Wie andere Gebiete der Gesellschaft ist auch der Bereich “Bildung und Kultur” von neoliberalen Umstrukturierungen bedroht. Längst scheint sich ein handlungsleitendes neoliberales Muster in den Köpfen der verantwortlichen PolitikerInnen festgesetzt zu haben.
Wie die niedersächsische SPD-Vorgängerregierung setzt auch die CDU-Landesregierung auf einen Umbau des Hochschulsystems verbunden mit starken Einsparungen im Bildungsressort. In Gestalt des neuen Niedersächsischen Hochschulgesetzes, das 2002 mit der Mehrheit der damaligen sozialdemokratischen Regierung verabschiedet wurde, wurden erste Auswirkungen neoliberaler Bildungskonzepte spürbar: durch eine
im Gesetz verankerte Umgestaltung der universitären Selbstverwaltung von immerhin noch rudimentären Mitbestimmungsstrukturen hin zu einer (vermeintlich) effizienteren Unternehmenskultur; durch die ersten Schritte hin zur Einführung allgemeiner Studiengebühren; durch die Zurückführung universitärer Bildung auf zügige Ausbildung für einen sich rasch verändernden Arbeitsmarkt und für dessen Bedürfnisse, sprich Ansprüche an die von ihm benötigten Arbeitskräfte.
Kommerzialisierung von Hochschulabschlüssen
Durch die Ausrichtung von Forschung und Lehre an den Interessen von Wirtschaftsunternehmen und durch die damit zusammenhängende Kommerzialisierung von Hochschulabschlüssen, werden Grundsätze einer progressiven Bildungspolitik angegriffen:
Erstens das Verständnis der Universität als Ort kritischer Reflexion gesellschaftlichen Wandels, besonders des politischen Handelns. Durch das verbundene wirtschaftliche Nützlichkeitsdenken und die fortschreitende Entdemokratisierung wird die Idee der "Universität als Spiegel der Gesellschaft" (E. Krippelldoif) an den Rand der Bedeutungslosigkeit gerückt. Was zählt sind funktionierende Arbeitskräfte. Nicht die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Umwelt oder – in Anlehnung an Adorno – ein Heranreifen zur Mündigkeit stehen im Mittelpunkt des Interesses universitärer Bildung, sondern einzig und allein der reibungslose Betrieb der Maschine Kapitalismus.
Zu diesem Zweck werden Studierende durch geradezu Orwellsches Neusprech in KundInnen der Universität verwandelt. Diese selbst wird zu einem bunten Supermarkt stilisiert, in dem die neuen KundInnen ganz nach ihrem Gusto, ganz individuell, das Bildungsangebot konsumieren können. Allerdings werden Denken und Handeln der Studierenden durch längst nicht mehr rosige Zukunftsperspektiven dahingehend beeinflusst, dass die Wahl der Studieninhalte und die eigene Qualifikationsentwicklung stärker nach den Kriterien Vermarktbarkeit und Arbeitsmarktkompatibilität ausgerichtet werden.
Durch die neue Richtung in der Bildungspolitik wird, parallel zu gleichartigen Tendenzen in anderen Gesellschaftsbereichen, einer Art sozialen Managements Vorschub geleistet. Die erlernten Fähigkeiten sollen möglichst effektiv auf dem Arbeitsmarkt umgesetzt werden. Dazu bedarf es unter Umständen auch der Unterordnung des sozialen Lebens unter diese Maxime, oder auch mit der „freien" Zeit soll möglichst ökonomisch umgegangen werden, sie soll genutzt werden, um das Maximum an Leistung aus der Arbeitskraft herauszuholen. Zugegebenermaßen ist das Beschriebene erst in einem Anfangsstadium zu beobachten. Doch als Prozess verstanden, .weist es uns die Zukunft.
Langzeitstudiengebühren
Zweitens wird lebenslanges Lernen nicht als Akt der Persönlichkeitsbildung gedacht, sondern einzig und allein unter dem Gesichtspunkt der Befriedigung von ökonomischen Bedürfnissen begriffen. Dem gemäß gewinnt das zielstrebige und schnelle Studium – die Aneignung wichtiger Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt – an Bedeutung und stellt keinen Antagonismus zur Idee lebenslangen Lernens dar. Dies bedeutet nur mehr lebenslanges modifizieren der eigenen Qualifikationen, um den Ansprüchen der Arbeitswelt zu genügen, also die vollständige Unterordnung des Sozialen unter das Ökonomische.
