TEILEN
Innenpolitik

Frauen bleiben arm, Männer werden es auch

Von Trixi Blixer | 01.04.2005

Frauen waren schon immer durchschnittlich häufiger von Armut betroffen. Seit den neoliberalen „Reformen“ verfestigt sich diese Situation; neu ist, dass immer mehr (z.T. erwerbstätige) Männer ebenfalls in die Armut abrutschen.

 
Der Sozialforscher Stefan Hradil definiert Armutsrisiko folgendermaßen: „Bestimmte Bevölkerungsgruppen haben aus unterschiedlichen Gründen ein wesentlich größeres Risiko als andere, mit Einkommen an oder unterhalb der Armutsgrenzen auskommen zu müssen. Häufig wird angenommen, ältere Menschen und Frauen seien besonders häufig arm. Dies war früher in der Tat der Fall. So war das Armutsrisiko (50%-Grenze) der Älteren zu Beginn der 60er Jahre noch etwa doppelt so hoch wie das der Gesamtbevölkerung. Und im Jahre 1963 bezogen fast doppelt so viele Frauen laufende Sozialhilfe wie Männer. […] Mögen die alten Armutsrisiken der Alten und der Frauen nicht mehr hervorstechen; es sind neue Risikogruppen der Armut entstanden. Ein Strukturwandel führte weg von der Armut der Älteren, der Frauen und der Alleinstehenden, hin zur Armut Jüngerer und größerer Familien: Die Haushalte von Arbeitslosen, Alleinerziehenden, kinderreichen Familien und Ausländern geraten sehr viel häufiger in Armut als andere.“1 Die veränderte Armutsstatistik zeigt, dass als neues Phänomen immer mehr Menschen in Armut leben müssen, die erwerbstätig sind.

Arm trotz Arbeit

Armutslöhne beginnen bei 50 % des Durchschnittseinkommens – also bei 1426,50 Euro brutto Das betrifft zwölf Prozent der Vollzeitbeschäftigten und die Mehrheit davon sind Frauen. Nur 14,8% der Frauen sind in der Produktion beschäftigt, dem gegenüber stehen 83,4% erwerbstätige Frauen im Dienstleistungssektor, also dem traditionell geringer entlohnten Bereich. Das statistische Bundesamt erkennt klar, warum Frauen deutlich weniger als Männer verdienen: „Die aktuellen Verdienstunterschiede dürften im Wesentlichen darauf zurückgehen, dass Frauen häufiger als Männer mit weniger anspruchsvollen und deswegen geringer entlohnten Arbeiten beschäftigt werden. So sind beispielsweise 12 % der Arbeiterinnen als Fachkräfte und 45 % als ungelernte Kräfte eingesetzt […] Von den weiblichen Angestellten arbeiten 38 % als Bürofachkräfte und ungelernte Kräfte, von den männlichen dagegen nur 14 %.“2 . Im klassischen Niedriglohnsektor sind 80% der dort Beschätigten weiblich. Dazu kommt, dass Frauen mit geringfügiger Beschäftigung nur so wenig verdienen, dass sie damit ihren eigenen Lebensunterhalt nicht bestreiten können.

Familiensituation

2004 waren 56% der BezieherInnen von Sozialhilfe weiblich. Dazu passt, dass fast jede vierte alleinerziehende Frau die „Stütze“ beziehen muss. Immer noch sind es zu 91% Frauen, die Haushalten als Alleinerziehende vorstehen. Kein Wunder, sind diese Haushalte überdurchschnittlich häufig von Armut betroffen, sie erzielten 2003 lediglich ein durchschnittliches Bruttoeinkommen von monatlich 2 089 Euro, das sind 61% des Bruttomonatseinkommens aller Haushalte (3 454 Euro). Knapp 44% des Haushaltsbruttoeinkommens allein Erziehender stammten aus öffentlichen und nichtöffentlichen Transferleistungen. Werden diese staatlichen Leistungen gekürzt oder sogar abgeschafft, trifft es genau die Frauen, die alleine die Aufgaben der Kindererziehung übernehmen.

Armut wegen Arbeitslosigkeit

Schon vor der Einführung des Arbeitslosengelds II wurde bereits zum 1. Januar 2003 die Arbeitslosenhilfe in mehrfacher Weise gekürzt. Die Leistungssätze wurden nicht mehr dynamisiert und damit faktisch gesenkt, Vermögen und Partnereinkommen stärker als bisher angerechnet. Das hatte schon 2003 zu einer Verdoppelung der Ablehnung von ALHi-Anträgen geführt. Von vier Fällen waren es drei Frauen, die keine Leistungen mehr erhalten haben. Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe seit Beginn 2005 führte dazu, dass sehr viele erwerbslose Frauen jetzt überhaupt keine Leistungen vom Arbeitsamt mehr erhalten. Auch alleinerziehende Frauen müssen sich jetzt dem Arbeitsamt zur Vermittlung zur Verfügung halten, wollen sie nicht Leistungskürzungen in Kauf nehmen.
Nach Schätzungen des DGB werden vor allem Frauen mit dem Arbeitslosengeld einen massiven Einkommensverlust hinnehmen müssen. Bisher, d. h. vor Januar 2003, bekamen 40 Prozent aller arbeitslosen Frauen keine Arbeitslosenhilfe.

 

1 Hradil, Stefan 2001: Soziale Ungleichheit in Deutschland, 8. Aufl., Opladen: Leske und Budrich, S. 252ff
2 Bundesamt für Statistik, www.destatis.de

Artikel teilen
Kommentare auf Facebook
Zur Startseite