Am 7. und 8. Juli kommen zahlreiche Präsidenten und Premierminister*innen mit ihrem Tross zum 20. Gipfeltreffen der 19 „wichtigsten Industrie- und Schwellenländer“ plus der Europäischen Kommission in die Innenstadt von Hamburg. Sie werden alle dabei sein: Trump, Putin, Xi Jinping, Erdoğan, May, Macron, Macri, Modi, Temer, der saudische König Salman ibn Abd al-Aziz, als Vertreter einer „Gastnation“ der philippinische Präsident Rodrigo Duterte und natürlich die Gastgeberin Angela Merkel …
Sie werden so tun, als gebe es den zunehmenden Verlust an Legitimation der traditionellen Parteien und der neoliberalen Eliten nicht, sie werden Loblieder auf „freie Märkte“ anstimmen, über ihre Widersprüche hinweg werden sie ihre Welt-Unordnung hochhalten und ihre Macht demonstrieren.
Sofern sie sich auf etwas einigen werden, werden die Prekarisierung der Arbeitswelt, die Gentrifizierung der Städte, die Privatisierungen von öffentlichen Betrieben und Diensten, Fundamentalismen verschiedener Ausprägungen, reaktionärer Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, Militarisierung, Antifeminismus und Homophobie weitergehen und gesteigert werden.
Setzen wir der Inszenierung der Macht der Herrschenden unsere globale Solidarität entgegen!
Der Alternativgipfel „für globale Solidarität“, die Großdemonstration und die vielfältigen Proteste gegen den Gipfel der Herrschenden und ihre Notstandsübung in Hamburg sind notwendiger Ausdruck unserer Proteste und unserer Kritik an den herrschenden Verhältnissen.
Nötig sind breite Solidarität über die Grenzen der Staaten hinweg und die Europäisierung unserer politischen und sozialen Bewegungen, damit unsere radikale emanzipatorische, antikapitalistische, ökosozialistische Alternative möglich wird. Wir wollen und wir können voneinander lernen, uns austauschen, gemeinsam handeln, unseren Protest auf Straße tragen.
Internationale Sozialistische Organisation (ISO, Deutschland ) und Bewegung für den Sozialismus (BFS/MPS/MPS, Schweiz)
https://intersoz.org/
https://sozialismus.ch/
http://g20-demo.de/de/start/
https://www.g20hamburg.org/
http://g20-demo.de/de/start/
https://g20hamburg.org/en/content/solidarity-without-borders-instead-g20
Die „Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer“
Die Gruppe der 20 (G20) umfasst die Regierungen der 19 wirtschaftsstärksten Länder des Planeten sowie die Europäische Union (EU). Die Bundesregierung betrachtet die G20 als ein „zentrales Forum der internationalen Zusammenarbeit in Finanz- und Wirtschaftsfragen“. Dabei werden zahlreiche Länder ausgeschlossen, außerdem werden die Vereinten Nationen bewusst übergangen. Die G20 wurde nach der Krise in Asien und in Russland 1999 gegründet; nach der Finanz- und Wirtschaftskrise in 2008 und den folgenden Jahren versuchte man, sie zu einem Instrument der globalen Finanzmarktregulierung auszubauen, weil den Regierungen die Angst vor einem Crash des Weltfinanzsystems in den Knochen saß. Inzwischen gibt es Bemühungen, eine ganze Reihe von damals erlassenen Regulierungen vor allem im Finanzbereich wieder abzubauen. Denn die Logik des Profites und der Standortkonkurrenz verpflichtet. Abgesehen von diesen Fragen sollen in Hamburg auch die Beziehungen zu Afrika und der Klimawandel zum Thema gemacht werden.
Bei der G20 handelt es sich keineswegs um eine Weltregierung, denn die Widersprüche zwischen den einzelnen Volkswirtschaften und Staaten, vor allem zwischen dem Norden und den „Schwellenländern“, sind zu umfangreich. Trotzdem möchte die G20 durch Radikalisierung von marktwirtschaftlichen Methoden das Wirtschaftswachstum in die Höhe treiben; ihnen allen ist die neoliberale Agenda von Deregulierung, Privatisierung und Sozialabbau gemeinsam, wenn auch je nach Land und den dort jeweils vorherrschenden Klassen in unterschiedlichen Ausprägungen und mehr oder weniger scharfen Widersprüchen.
Um die in vielen Ländern aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Aussichten niedrige Investitionsquote anzuheben, möchte die G20 beim Ausbau der Infrastruktur (Verkehrswege, Energieversorgung, Schulen) verstärkt auf „öffentlich-private-Partnerschaften“ (ÖPP) setzen. Bei diesem Finanzierungsmodell übernimmt der Staat (oder die Kommunen) die wesentlichen Risiken und die höheren Kosten, während die Privaten ihre gesicherten Profite einstreichen dürfen.
