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Innenpolitik

Jeden Tag: Patriotismus …

Von Trixi Blixer | 01.02.2005

Um den Begriff „Patriotismus“ ist geradezu ein Wettbewerb der bürgerlichen Parteien entbrannt, nachdem Bundeskanzler Gerhard Schröder im Interview der Welt gesagt hatte: „Patriotismus ist das, was ich jeden Tag tue.“

Trotz leichter Verbesserungen in allerletzter Zeit: Die Stimmung ist immer noch schlecht für die SPD. Bei den Umfragen verlor sie viele Prozentpunkte und mit der Umsetzung des Kahlschlagprogramms „Agenda 2010“ wenden sich auch viele der treuesten StammwählerInnen von ihr ab. Da setzt die Bundesregierung auf die altbekannte Karte: Auf nationalistische Ressentiments zurückgreifen und es zur patriotischen Bürgerpflicht erklären, die Reformen gemeinsam, quasi als Volk, durchstehen.

Lauter Patrioten

Bundeskanzler Schröder bezeichnet sich in einem Interview mit der Welt mit Nachdruck als Patriot. „Patriotismus ist das, was ich jeden Tag tue“, sagt er und stellt klar: „Mit allem, was ich tue, will ich dafür sorgen, daß Deutschland nach vorne kommt“. Das sei für ihn patriotisch. Da wundert sich keiner, dass natürlich Deutschland das Land ist, in dem er „am liebsten von allen lebe“.
Einer Patriotismus-Debatte, wie sie die CDU auf ihrem Bundesparteitag führte, sehe er „mit großer Gelassenheit“ entgegen. Klar, schließlich ist es derzeit einfacher darüber zu streiten, wer Deutschland am meisten liebt, als sich mit den Auswirkungen der eigenen Reformen zu beschäftigen.
Auf dem CDU-Bundesparteitag im Dezember griffen mehrere RednerInnen den Begriff der Vaterlandsliebe gerne auf. Da Schröders Patriotismus fast nicht zu toppen ist, versuchte sich die CDU-Vorsitzende Angela Merkel in der kritischen Nachfrage: „Ist es patriotisch, dass in Deutschland jeden Tag 1000 Arbeitsplätze verlorengehen? Ist es patriotisch, daß in unserem Land fünf, ja sechs Millionen Menschen ohne Arbeit sind? Nein, liebe Freunde, das kann nur sozialdemokratischer Patriotismus sein.“. Kristian Tagermann, Junge Union Niedersachsen, belässt es nicht wie Merkel bei kritischen Nachfragen. Ganz auf der nationalistischen Welle mitschwimmend, will er gleich deutsche Fahnen an allen öffentlichen Gebäuden sehen – und zwar täglich. Denn ein „gutes Verhältnis zu nationalen Symbolen ist konkreter Ausdruck von Patriotismus.“ Übrigens ist es für die grüne Verbraucherschutzministerin Künast schon patriotisch, sich für den „deutschen Wald“ einzusetzen.

Ärmel hoch für Deutschland?

Der in die politische Debatte geworfene Patriotismus hat klar die Funktion, an bestehende nationalistische Gefühle zu appellieren und so den Angriff der Regierung und der UnternehmerInnen auf die Rechte der Lohnabhängigen zu verharmlosen. Das sehen sogar die patriotischen MeinungsmacherInnen selber so, in einem Interview mit Phoenix betont CSU-Generalsekretär Söder genau diese Funktion: „Wenn wir Reformen machen wollen, brauchen wir einen Mannschaftsgeist. Und dieser Mannschaftsgeist ist der Patriotismus.“ Damit ist klar, dass ein Gemeinschaftsgefühl konstruiert werden soll, in welchem jede Schweinerei der Bundesregierung und der Unternehmerverbände akzeptiert wird. Schließlich geht es ja um Großes, um das Wohl Deutschlands. So sieht das auch der bayerische CSU-Landesgruppenchef Michael Glos. Seiner Meinung nach sollen die Deutschen endlich „aufhören zu jammern und die Ärmel hochkrempeln“.
Angela Merkel stößt in das gleiche Horn. Patriotismus bedeutet für sie nicht nur auf das persönliche Wohl zu schauen, sondern sich dafür einzusetzen, dass das eigene Land vorankomme und dass Deutschland auch im Ausland als Erfolgsmodell angesehen werde. Damit wird jeder Erwerbslose, jeder Beschäftigte verhöhnt, der sich um seine eigene Existenz sorgt.
Kanzler Schröder, der gerade Millionen Menschen mit Hartz IV in die Armut gezwungen hat, treibt den Hohn auf die Spitze. Er fordert, eine neue Balance zwischen Solidarität der Gesellschaft und Eigenverantwortung zu entwickeln. Man müsse für den Sozialstaat sein, weil es Lebensentwürfe gäbe, die scheitern, aber „man muss die Haltung haben, ihn möglichst nicht in Anspruch nehmen zu wollen, wenn es nicht notwendig ist.“ Das hat er ja mit seinen eigenen Gesetzen unmöglich gemacht, heutzutage kann mensch den Sozialstaat auch dann nicht mehr in Anspruch nehmen, wenn er gebraucht würde.

Schluss damit!

Dass die Patriotismusdebatte gerade jetzt lanciert wurde, ist klar auf das Kahlschlagsprogramm der Bundesregierung zurückzuführen. Wie schon öfter in der Geschichte wird versucht, den Klassengegensatz durch Nationalismus zu vertuschen. Untermauert wird das Wiedererstarken patriotischer Ideen durch kulturelle Beiträge, wie der Film „Das Wunder von Bern“ oder Popmusik von Mia. Für uns muss klar sein, ein Anknüpfen an nationalistische und patriotische Gefühle stärkt nur die herrschende Klasse!

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