FFF am 20. September – eindeutig links und antikapitalistisch

Am 20. September nahmen in Leipzig über 20.000 Menschen am 3. globalen Klimastreik von Fridays For Future Leipzig teil. Foto: Tobias Möritz, 20.09.2019 - #AlleFuersKlima Leipzig, CC BY-SA 2.0

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politische Radikalisierung und Zuspitzung in der Bewegung

FFF am 20. September – eindeutig links und antikapitalistisch

Von Helmut Born und Thies Gleiss | 24.09.2019

Greta in New York: “Wir sind nicht zu stoppen!” Mit dieser Ansage macht Greta Thunberg auf der UN Jugendklimakonferenz deutlich, dass auch nach dem globalen Klimastreiktag für Fridays for Future der Kampf gegen die Klimakrise weiter geht. Mit weltweit ca 4 Millionen Teilnehmer*innen war dieser Tag der wohl bedeutendste der noch jungen Bewegung.  Dabei gilt es festzuhalten, dass diese Bewegung noch viel Potenzial hat und hauptsächlich in den kapitalistischen Zentren verankert ist. Die größten Demonstrationen wurden aus New York, Melbourne, London und Berlin vermeldet. In den asiatischen Ländern gab es zwar auch Aktionen, die aber erheblich weniger Zulauf hatten. Kleinere, aber nicht minder beeindruckende Demonstrationen fanden in den Inselstaaten des Pazifiks und in mehreren afrikanischen Staaten statt.

Bei allen Demonstrationen war überragend, dass der Großteil der Teilnehmenden sehr jung und mehrheitlich weiblich war. Selbst in Kabul in Afghanistan wurde die Demonstration von sehr jungen Frauen und Mädchen angeführt. Ebenso wurde in allen Demonstrationen die weltweiten Themen Klimaschutz und CO-2-Begrenzung mit sozialen Themen des jeweiligen Landes oder der Region verknüpft.

In Deutschland hat Fridays for Future eine erhebliche Mobilisierungskraft, was an diesem Tag besonders deutlich wurde. Etwa 1,4 Millionen Menschen sollen sich an den Aktionen in über 500 Orten beteiligt haben. Hier gab es in Berlin mit 270.000 , in Hamburg mit 100.000, in Köln mit 70.000 und mehreren Städten mit 40 – 50.000 Teilnehmer*innen  wirklich massenhafte Mobilisierungen. Aber selbst in kleinen Städten gab es Kundgebungen und Demonstrationen mit mehreren hundert Teilnehmer*innen wobei die Aktionen auf den friesischen Inseln etwas besonderes darstellten. In vielen Großstädten wurden zwischen 6 – 20.000 Teilnehmer*innen gezählt. Um FfF herum hat sich ein ganzes Konglomerat von Organisationen gebildet, die die Popularität nutzen, um sich Gehör zu verschaffen. Ob Teachers, Scientists, Workers, Seniors oder auch Entrepeneurs for Future, sie verstehen sich alle als Teil der Bewegung.

Auffällig, aber nicht überraschend ist, dass die neue Bewegung eine extrem wohlwollende Begleitung in den großen Medien erfährt. Bei den Teilnehmendenzahlen werden die Angaben der Veranstalter*innen übernommen, Polizeieinsätze werden sehr kritisch begleitet. Es wird erfahrungsgemäß bald ein Versuch beginnen, den radikalen vom „vernünftigen“ Teil der Bewegung zu isolieren, aber noch wird die Bewegung ganzheitlich aufgegriffen und sehr freundlich behandelt, mit vielen Originalreportagen vor Ort, Interviews mit Aktiven und langen Originalzitaten aus den Reden. Erfreulich ist dabei, dass trotz gewaltiger Bemühungen, die Bewegung medial zurechtzustutzen, Prominente aufzubauen und manipulative Sensationsberichte zu lancieren, die „Resilienzkräfte“ aus der Bewegung, einschließlich der Verweigerung der Personalisierung und Promi-Fixierung, noch groß sind.

