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Betrieb & Gewerkschaft

Gewerkschaftsführung setzt auf Konfliktvermeidung

Von D.B. | 01.01.2004

Die Hauptverantwortung für den zur Zeit noch schwach entwickelten Widerstand trägt die Gewerkschaftsbürokratie. Dass die Bereitschaft zur Gegenwehr gewachsen ist, zeigte nicht nur der 1. November. Vielen Lohnabhängigen ist inzwischen klar, dass die Reformen an ihr Portemonnaie gehen.

Die Hauptverantwortung für den zur Zeit noch schwach entwickelten Widerstand trägt die Gewerkschaftsbürokratie. Dass die Bereitschaft zur Gegenwehr gewachsen ist, zeigte nicht nur der 1. November. Vielen Lohnabhängigen ist inzwischen klar, dass die Reformen an ihr Portemonnaie gehen.

Die sozialdemokratisch ausgerichtete Gewerkschaftsbürokratie blockiert mögliche Aktivitäten auf allen nur denkbaren Ebenen:

  • · Sie betreibt keine systematische Aufklärungsarbeit über den Neoliberalismus, sondern unterstützt die "Notwendigkeit" von Reformen, wenn sie nur "sozial gerecht" sind;
  • · Sie setzt der Offensive der Herrschenden zur Arbeitszeitverlängerung nichts entgegen;
  • · Sie reagiert selbst auf dem Gebiet des Tarifrechts auf das Ergebnis des "Vermittlungsausschusses" mit der Verbreitung von Illusionen und tut alles, um den Konflikt mit Kabinett und Kapital zu vermeiden. Dabei hat die Mobilisierung in den Großbetrieben zur Verteidigung der Tarifautonomie immerhin mehr als 100 000 KollegInnen zu kurzfristigen Arbeitsniederlegungen bewegt. Eine wirkliche Mobilisierungskampagne mit möglichst gleichzeitig stattfindenden Streiks, regionalen Demos ist aber nicht angedacht.

In der allergrößten Not …
Schon die gemeinsam verbreiteten Erklärungen von Kannegießer (Gesamtmetall) und Peters (IGM-Vorsitzender) vom 12. Dezember spricht Bände. Dort erklärte Peters die Bereitschaft der "Tarifpartner" der Metallbranche, über weitere "betriebliche Gestaltungsmöglichkeiten in den Tarifverträgen" im Rahmen der nächsten Tarifrunde zu verhandeln. Die meisten Flugblätter der IG Metall verkünden stolz, wie viele ArbeiterInnen und Angestellte schon Öffnungsklauseln haben.

Kannegießer erklärte bei dem gemeinsamen Auftreten mit Peters am 12. Dezember: "Uns wäre es lieber, wenn Staat und Politik sich raushalten würden". Kannegießer hat u. a. die weitere Erosion der IG Metall im Auge. Sein Ziel ist: Besser die IGM knickt "freiwillig" ein und deckelt die Protestbereitschaft, als dass die Regierung einen klaren Schnitt in die Tarifautonomie vollzieht und damit die Beziehung SPD – Gewerkschaften endgültig durchtrennt, was den Protesten zweifellos großen Auftrieb gäbe.
… bringt der Mittelweg den Tod
Wie verheerend die IG Metall-Führung die Mitgliedschaft und die Öffentlichkeit desorientiert, zeigt ihr Anzeigentext vom 23. Dezember: "Der Tarifvertrag bleibt sicher![…]. Die Regierung hat im Vermittlungsausschuss Wort gehalten. Das ist ein großer Erfolg [!!] für uns alle!" Wie sieht dieser angebliche Erfolg aus? Im Vermittlungsausschuss lautete die Protokollnotiz: "Wir erwarten von den Tarifvertragsparteien, dass sie sich in den nächsten 12 Monaten auf eine neue Balance zwischen Regelungen auf tarifvertraglicher und betrieblicher Ebene verständigen." Die Konfliktvermeidungsstrategie der Gewerkschaften ermuntert geradezu die Gegenseite, noch eins draufzulegen. Weitere Öffnungen der Tarifverträge durch die Gewerkschaftsbürokratie sind zu erwarten.

In dieser Konstellation, in der die Gewerkschaften zwar politisch geschwächt, aber nicht bedeutsam geschlagen sind, erweist sich die Politik der SPD-Grünen-Regierung als eine einzige neoliberale Deregulierungsmaschine. Die kritische Gewerkschafts- und ArbeiterInnenbewegung tut gut daran, sich enger zu vernetzen und den Widerstand von unten zu organisieren.

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