Drittens wurde der Zugang zu den Hochschulen durch die Einführung der Langzeitstudiengebühren für Menschen aus einkommensschwachen Familien erschwert. Gerade Studierende, die einer solchen Schicht entstammen, sind aufgrund ihrer Finanzlage häufig dazu gezwungen, Studium und Erwerbstätigkeit unter einen Hut zu bringen. Dadurch verlängert sich in vielen Fällen die Studiendauer.
Diesen Punkten folgend, ließe sich die Funktion der Universität (neoliberal gedacht) nun wie folgt beschreiben:
- Vermittlung der für das Funktionieren auf dem Arbeitsmarkt notwendigen Qualifikationen. Dies stellt keine neue Qualität dar, denn die Aufgabe bestand von jeher auch darin, das Funktionieren des Produktionssystems zu gewährleisten. Neu ist allerdings, dass erkämpfte Räume der kritischen Reflexion verschlossen werden.
- Dies hat mit einer möglichst hohen Effizienz zu geschehen, d.h. es sind möglichst gut verwertbare qualifizierte AbsolventInnen in möglichst kurzer Zeit hervorzubringen,
- Vor diesem Hintergrund geraten demokratische Mitbestimmung und kritisches und breites Studium ins Hintertreffen. Durch die gesetzlichen Änderungen wie z.B. die Auflösung des Konzils oder die Einführung von Langzeitstudiengebühren werden diese "kontraproduktiven", bzw. "unnützen Elemente" an den Rand gedrängt. Des Weiteren wirft dieser Prozess die Frage nach dem Selbstverständnis von akademischer Gemeinschaft und Wissenschaft auf.
- Die Universität und das Bildungssystem im Allgemeinen tragen durch die Definition der Lernenden als KundInnen, und der parallel stattfindenden relativen Verknappung des sicheren Beschäftigungsangebotes zur Durchsetzung des sog. "konkurrierenden Subjektes" bei. Das Motto lautet: Mehr Wettbewerb wagen! Die damit einhergehende Entsolidarisierung und der Mechanismus der Selbstkontrolle spielen eine wichtige Rolle: Weiche ich ab vom standardisierten Weg? Kann ich mir das erlauben? Will ich mir das erlauben? Schnell werden Regelstudienzeit und willkürlich definierte Qualifikationsanforderungen zum Maß der Dinge erhoben und der Politik damit (oberflächliche) Instrumente zur Beurteilung (und Restriktion) eines erfolgreichen bzw. nicht-erfolgreichen Studiums in die Hand gegeben. Der Sozialökonom Andreas Merkens analysiert diesen Vorgang wie folgt: "…der marktwirtschaftliche Zugriff auf die Bildungsinstitutionen stellt sich keinesfalls ab Übernahme von außen dar, die ökonomische Indienstnahme von Schulen und Hochschulen geht vielmehr einher mit der ideologischen Subjektivierung von Bildungspraxen, die auf eine Ökonomisierung des Selbst zielen: Die Bildungsakteure der Zukunft sollen bereits in der Schule, an den Hochschulen, während der Phasen der Weiterbildung lernen, sich auf dem Markt zu platzieren und ihren Marktwert zu optimieren"1 .
1 Merkens, Andreas: Ideologie, Kritik und Bildung; in: Das Argument, 44. Jahrgang, Heft 3, S. 340, Berlin 2002.
Über Veranstaltungen und Weiterführung des Streiks gibt es Infos unter: www.streikbuero.info
Bereits am 20.11. hatte in München eine Demonstration gegen die geplanten Kürzungen an den bayerischen Hochschulen von pauschal 10% stattgefunden (s. letzte Avanti). Um die drohenden Studiengebühren sowie den Zusammenhang zum derzeitig bundes- und EU-weit stattfindenden Sozialkahlschlag in die momentanen Proteste einzubringen, bildete sich an den Münchner Hochschulen ein linkes Bündnis. Dieses initiierte die Demo “Gegen Bildungs- und Sozialabbau” am 11.12., die auch von der ver.di Betriebsgruppe und der GEW unterstützt wurde. Diese Demo war, obwohl klar als links bzw. klassenkämpferisch erkennbar, mit 3000 Demonstrierenden recht gut besucht. Selbst wenn die Kürzungspläne inzwischen von 10% auf 5% gesenkt wurden und leider die erste Empörung abgeflaut ist, so haben sich doch zahlreiche Aktionsgrüppchen gegründet, die weiterhin Proteste gegen die Sparmaßnahmen organisieren. Damit der Widerstand nicht gleich wieder einschläft ist es jetzt notwendig, ihn in die Proteste gegen den sozialen Kahlschlag einzureihen.