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Feminismus

Frauen in Afghanistan: „Nicht die Burka, sondern das rück­ständige Denken der Männer …“

Von Barbara Schulz | 01.09.2006

Was die „Wiedergeburt der Taliban“ (Avanti Nr. 134) für die Frauen bedeutet, kann unter anderem mit Hilfe eines Interview mit Amrita Mukherjee, einem Mitglied von RAWA, deutlich werden. In vielen Bereichen, die von den bewaffneten Kräften, die  durch die Warlordisierung unkontrolliert agieren können, beherrscht werden, tragen Frauen zu ihrem Schutz weiterhin oder wieder die Burka. Selbst in Kabul tun es viele.

Was die „Wiedergeburt der Taliban“ (Avanti Nr. 134) für die Frauen bedeutet, kann unter anderem mit Hilfe eines Interview mit Amrita Mukherjee, einem Mitglied von RAWA, deutlich werden.

In vielen Bereichen, die von den bewaffneten Kräften, die  durch die Warlordisierung unkontrolliert agieren können, beherrscht werden, tragen Frauen zu ihrem Schutz weiterhin oder wieder die Burka. Selbst in Kabul tun es viele. Die Vorstellung, die Welt durch das Gitter einer Burka betrachten zu müssen, ist allein schon erschreckend.  Saida Samad meint allerdings, dass nicht die Burka das entscheidende Hindernis für Frauen sei, sondern das rückständige Denken der Männer.

In den meisten Gebieten können Frauen nicht ohne Begleitung eines männlichen Verwandten in die Öffentlichkeit gehen, und weiterhin werden Frauen missbraucht und vergewaltigt. Bekannt wurde der Fall eines 12-jährigen Mädchens, das durch eine Gang vergewaltigt wurde. Es ist Frauen so gut wie unmöglich, aus einer Ehe herauszukommen, gegebenenfalls gehen sie ins Gefängnis. Auch deshalb steigt die Selbstmordrate der Frauen. So wird eine Frau, die keine Kinder bekommt, zur Dienerin, der Mann kann bis zu vier Frauen heiraten. Arme Familien werden dafür bezahlt, ihre jungen Töchter an 30/40 Jahre ältere Männer zu vergeben. Wenn sie sich weigern, müssen sie mit üblen Konsequenzen rechnen. Frauen werden als Gebärmaschinen angesehen.
Bildung und Arbeit
Bildung für Mädchen gibt es in den größeren Städten im Ansatz, nicht  aber auf dem Lande. Selbst unsere Presse berichtete über das Niederbrennen von Schulen, insbesondere Mädchenschulen. In der Provinz Helmand gibt es 165 Fälle von Schulschließungen aus diesem Grund. Es ist für Frauen aber  auch kaum möglich, bezahlte Arbeit zu finden. Das gelingt bedingt in Kabul, aber auch dort wie in andern Gebieten ist selbst die Arbeit bei NGOs  lebensgefährlich. Allerdings gibt es auch einen Bericht, dass Frauen als Minensucherinnen  ausgebildet werden. Frauenüblich begründen sie ihre Arbeit mit humanitären Gründen, sie haben Mitleid mit den Verstümmelten.
Saida Samad, eine studierte Frau von 28 Jahren, beschreibt ihren Alltag in der Provinz. 23 Jahre haben die Männer nur gelernt mit Waffen umzugehen. Wenn jetzt wieder Wein und Weizen angebaut wird, bleiben die schweren Arbeiten den Frauen überlassen. So unterrichtet Saida Samad als Lehrerin, versorgt das Vieh der Familie, führt den Haushalt und zieht vier Kinder groß. Sie darf in Burka und mit gebührendem Abstand hinter ihm in den Basar. Selbst in die Moschee zum Abendgebet dürfen nur erwachsene Männer, die können das Wort Gottes schon an ihre Frauen überbringen!
Parlament
Im Parlament in Kabul sitzen immerhin 68 Frauen, es gibt sogar eine Ministerin. Amrita Mukherjee hält sie nicht für Repräsentantinnen der Frauen. Nach ihrer Meinung haben sie Beziehungen zu den Fundamentalisten oder schließen Kompromisse, ja sie sieht auch weibliche Warlords.
RAWA
Die Frauenorganisation RAWA kann in Afghanistan nicht offen auftreten, informiert aber recht gut. Sie arbeitet vom Ausland, insbesondere von Pakistan aus. Im Lande ist das Publizieren fast unmöglich. Es gelingt aber immer wieder, den 8. März zu feiern. Das Auftreten war ein Risiko, auch wenn es im Saale stattfand. Dennoch war es eine Manifestation des Kampfeswillens der Frauen. Amrita Mukherjee selbst meint, dass das Interview, dessen Inhalte hier benutzt wurden, in Afghanistan nicht erscheinen könnte.

Für uns wird erkennbar, dass sich für Frauen kaum ein Fenster geöffnet hat. Unter den gegebenen Bedingungen wird es lange dauern, bis sie vor die Tür treten und unbehelligt die Straße entlang gehen können.

 

 

Kurz & feminin
Frauenquote
Künftig müssen bei Wahlen in Portugal mindestens 33,3 % der Listenkandidaturen an Frauen gehen. Der konservative Staatspräsident hatte sein Veto eingelegt, weil die Ungültigkeit der Listen bei Nichteinhaltung vorgesehen war. Nun wird bei Verstoß gegen die Quotenregelung nur noch Geld aus der Wahlkampfkosten-Erstattung entzogen. Der Frauenanteil der Volksvertretung beträgt gegenwärtig 21,7 %.
Frauen und Aids
Die Ausbreitung von Aids unter Frauen soll eingedämmt werden, indem den Frauen die Möglichkeit gegeben werden soll, sich zu schützen, auch ohne die Zustimmung des Partners. Mikrobizide sollen diese Prävention ermöglichen, indem sie verhindern, dass sich das HIV-Virus einnisten kann. In patriarchalisch geprägten Gesellschaften könnte das Frauen mehr Selbstbestimmung geben. Und wo sind Gesellschaften nicht patriarchalisch?
Frauen und Gewalt
„Wir können doch nicht auf jedes Randthema eingehen“, so wird das Auslassen der Massenvergewaltigungen bei der Ausstellung zu „Flucht, Vertreibung, Integration“ in Bonn entschuldigt. Auch die Berliner Ausstellung “Erzwungene Wege” geht kaum darauf ein, außer um den Opferstatus der deutschen Vertriebenen zu zeigen, so Heide Oestreich. Problem sei aber, die „patriarchalen Strukturen hinter den Taten“ zu verdeutlichen. Das werde aber gescheut.

 

 

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