Für mehr Personal im Krankenhaus braucht es eine Bewegung

Proteste gegen Kürzungen im britischen Gesundheitswesen Foto: Tim Dennell, Defend the NHS protest, CC BY-NC 2.0

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Gesundheitspolitik

Für mehr Personal im Krankenhaus braucht es eine Bewegung

Von ISO AG Gesundheit | 06.04.2021

Die Misere im Gesundheitswesen ist groß. Damit sich die Bedingungen verbessern, müssen Pflege- und Sorgearbeit aufgewertet werden. Das kann nur eine Bewegung erreichen, die in den Betrieben verankert ist, aber auch auf der Straße sichtbar wird.

Seit Jahrzehnten treiben die Gesetzgeber*innen im Gesundheitswesen eine Ökonomisierung voran, die  den Beschäftigten wie auch der Patient*innen schadet:

  • öffentliche Krankenhäuser werden an private Anleger verkauft – die das Geld, das für Personal nötig wäre, als Profite horten oder an Aktionäre ausschütten
  • Patienten werden operiert, nicht weil ihnen das hilft, sondern weil auch unnötige Behandlungen  Gewinn abwerfen
  • mangelnde Hygiene und schlechte Versorgung – weil Personal fehlt oder in Billigfirmen ohne Tarifbindung ausgelagert wurde

Die Misere im Gesundheitswesen betrifft alle: (Kranken-)Pfleger*innen, Ärzt*innen, Hebammen, Köch*innen, Reinigungs- und Servicekräfte Therapeut*innen, Sozialarbeiter*innen, techn. Personal, MT/R/L Assistent*innen und nicht zuletzt die Patient*innen. In der Pflege ist die Dauerbelastung durch den massiven Personalabbau in den letzten Jahren unerträglich geworden. Die Beschäftigten werden krank oder kündigen; die Gesundheit der Patient*innen und Pflegebedürftigen ist gefährdet und ihre Angehörigen sind oft überfordert. Für die wichtige Arbeit vieler Berufsgruppen werden durch Ausgründung Löhne gezahlt, die kaum zum Überleben reichen und unweigerlich in die Altersarmut führen.

Profitorientierung hat im Gesundheitswesen nichts zu suchen

Gesundheit ist ein Menschenrecht – daher muss das Ziel eine bedarfsorientierte Versorgung der Bevölkerung sein.  Das Wohl der Patient*innen muss im Mittelpunkt stehen und nicht, welche Fallpauschale für die Abrechnung am günstigsten ist. Deswegen unterstützen wir die Bündnisse, um dem Personalmangel auf Kosten der Beschäftigten und Patient*innen und seiner Hauptursache, dem Wettbewerb um die lukrativen „Fälle“, gemeinsam entgegen zu treten.

Unsere Auseinandersetzung beginnt im Krankenhaus – aber es geht uns um eine allgemeine Aufwertung von Pflege- und Sorgearbeit, um gute Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung und um ein bedürfnisgerechtes Gesundheits-, Pflege- und Sozialsystem für alle als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge.

Für eine bedarfsorientierte Daseinsvorsorge

Gesundheit darf keine Ware sein! – Deshalb fordern wir:

1. eine gesetzliche Personalbemessung, die

  • sich an den tatsächlichen Bedürfnissen der Patient*innen bemisst. Untergrenzen reichen nicht!
  • für alle Stationen und Bereiche sicherstellt:: Keine Nacht allein!

2. auch die Ausbildungsqualität der Eingesetzten berücksichtigt Tarifvertraglicher Schutz und  attraktive Bezahlung Entgeltefür alle Berufsgruppen im Krankenhaus.

3. mehr Qualität in der Ausbildung:

  • verbindliche Praxisanleitung und unbefristete Übernahmen,
  • Qualifizierungsangebote und Anerkennung von Berufserfahrung im Krankenhaus

4. bedarfsorientierte Krankenhausplanung und nachhaltige Investitionsförderung durch die Länder.

5. gleichen Zugang zur Gesundheits­versorgung für alle Menschen, auch die ohne Krankenversicherung.

6. Abschaffung der Fallpauschalen (DRG/PEPP): Wettbewerbs- und Profitlogik haben in Krankenhäusern und im Gesund­heitswesen nichts zu suchen!