Durch sogenannte „Freihandelsabkommen“ sollen die (häufig ohnehin viel zu schwachen) Regulierungen der Arbeitsmärkte und des Umweltschutzes weiter aufgeweicht werden. Diese Politik begünstigt die global agierenden multinationalen Konzerne, besonders die Großbanken und natürlich die großen Vermögensbesitzer. Die globalen Folgen einer solchen Politik sind wachsende soziale Ungleichheit und Ausgrenzung, Naturzerstörung und Klimawandel, Verarmung, Flucht und Kriege.
Die Veröffentlichung der „Panama-Papers“ hat neuerlich gezeigt, in welchem Umfang von den Kapitalisten der Welt Steuerhinterziehung betrieben wird. Man schätzt, dass über 30 Billionen Dollar auf den „Schatzinseln“ der Welt verborgen wurden. Selbst in der EU gibt es eine Reihe von Ländern, die zu Lasten der anderen einen Wettbewerb zur Steuervermeidung betreiben. Dies führt dazu, dass die abhängig Beschäftigten einen immer größeren Anteil der (direkten und indirekten) Steuerlast zu tragen haben, von den Sozialausgaben erst gar nicht zu reden. Die Aufgliederung von Unternehmen (Vertrieb, Marken, Patente) und die Wahl des jeweiligen Firmensitzes nach Gesichtspunkten der Steuervermeidung breiten sich aus. Dem kann nur durch eine verstärkte Bekämpfung der Steuerhinterziehung und dem konsequenten Verbot einer Geschäftstätigkeit mit Steueroasen begegnet werden. Gegebenenfalls sind Kapitalverkehrskontrollen einzuführen!
Auf der Suche nach neuen Absatzmärkten setzt die EU zunehmend auf Afrika. Die EU drohte den afrikanischen Staaten, die Einfuhrzölle anzuheben und Gelder der Entwicklungshilfe zu streichen, wenn sie nicht das „Economic Partnership Agreement“ (EPA) unterschreiben. Inzwischen haben dies etwa die Hälfte der AKP-Staaten getan. Die „Partnerschaft“ besteht insbesondere in einem Verbot des Schutzes der eigenen Landwirtschaft und Kleinindustrie durch Zölle. Hinzu kommen Bestimmungen über Dienstleistungen und Investitionen, die vor allem die Interessen der multinationalen Konzerne schützen. Es droht eine Privatisierung von lukrativen Teilen der öffentlichen Infrastruktur wie Wasser, Strom, Verkehrsbetriebe oder Gesundheitsvorsorge. Infolge der Verträge werden hochsubventionierte landwirtschaftliche Produkte aus der EU nach Afrika exportiert, wo sie die einheimischen Produzent*innen ruinieren. Die „Marktöffnungen“ gefährden Millionen Arbeitsplätze und führen zu einem raschen Wachstum der Slums in den Großstädten. Wir bekämpfen nicht nur diesen „Freihandel“, sondern auch die „Festung Europa“, die eine Flucht aus Afrika unmöglich machen soll.
Wenn die Politik des Wirtschaftswachstums durch Sozialabbau und Umweltzerstörung wie bisher weitergeführt wird, sind die Ziele der Agenda 2030 der UNO bzw. des Pariser Klimaabkommens nur heiße Luft. US-Präsident Trump hat durch die Kündigung des Pariser Abkommens deutlich gemacht, dass er die kapitalistische Politik des „nach uns die Sintflut“ um jeden Preis durchsetzen möchte. Damit gefährdet er das Überleben eines erheblichen Teiles der Menschheit. Doch auch die Bundesrepublik wird die für 2020 anvisierten Klimaziele erheblich verfehlen, nicht zuletzt deshalb weil die Standortlogik verhindert, dass die Emissionen des Straßenverkehr deutlich gesenkt werden. Denn die Profitlogik verhindert, dass die Autokonzerne die gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Nötig sind ein massiver Rückbau des Autoverkehrs, der Ausbau des Radwegnetzes, öffentliche Verkehrsmittel zum Nulltarif.
Ohne eine Vergesellschaftung des Energiesektors und der Automobilkonzerne und radikale Umbaupläne mit garantierten Einkommen für die Beschäftigten, ohne umfassende und gesellschaftlich breit diskutierten Konversionspläne und Umverteilung der gesellschaftlich vorhandenen Arbeit auf alle Hände wird es weder eine neue ökosozialistische Zivilisation noch überhaupt eine menschenwürdige Zukunft geben.
Die Gipfel der Regierungschefs, Finanzminister, Zentralbankchefs des informellen Zusammenschlusses G20 sind für die Lösung der weltweiten Probleme nicht von Nutzen – ganz im Gegenteil.
pbk