Erstmalig hatten die meisten DGB Gewerkschaften zur Teilnahme an den Demonstrationen aufgerufen, ohne kollektiv zu einem Streik zu mobilisieren. Mein Eindruck ist, dass die Beteiligung sehr bescheiden gewesen ist. So hat zwar der ver.di Vorsitzende F. Bsirske in Düsseldorf auf der Kundgebung geredet, aber es werden wohl nicht mehr als 50- 60 Mitglieder dabei gewesen sein, wobei die Jugend da noch am stärksten vertreten war. Von den anderen Gewerkschaften, außer der GEW, war bei dieser Demonstration, an der immerhin 20.000 Menschen teilnahmen, kaum etwas zu sehen. Es wird aber Städte gegeben haben, wo die gewerkschaftliche Beteiligung besser gewesen ist. In Köln hat sich vor allem die GEW an der Mobilisierung beteiligt. Sie prägte den kleinen gewerkschaftlichen Block und hatte zudem in allen Schulen zur Teilnahme geworben. Die IG Metall war mit wenigen Funktionären, Vertrauensleuten, Betriebsräten und vor allem ihren Senior*innen vertreten.

Die LINKE, andere linke Organisationen (vor allem Interventionistische Linke) war an den Mobilisierungen beteiligt, stellte einen beträchtlichen Teil der Rednerinnen und Redner. Auf übertriebene Präsentation von Partei- und Organisationsemblemen wurde absprachegemäß verzichtet. In einigen Städten kam es aber auch zu Ausgrenzungsversuchen gegen „allzu linke“ Auftritte. Die GRÜNEN waren stark präsent, aber – zumindest in Köln und den Demonstrationen, von denen wir Berichte und Bilder haben – nicht so prägend wie noch auf der bundesweiten Demonstration in Aachen.

Es gibt eine gewisse politische Radikalisierung und Zuspitzung in der Bewegung, wie auch nicht anders zu erwarten. Sie ist von Ort zu Ort unterschiedlich, aber insgesamt wahrzunehmen. FfF hat mehrere Strukturen, die sich faktisch verselbständigen und politisch radikalere Positionen einnehmen, andere Strukturen (von Ende Gelände bis Extinction Rebellion) sind gar nicht erst in FfF eingebunden. Die Falken, SDAJ, Linksjugend Solid, Rebell u.a. haben mit dem Klimathema einen neuen Schwerpunkt und neuen Zulauf bekommen.

Dort, wo es sie gibt, haben die Organisationen der Flüchtlingssolidarität und die antifaschistische-antirassistische Bewegung breit mobilisiert. Der optische und akustische Gesamteindruck der Demonstrationen war eine eindeutig linke und antikapitalistische Mobilisierung der gesellschaftlichen Opposition.

Überragend war aber der jugendliche Charakter der Demonstrationen und die entsprechende Unbefangenheit. In Deutschland gab es nur in der kurzen Zeitspanne von Februar 1976 bis März 1977 eine vergleichbare Mobilisierung, bei der auch faktisch spontan und über Nacht in jeder Stadt, Stadtteil, jeder Uni und Schule und auch in zahlreichen gewerkschaftlichen und betrieblichen Strukturen „Bürgerinitiativen gegen AKWs“ entstanden und die breite politische Mobilisierung weitest gehend außerhalb der großen traditionellen Oppositionsparteien erfolgte. Das Alter der Teilnehmenden von heute ist aber noch einmal merklich jünger als zu Zeiten der Anti-AKW-Bewegung und es dominieren Frauen und Mädchen.

