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Betrieb & Gewerkschaft

Konversion der Autoindustrie

Von D. Berger | 01.05.2009

Die Gewerkschaftsführungen – und hier besonders die IG Metall – haben kein schlüssiges Konzept, um auf die tief greifende Krise des Automobilsektors zu reagieren. Statt für ein gesellschaftliches Umsteuern weg von der Autogesellschaft zu mobilisieren, setzt die IG Metall-Führung weiter auf Lobby-Politik, um Staatsgelder für die Automobilindustrie locker zu machen.

Die Gewerkschaftsführungen – und hier besonders die IG Metall – haben kein schlüssiges Konzept, um auf die tief greifende Krise des Automobilsektors zu reagieren. Statt für ein gesellschaftliches Umsteuern weg von der Autogesellschaft zu mobilisieren, setzt die IG Metall-Führung weiter auf Lobby-Politik, um Staatsgelder für die Automobilindustrie locker zu machen.

Dabei ist längst klar, dass die gewaltigen Überkapazitäten von heute etwa 30 % in der Automobilindustrie zur Schließung großer Produktionsstätten und dem Ausscheiden von mindestens vier (wahrscheinlich sechs) der zwölf großen Automobilkonzerne führen werden. Aber selbst wenn einige der KonkurrentInnen ausgeschaltet sind und die verbliebenen Konzerne wieder gewinnbringend verkaufen können: Wenn es zu keinem gesamtgesellschaftlich durchgesetzten Umsteuern kommt, wird am Ende der Krise die Zahl der weltweit produzierten Pkw wieder ganz schnell die 65 Millionen von 2007 erreichen. Denn mit jeder neuen Fabrik macht die Produktivität einen Sprung von 10-15 %. Weniger Fabriken als heute werden also reichen, die Autogesellschaft aufrecht zu erhalten und so gar auszuweiten.
Völliges Umsteuern erforderlich
Der Klimawandel kann aber nur gebremst werden, wenn gerade im Verkehrssektor ein völliges Umsteuern durchgesetzt wird. Die IG Metall macht in jeder Beziehung genau das Falsche:

Erstens: Ihre Lobbypolitik zur Durchsetzung der Forderung nach einer Abwrackprämie traf sich (nicht ganz zufällig) mit der Politik der Bundesregierung1 . Das Ergebnis bedeutet nicht nur ein Strohfeuer bei der Belebung der Autokonjunktur. Es ist an keine Umweltnormen gekoppelt und fördert deswegen den CO2-Ausstoß.

Zweitens: Die Betriebsratsspitzen der Autoindustrie haben sich mit Duldung des IG Metall-Vorstands dafür stark gemacht, dass die CO2-Grenzwerte verwässert werden, damit die deutschen Konzerne mit ihren vielen Spritschlucker-Modellen nicht abrüsten- bzw. umrüsten müssen.

Drittens: Der Opel-Betriebsrat bietet als Beitrag zur Standortsicherung Lohnverzicht an. Der Frankfurter Bezirksleiter Armin Schild verklausuliert dies nur notdürftig, indem er den „Beitrag der Arbeitnehmer“ an die Bedingung knüpft, dass die Arbeitsplätze „sicher“ werden2. Der Betriebsratsvorsitzende von Daimler, Klemm, lässt sich zurzeit gerade auf Verhandlungen zur Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich ein…
Viertens: Als Schuldige an der Krise macht beispielsweise Klaus Franz (BRV von Opel Rüsselsheim und gleichzeitig GBRV) die zu hohe Zentralisierung des GM-Konzerns aus. Opel sei „kerngesund“, man solle Opel doch nur endlich in die Selbstständigkeit entlassen, damit sich der Betrieb (mit Co-Manager Franz) den passenden strategischen Investor suchen kann. Kein Wort von den Überkapazitäten und von der Verantwortung der Gesellschaft für die Sicherung von Arbeitsplätzen und das Umsteuern weg von der Autoindustrie im Interesse der Umwelt.
Umbau
Aufgrund der Größe des Problems kann eine klimafreundliche Verkehrspolitik nur durchgesetzt werden, wenn nicht nur einfach ein paar Betriebe aus der Autoproduktion ausscheiden. Der gesamte Sektor muss umgebaut werden und die Öffentliche Hand muss eine andere Mobilität gewährleisten als über den motorisierten Individualverkehr. Was wir brauchen, ist ein umfassendes Programm des Baus von Bussen, Kleinbussen, Straßenbahnen und Bahnen und des Ausbaus des Bus- und Schienenverkehrs (innerorts wie außerorts). Dazu müssen die Städte ein dichtes Netz an Verkehrslinien einrichten, die tagsüber alle paar Minuten bedient werden, Querverbindungen herstellen und vor allem kostenlos sind. Kombiniert mit dem Ausbau von Radwegen und einer Infrastrukturpolitik, die für kurze Wege sorgt, könnte nicht nur der Klimawandel gebremst werden, sondern auch die Lebensqualität gewaltig angehoben werden. Die heutigen Automobilwerke könnten außer Straßenbahnen, Bussen, Kleinbussen und Sammeltaxis beispielsweise Fahrräder oder auch Blockheizkraftwerke bauen.

Die Konversion hätte dann den größten gesellschaftlichen Nutzen, wenn die Kreativität der dort Beschäftigten genutzt würde. Ähnlich wie seinerzeit bei Lucas Aerospace könnte dann das Gold in den Köpfen der Beschäftigten zum Nutzen der Gesellschaft (und nicht der AktionärInnen) eingesetzt werden. Diese Nutzung der kreativen Fähigkeiten der Beschäftigten verspricht aber nur dann Erfolg, wenn ihre Arbeitsplätze durch die Gesellschaft abgesichert sind, weil nur so die KollegInnen sicher sein können, dass sie nicht selbst ihren eigenen Arbeitsplatz wegrationalisieren.

Unterstützt werden müsste dieser Umbau von einer deutlichen Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Entgelt- und Personalausgleich. Und: Hier und heute muss der Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze aufgenommen werden. Dabei geht es nicht um die konkrete Form der Arbeitsplätze (also etwa in der Montage von Pkw), sondern um die Sicherheit der KollegInnen. Nur wenn sie mit ihren existenziellen Interessen einbezogen sind, kann auf ihre Kampfbereitschaft und Kreativität gebaut werden.

1     In dem IG Metall-Funktionärsorgan „direkt“ vom April  2009 wird noch einmal mit Stolz darauf verwiesen, dass die IG Metall die Prämie erfunden habe und dies erfolgreich beim Treffen des Vorstands mit den SPD-Ministern in Berlin am 17. November 08 vorgetragen habe. Sie behauptet auch immer noch, dies nutze „der Umwelt“, was längst widerlegt ist. Vgl. dazu auch Avanti 2/09 sowie unser neueste Internationale Theorie  Nr. 34.
 2     Der IG Metall-Vorsitzende Huber in direkt (5/09): „Wer von uns etwas haben will, muss Arbeitsplätze garantieren und mehr Mitbestimmung einräumen.“

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