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Innenpolitik

Garantiertes, bedingungsloses und ausreichendes Grundeinkommen für alle

Von Larissa | 01.09.2004

Zwang zur Arbeit, auch wenn sie noch so schlecht bezahlt ist; rigide Bedürftigkeitsprüfungen, bei denen sogar die Sparbücher der Kinder einbezogen werden1; unzumutbare Zumutbarkeitsregelungen; Tagessätze, von denen mensch entweder das Essen oder die Gesundheit bezahlen kann, nicht aber beides; Abhängigkeit von PartnerIn, WG-MitbewohnerInnen oder den eigenen Kindern. Kino, Schwimmbad, Bibliotheksausweis oder Zeitungsabonnement: unbezahlbarer Luxus.

Zwang zur Arbeit, auch wenn sie noch so schlecht bezahlt ist; rigide Bedürftigkeitsprüfungen, bei denen sogar die Sparbücher der Kinder einbezogen werden; unzumutbare Zumutbarkeitsregelungen; Tagessätze, von denen mensch entweder das Essen oder die Gesundheit bezahlen kann, nicht aber beides; Abhängigkeit von PartnerIn, WG-MitbewohnerInnen oder den eigenen Kindern. Kino, Schwimmbad, Bibliotheksausweis oder Zeitungsabonnement: unbezahlbarer Luxus.
So stellt sich die ”rot-grüne” Regierung mit ihren konservativen PartnerInnen von CDU und CSU eine soziale Grundsicherung für Erwerbslose vor. Und da die Arbeitslosigkeit zum Dauerzustand geworden ist bzw. zum regelmäßigen Lebensablauf vieler Menschen gehört und trotz statistischer Schönfärbereien deutlich sichtbar zunimmt, sind immer mehr Menschen von dieser Politik betroffen.

Ihre Grundsicherung . . .

Der neoliberale Kapitalismus lebt davon, dass die Mehrheit der Menschen ihre Arbeitskraft zu den (unmenschlichen) Bedingungen der Wirtschaft verkaufen und sich ausbeuten lassen muss und dass dabei nicht der ”Mensch” eine Daseinsberechtigung hat, sondern nur der/die Lohnabhängige. Deshalb ist eine solche Form der Grundsicherung, bei der auch noch der Letztmögliche mit dem Argument der ”Integration in den Arbeitsmarkt” der Verwertbarkeit zugeführt wird, ganz in seinem Sinne. Während die Lohnabhängigen den gesellschaftlichen Reichtum mehren, müssen sie jedoch Lebensrisiken wie Krankheit, Alter und Verarmung privat und individuell tragen und müssen sie sich Teilhabe, so gering sie auch ausfallen mag, erst ”verdienen”. Das heißt, es soll dadurch, dass staatliche Grundsicherung die Armutsgrenze nicht überschreitet, ein Anreiz bestehen bleiben, (mehr) zu arbeiten bzw. jede Art von Arbeit auch für den geringsten Lohn anzunehmen. Sonst werden die Leistungen gekürzt oder ganz gestrichen. Private Unternehmen werden damit direkt durch die SteuerzahlerInnen subventioniert.
Gleichzeitig wird so Druck auf Noch-Beschäftigte ausgeübt, die um jeden Preis ihre Arbeitsstelle behalten wollen bzw. müssen und dazu eine wesentliche Verschlechterung und Prekarisierung ihrer Arbeitsbedingungen bis hin zu Lohnsenkungen, erheblicher Verlängerung ihrer Arbeitszeit bzw. Kurzarbeit ohne Lohnausgleich in Kauf nehmen (müssen).
Die Perspektiven sind düster: Entweder arbeiten bis zum Umfallen und also keine Zeit für etwas anderes im Leben mehr haben, oder keine Arbeit, aber auch kein Geld zu haben oder – bei verschärftem Arbeitszwang – weder Zeit noch Geld zu haben, weil für fast kein Geld geschuftet werden muss.

. . . und unsere

Ganz im Gegensatz dazu steht die Idee eines bedingungslosen, garantierten und ausreichenden Grundeinkommens, wie es z.B. von einer Reihe von Arbeitslosen- und SozialhilfeempfängerInnen-Initiativen gefordert wird und bei dem nicht der Profit privater Unternehmen sondern der Mensch mit seinen Bedürfnissen im Mittelpunkt steht. Diese Form des Grundeinkommens basiert auf dem Gedanken, dass der Mensch jenseits der Profite der Wirtschaft eine Daseinsberechtigung hat, dass es im Leben noch andere Dinge gibt als zu arbeiten und dass – wenn der Reichtum richtig verteilt würde – für die Existenzsicherung eigentlich eine weitaus geringere Ausschöpfung der Arbeitskraft ausreichend wäre.
Ein solches Grundeinkommen steht jedem Menschen, unabhängig von konstruierten Kriterien wie Herkunft, Geschlecht, Alter oder Familienstand ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Arbeitszwang zu und muss tatsächlich so hoch sein, dass es für eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausreicht und nicht ”nur” vor der physischen Vernichtung, also dem Verhungern und Erfrieren, schützt2. Damit eröffnet diese Forderung eine wirkliche Alternative zu den Vorstellungen über Grundsicherung, wie sie die herrschende Klasse hat, und ermöglicht es, Arbeit jenseits der Lohnarbeit, wie z.B. Familienarbeit, Engagement im kulturellen, sozialen, sportlichen etc. Bereich neu zu bewerten und wertzuschätzen. Auch kann sie die Solidarität zwischen denjenigen, die noch Arbeit haben und jenen die arbeitslos sind, stärken, da sie sich gegen den Zwang, Niedriglohn-Jobs oder andere Zwangstätigkeiten annehmen zu müssen, richtet und den Blickwinkel weg vom Gedanken gegenseitiger Konkurrenz um (Noch-)Arbeitsplätze hin auf gemeinsame Interessen richtet – z.B. auf ein menschenwürdiges Leben und Zeit.
Da sich ein solches bedingungsloses, garantiertes und ausreichendes Grundeinkommen schwerlich in unserer Gesellschaft verwirklichen lässt, regt diese Forderung Diskussionen über menschliche Alternativen zum kapitalistischen Gesellschaftsmodell an. Und solche haben wir wirklich nötig.

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