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Feminismus

Frauen in Bewegung 09/2012

Von Barbara Schulz | 12.10.2012

Kurzmeldungen aus der internationalen Frauenbewegung (09/2012)

Wenn zum 1. August 2013 der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab einem Lebensjahr in Kraft tritt, befürchten manche Bundesländer eine Klagewelle. Vermutlich werden 750 000 bis 780 000 Plätze benötigt, damit knapp 40% der Kinder unter drei Jahren versorgt wären. Gegenwärtig sollen es 620 000 Plätze sein. Es bedarf aber nicht nur der Plätze, sondern es bedarf auch der Erzieherinnen und Erzieher. Das wird nicht leicht! Wie schon mehrfach erwähnt, dauert die Ausbildung drei, vier, fünf Jahre – fünf sind es, wenn internationaler Standard erreicht werden soll –, das Einstiegsgehalt liegt bei 2100 Euro, das ist kein besonderer Anreiz.

Kurzmeldungen aus der internationalen Frauenbewegung (09/2012)

Fortsetzung der unendlichen Geschichte

Wenn zum 1. August 2013 der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab einem Lebensjahr in Kraft tritt, befürchten manche Bundesländer eine Klagewelle. Vermutlich werden 750 000 bis 780 000 Plätze benötigt, damit knapp 40% der Kinder unter drei Jahren versorgt wären. Gegenwärtig sollen es 620 000 Plätze sein. Es bedarf aber nicht nur der Plätze, sondern es bedarf auch der Erzieherinnen und Erzieher. Das wird nicht leicht! Wie schon mehrfach erwähnt, dauert die Ausbildung drei, vier, fünf Jahre – fünf sind es, wenn internationaler Standard erreicht werden soll –, das Einstiegsgehalt liegt bei 2100 Euro, das ist kein besonderer Anreiz.

Gegenwärtig arbeiten 60% der Fachkräfte Teilzeit, aus den verschiedensten Gründen. Aber 700 bis 900 Euro sind kein auskömmlicher Verdienst. Der Mangel an Fachkräften wird zur Herabsetzung der Standards führen, befürchten GewerkschafterInnen.

Selbst der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer Driftmann mahnt die Politik, ihre Hausaufgaben zu machen. Betriebe fordern Betreuung nicht nur für unter Dreijährige, sondern auch für Schulkinder. Dazwischen sind die Kitas für das „Kindergartenalter” halbwegs sicher. Nicht abgerufene Gelder des Bundes harren noch einer „gerechten” Verteilung. Bedürftige Länder können sich melden.

Bleibt noch das Betreuungsgeld, auch eine unendliche Geschichte, die wartet auf die Fortsetzung. Konservative Kreise im Süden der Republik beharren trotz der nun fast einhelligen Meinung, dass „frühkindliche Bildung” eine Notwendigkeit ist, und die in Kindereinrichtungen eher zu gewährleisten ist, auf ihrer Forderung nach Betreuungsgeld.

Alterssicherungsstärkungsgesetz

Wow! Etwas ganz Neues! Der Vorläufer hieß noch RV – Lebensleistungsanerkennungsgesetz! Frau von der Leyen ist aufgefallen, dass ein solches Gesetz vonnöten ist. Die Gefahr, dass viele Menschen keine ausreichenden Rentenbezüge mehr zu erwarten haben, ist offensichtlich. Es soll also eine Zuschussrente her, zur Aufstockung auf 850 Euro. Ob das ausreichend ist, soll hier nicht diskutiert werden. Ob es überhaupt Abhilfe schaffen könnte, darf ernsthaft bezweifelt werden. Folgende Voraussetzungen sollen gelten:

Versicherungsjahre          40            ab 2023          45
Beitragsjahre                     30            ab 2023          35
Private Altersvorsorge                       ab 2019          5
                                             (ab 2049 steigend bis auf 35)

Frauen, die 2010 in Rente gingen, hatten im Westen 30,2 Versicherungsjahre! Seit dem 1. 1. 2011 werden für Hartz IV Empfangende keine Beiträge mehr abgeführt. Allerdings sollen Kindererziehung und Altenpflege irgendwie honoriert werden.

Wenn mensch tatsächlich diese Hürden überwunden hätte und 850 Euro erhielte, blieben ihm nach Abzug der Versicherungen noch 764 Euro. Her mit dem schönen Leben!

Entlarvend ist eine Begründung. Frau von der Leyen möchte es Müttern, die gearbeitet haben, nicht zumuten, zum Sozialamt zu gehen, weil das irgendwie als diskriminierend empfunden werden könnte. Noch entlarvender ist, dass sie selbstverständlich voraussetzt, dass sich in den nächsten 30 Jahren – in einer Generation – nichts ändern wird!

Keinerlei Bedenken bestehen offensichtlich, wenn Menschen mit einem Beitrag, der bei fünf Euro liegen kann, über die private Versicherung an den zukünftigen Wohlstand andocken müssen. Wem nützt das?

Übrigens gegenwärtig haben die Rentenkassen einen Überschuss, die Beiträge werden gesenkt.

Marokko

Wie auch in anderen Staate Nordafrikas ist auch in Marokko das Heiratsalter angestiegen, die soziale Lage erschwert die Familiengründung. Verständlich, dass über Sex vor der Ehe nicht nur geredet wird! Vorehelicher Geschlechtsverkehr steht aber unter Strafe. Ein Journalist, der dieses Gesetz infrage gestellt hat, wurde mit einer Fatwa – islamisches Gutachten – bedacht. Der Justizminister antwortete auf eine Anfrage im Parlament: „Wir lehnen die Straffreiheit von außerehelichen sexuellen Beziehungen ab. Sie sind pervers und verstoßen gegen die Prinzipien der öffentlichen Ordnung in Marokko. Eine von deren Säulen ist die Religion.”

Positiv ist, dass es immerhin eine Auseinandersetzung gibt. Es mutet uns seltsam an, welche Bedeutung die Jungfräulichkeit immer noch hat.

Tunesien I

Für Tunesien wird diese Problematik deutlich an der Diskussion über die Wiederherstellung der Jungfräulichkeit durch einen Eingriff, der ein „chirurgisch rekonstruiertes” Jungfernhäutchen schafft. Dreiviertel der Frauen seien „assistierte Jungfrauen” behauptet die Psychoanalytikerin Nedra Ben Smail. Die Rekonstruktio
n wird sogar von einer Fatwa gedeckt!

Hier kann mensch einiges über die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen erfahren.

Tunesien II

Der Staat garantiert den Schutz der Rechte der Frau und ihrer Errungenschaften – in der Familie nach dem Prinzip der Komplementarität mit dem Mann, und bei der Entwicklung des Vaterlandes dem Mann zur Seite gestellt”, so ein Artikel der Verfassung, die in Tunesien entsteht.

Frau an sich existiert nicht, sie ist definiert als Ergänzung des Mannes. Das geschieht in einem Lande, in dem seit 1956 die Frauen nach dem Gesetz den Männern weitgehend gleichgestellt sind, bzw. waren. Dass die Frauen für ihre Rechte auf die Straße gingen und in einer großen Demonstration in Tunis um diese Rechte kämpften – und hoffentlich weiter kämpfen können –, verwundert nicht.

Vor dem Hintergrund großer sozialer Probleme und Verwerfungen war und ist es offensichtlich leichter, Frauenrechte einzuschränken. Frauen sind in solchen Situationen mit der Bewältigung des Alltags, dem Überleben beschäftigt.

Wir sollten das Patriarchat nicht unterschätzen, schon gar nicht, wenn es uns Frauen zu schützen vorgibt!

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