7. Keine weiteren Privatisierungen: Das Gesundheits­system gehört in öffentliche Hand und unter demokratische Kontrolle durch Beleg­schaften und Bevölkerung.

8. Rekommunalisierung privatisierter Häuser und ausgegliederter Bereiche, ggf. auch durch Enteignung.

Es braucht Druck, damit sich etwas bewegt

Die bundesweiten Tarifkämpfe, zahlreiche Brandbriefe, Interviews, Demos und Aktionen und auch die Volksbegehren für mehr Krankenhauspersonal in Berlin, Hamburg, Bayern und Bremen haben die große Koalition im Bund zum Handeln gezwungen. Die Herausnahme der Pflegepersonalkosten aus den Fallpauschalen (DRG) hat einen Riss in der Ökonomisierung erreicht… Jetzt können und  müssen die DRGs durch eine bedarfsgerechte Finanzierung ersetzt werden.

Die von Jens Spahn eingeführten Personaluntergrenzen sind untauglich. Das hat mit einer Personalbemessung am Bedarf nichts zu tun, sondern ist geradezu eine Aufforderung an die Krankenhäuser, die über den Untergrenzen liegen, weiter Personal abzubauen. Das muss verhindert werden. Deshalb braucht es weiterhin unseren Druck.

Die zwei Grundpfeiler der Bewegung

Eine Grundlage für eine starke Bewegung für mehr Personal in Krankenhäusern ist die betriebliche Auseinandersetzung: Denn mit Kämpfen in den Häusern gibt, kann eine gesellschaftspolitische Bewegung zu nennenswerten Veränderungen führen.

  • Daher unterstützen wir Streiks und Kämpfe der Beschäftigten.  
  • An den Krankenhäusern, die keine ausreichende Streikbereitschaft haben, unterstützen wir die Organisierung der Beschäftigten.
  • An den Orten, wo die Gewerkschaft Ver.di die Entwicklung von Arbeitskämpfen blockiert  unterstützen wir innergewerkschaftliche Bemühungen für andere Mehrheiten bei Ver.di.

Neben den betrieblichen Kämpfen benötigen wir eine starke politische Bewegung auf der Straße. Dabei arbeiten wir v.a. im Rahmen der in den letzten Jahren entstandenen Bündnisse für mehr Personal im Krankenhaus. Auch die Vernetzung unserer Bündnisse ist notwendig, um unsere Forderungen auf Bundesebene durchzusetzen, und ein wichtiger Schritt in Richtung einer breiten und starken Gesundheits­bewegung.

  • Wir solidarisieren uns mit Patient*innen, Pflegebedürftigen und allen, die auf Sorgearbeit angewiesen sind, in allen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge: Pflegeheimen, Rettungsdiensten, Betreuungsdiensten, Schulen, Kitas und der Sozialen Arbeit. Wir solidarisieren uns mit allen Angehörigen, die beruflich oder privat Pflege- und Sorgearbeit leisten.
  • Auf der lokalen Ebene gehen wir Bündnisse ein sowohl mit Gruppen, die im Gesundheitsbereich tätig sind (z.B. Betriebsgruppen, Verbände der verschiedenen Beschäftigungsgruppen), lokalen politischen Gruppen die in dem Bereich aktiv sind und anderen Bürgerinitiativen. Die Schwerpunkte der Arbeit konzentrieren sich auf Veranstaltungen, medienwirksamen Aktivitäten (z.B. Klagemauer vor Krankenhaus) als auch Demonstrationen.
  • Die Erfahrungen werden auf Bundesebene ausgetauscht und vernetzt. Neben den Bundestreffen der Bündnisse versuchen wir auf Bundesebene auch in dem Bündnis Krankenhaus statt Fabrik und auf anderen Veranstaltungen wie z.B. der Streikkonferenz oder bundesweite Treffen der Gewerkschaftslinken.
  • Als international vernetzte Organisationen ist es unsere Pflicht, auch die Erfahrungen aus Kämpfen in anderen Ländern einzubringen. Hier sind v.a. die Erfahrungen aus Frankreich zu nennen – wir sollten eine Rundreise mit französischen Genoss*innen vorschlagen.
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