nicht skandieren kann! „Wir bleiben hier. Dafür kämpfen wir!“. Nicht unbedingt demotauglich, aber in der Halle oder auf dem Platz sicher eindrucksvoll!

Der Bericht von Aktiven des Arbeitskampfes bei AEG/Elektrolux ist so betitelt. Er beschreibt den Kampf im Betrieb, aber auch die unterstützende Szene. Einen großen Teil nehmen die Interviews ein, die mit den unterschiedlichsten Akteur­Innen geführt wurden. Und damit es möglich ist, die Interviews einzuordnen, gibt es im letzten Teil des Buches eine Chronologie. In dieser Übersicht kann mensch sich auch die Art der Bemühungen der Gewerkschaft vor Augen führen, beginnend im November 2006 mit einem Konzept zur „Standortrettung“ bis zur Produktion der letzten Waschmaschine im Werk Nürnberg, aber auch der überraschenden Erhaltung des Werkes in Rothenburg bis 2013. Die Interviews mit den aktiv Streitenden zeigen die Probleme mit den Gewerkschaften, aber auch die Ängste und den Zorn. Zorn über das Taktieren, die ständigen Entscheidungen für das „kleinere Übel“, das am Ende doch das große Übel der Erwerbslosigkeit ist. Ein Sozialtarifvertrag wird angenommen, wobei die Chronologie mit besonderer Bitterkeit das manipulative Verhalten der Gewerkschaften darstellt.

Interessant sind auch die Bestrebungen der IGM-Offiziellen, die Unterstützung von außen nicht unkontrolliert zu lassen. So wird versucht, das Aufknüpfen der Boykottunterschriften an eine Leine zu unterbinden. Diskutiert wird auch die Zwiespältigkeit eines solchen Kaufboykotts. Wer in einem Betrieb arbeitet, sieht sich von der Akzeptanz des gefertigten Produkts abhängig, auch Lidlverkäuferinnen mögen den Kaufboykott nicht. Immer steht die Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes im Raum.

Herausgegeben wird das Buch von der Redaktion Druckwächter (Druckwächter ist ein wichtiger Bestandteil der Waschmaschine) mit einem Druckkostenzuschuss der „Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt“. Das herausgebende Kollektiv verzichtet – obwohl von außen am Arbeitskampf beteiligt –  weitgehend auf eigene Bewertungen und Einschätzungen.

 

TiPP!
Wir bleiben hier – Dafür kämpfen wir
Redaktion „Druckwächter“,
Die Buchmacherei 2009-08-12

Sechs Monate Streik bei Gate Gourmet
Flying Pickets,
Assoziation A, 2007

 

 

Ähnlich – auch mit Unterstützung der Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt – ist der Bericht Sechs Monate Streik bei Gate Gourmet über die Streiks bei Gate Gourmet, herausgegeben vom Redaktionskollektiv Flying Pickets. Hier geht es allerdings im Nachwort – mit „Pulsmessungen“ überschrieben – nicht ohne bewertende z. T. rhetorische Fragen. „Warum werden Kämpfe immer dann abgebrochen, wenn sie beginnen, wirksam zu werden?“ Er analysiert die Rolle der Gewerkschaften, für deren Erhalt „die Anerkennung als verlässlicher Verhandlungspartner“ und „als Garant des sozialen Friedens“ wichtiger ist als die Durchsetzungsmacht in wirksamen Kämpfen“.  Ein Streikaktivist sieht aber perspektivisch: „Allein erreichen wir nichts … Man hätte die gewaltige Kraft der Streikenden zusammen einsetzen müssen …Wenn es sein muss, sollten alle Streiks zusammen gemacht werden, damit man sieht, welche Kraft dahinter steht“.

Auch dieses Buch setzt sich aus zusammenfassenden Berichten und vor allem Interviews zusammen. Bei Gate Gourmet fällt auf, dass es den Arbeitenden nicht nur um das Materielle geht, sondern auch um Menschenwürde, um Respekt, aber auch um Selbstachtung, um Freude an der Arbeit und Selbstbestimmung. Gerunzelte Stirnen sollten sich glätten, gerade Arbeiterinnen sprechen aus, wie wichtig ihnen der Kaffee in der Kantine vor Arbeitsbeginn, die Zeitung und das Gespräch sind.

 

Weiterführende Literatur
Für die, die sich etwas intensiver mit der Vergangenheit befassen wollen, aber auch die trockene Art der damaligen, systematischen Darstellung nicht scheuen, sei dies hier empfohlen:

Die Septemberstreiks 1969. Darstellung, Analyse, Dokumente
Institut für Marxistische Studien und Forschungen, Frankfurt/Main, 1969

Und etwas weniger trocken, aber halt doch eine Dissertation:

Peter Birke: Wilde Streiks im Wirtschaftswunder.
Arbeitskämpfe, Gewerkschaften und soziale Bewegungen in der Bundesrepublik und Dänemark

 

 

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