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Feminismus

Frauen und Sexualität

Von Lina | 01.03.2005

Der Bereich Sexualität zeigt, wie sehr scheinbar Natürliches gesellschaftlich geprägt ist und wie wenig Befreiung innerhalb kapitalistischer Totalität möglich ist.

Die enge Sexualmoral, die sich das aufkommende Bürgertums zur Abgrenzung vom Adel gab, hatte ihre eigentliche Geltung nur für Frauen. Freud kritisiert es als Einsperren der Triebe. Später fand die Anpassung des ArbeiterInnenklasse an den Lebensstil der bürgerlichen Klasse in Bezug auf Familienform und Moralvorstellungen statt.
Seit dem Aufbruch des Tabus „Sexualität“ steht die Vermarktung von und über sie im Vordergrund. Sexualität eignet sich als ein „Glücksversprechen“ an alle, da der Zugang zu einem erfüllten Sexualleben nicht vordergründig nach den Ausschlusskriterien, die es in einer Klassengesellschaft1 beispielsweise für Reichtum gibt, stattfindet. Da dieses Versprechen nicht eingehalten werden kann und das Verschulden als individuell gilt (zu wenig schön, zu wenig locker genug), entsteht ein riesiger Markt für Problemliteratur. Frauenzeitschriften verkaufen sich darüber, dass sie Lösungen für Probleme bieten, die erst durch den von ihnen geschaffenen Leistungsanspruch auftreten. Was sexuell erwünscht ist, bestimmen heute nicht so sehr religiöse Tabus als vielmehr der Markt.

Kulturelle Wahrnehmung

Es gibt kulturelle und historische Unterschiede, was überhaupt als Sexualität wahrgenommen wird, z. B. das Händehalten bei Männern. So war die weibliche Sexualität so außerhalb der gesellschaftlichen Wahrnehmung, dass weibliche Homosexualität während der NS-Zeit im Gebiet des alten Deutschlands nicht als staatsgefährend wahrgenommen und bestraft wurde. Die Ausübung von Sexualität in einem bestimmten Rahmen galt in bürgerlichen Gesellschaften immer als Privatsache, andere Formen von Sexualität (z. B. ausgeübte männliche Homosexualität) oder ihre Beihilfe („Kuppelei“) wurden jedoch gesetzlich und gesellschaftlich sanktioniert. Bevölkerungs- und Familienpolitik nimmt und nahm eine zentrale Position in der staatlichen Politik ein. Rassistische und „eugenische“ Kriterien spielen hier eine Rolle.

Weibliche Sexualität

Bei einer großangelegten Studie der Charité Berlin über weibliche Sexualität äußerten sich die meisten Frauen zufrieden mit ihrem Sexualleben. Jedoch gibt es auch heute noch Tabus, das zeigte sich daran, dass zu Selbstbefriedigung 18% der Befragten keine Angaben machten.
Ungute Entwicklungen zeigen sich bei dem drastischen Ausmaß sexueller Gewalt gegen Frauen, der abnehmenden Verwendung von Kondomen und damit einhergehend zunehmenden HIV-Neuinfektion, der steigenden Zahl der Jugendlichen, die abtreiben und ganz allgemein bei den Verschlechterungen in der ökonomischen Situation. Letztere wird zum Sichverschärfen von Abhängigkeiten führen, die einer selbstbestimmten Sexualität im Wege stehen.

Abtreibung

Nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten musste eine Lösung für das divergierende Recht in Bezug auf den Schwangerschaftsabbruch gefunden werden. Der jetzige §218 belässt den Abbruch illegal, um ihn moralisch zu diskreditieren, er bleibt aber unter einigen Voraussetzungen straffrei für beide Seiten. Eine dieser Voraussetzungen ist die Teilnahme der Schwangeren an einer Schwangerenkonfliktberatung. Diese „dient dem Schutz des ungeborenen Lebens. Sie hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen“. (§219I). Gerade in der heutigen Zeit, in der ein Schwangerschaftskonflikt ein privates Problem und kein Politikum ist, erscheint eine unterstützende Beratung sinnvoll, insbesondere da der Wunsch nach einer Abtreibung z. B. auf ökonomischen Schwierigkeiten oder Beziehungsproblemen fußt. Eine Zwangsberatung ist es nicht.
Die meisten feministischen Organisationen fordern einzelne Verbesserungen der Regelung (wie Finanzierung der Beratungsstellen), haben sich mit ihr zufrieden gegeben, die „LebensschützerInnen“ nicht. Die Holocaustvergleiche aus den Reihen der katholischen Kirche sind keine einzelnen Ausfälle sondern jeden Tag in ähnlicher Form in der katholischen Tageszeitung „Die Tagespost“ nachzulesen. Dort wird beispielsweise der CSU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Zöller interviewt, der nach eigenen Angaben zum Zwecke der Veranschaulichung im Gespräch mit junge Frauen „an jedem Sakkorevers eine Nachbildung von 10 Wochen alten Embryofüßchen“ trägt. Der Ärzteverband „Europäische Ärzteaktion“, die älteste LebensschützerInnengruppe Deutschlands sendet ihr Material regelmäßig an PolitikerInnen insbesondere der CDU/CSU und versucht in Wellen die Debatte wieder aufkommen zu lassen. Die gemeinsame gesetzliche Regelung des Schwangerschaftsabbruches in der EU ist bis heute noch nicht angegangen worden. Der Zeitpunkt, zu dem dies geschehen wird, wird für die AbtreibungsgegnerInnen Anlass für eine erneute Offensive sein.

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