Während die Demonstrationen noch liefen, hat die Bundesregierung ihr Programm zur Bekämpfung der Klimakrise bekannt gegeben. Aus der Bewegung und den Instituten kam eine sehr heftige Kritik, die sich erst einmal hauptsächlich an der zu niedrigen und erst 2021 einsetzenden Bepreisung von CO-2 festmachte. FfF fordert eine CO-2 Steuer von 180 € pro Tonne, und die Bundesregierung fängt jetzt mit 10 € an. Hier ist jetzt nicht der Platz, um eine umfassende Kritik an den Plänen der Bundesregierung zu entwickeln, aber wir können festhalten, dass manche Maßnahmen sogar kontraproduktiv sind. Auf jeden Fall können wir feststellen, dass dies alles nicht ausreichen wird, um die Treibhausgasemissionen in erforderlichem Umfang zu senken. Wo die Bundesregierung sich getraut hat, eine Belastung für Konzerne in den Forderungskatalog aufzunehmen, war direkt das Geschrei groß: So hat der Lufthansa Vorstand sich nicht entblödet zu behaupten, dass die Verdoppelung der Flugverkehrsabgabe zu einer massiven Benachteiligung der deutschen Flugverkehrswirtschaft führen wird.

Die ersten Reaktionen auf die Pläne der Bundesregierung hat es schon gegeben. In mehreren Städten gab es dazu Demonstrationen, Day ins und andere Aktionen. Das bedeutet, dass die Bewegung sich weiterhin zu Wort melden wird und das Klimathema uns lange erhalten bleibt. Es gibt bereits erste Pläne für Aktionen, die dafür sorgen sollen, dass dieses „Klimapaket“ aufgeschnürt und verbessert wird. Es bleibt also spannend und es ist weiterhin mit weitgehenden Mobilisierungen zu rechnen.

Unsere Aufgabe ist es bei Fridays for Future, die Kräfte zu stärken und mit ihnen zusammen zu arbeiten, die für eine Systemänderung eintreten. Die Frage ob sich FfF systemüberwindend oder systemerhaltend positionieren soll, wird eher an Bedeutung zunehmen, zumal bei dem politischen Umfeld, wozu jetzt auch die Gewerkschaften gezählt werden müssen. Sowohl der DGB, als auch die Vorstände von ver.di und IG Metall haben wohl enge Kontakte zu bestimmten Personen in FfF. Dass dies politisch folgenlos bleiben wird, ist kaum anzunehmen.

Die Gewerkschaften – insbesondere die IG Metall – führen eine breite Debatte unter dem etwas irreführenden Stichwort „Transformation“. Sie ist von großen Ängsten über gravierende Veränderungen in den Betrieben, über Sterben ganzer Industrien und Produktionslinien und von ziemlicher Ratlosigkeit geprägt. Die bisherigen Antworten der Gewerkschaftsführungen verbleiben völlig im Rahmen der Kapitalismusverwaltung und appellieren an die „Politik“, sie solle gefälligst die finanziellen Mittel für die Unternehmen zur Transformation bereitstellen und bei Krisen mit Subventionen, Kurzarbeitergeld usw. aushelfen. Aber das Bewusstsein, dass dies, wenn nicht falsch, so doch auf keinen Fall ausreichend ist, ist sehr verbreitet. In den gewerkschaftlichen Debatten wird ein starkes Bedürfnis nach neuen „politischen Lösungen“ deutlich. Das  ist das Klima, in dem die FfF- und begleitende Bewegungen sehr stark wirken können, zumal es ja Kids der Arbeiter*innenklasse sind, die auf die Straße gehen, und ihre Eltern stärken sie dabei mehr als in früheren Jugendbewegungen.

In Hamburg kam es im Anschluss an die große Demonstration zu Blockadeaktionen, die sehr hart von der Polizei aufgelöst wurden. Das ist gegenwärtig großes Thema in Hamburg und sorgt zusammen mit den immer noch nicht aufgearbeiteten Polizeieinsätzen am Hambacher Forst für eine weitere politische Radikalisierung. In der laufenden Woche bis zum 28. September sind zahlreiche Aktionen und Blockaden geplant, bei denen es zu weiteren Polizeirepressionen kommen kann.

 

Helmut Born, Thies Gleiss – Stand 23. September 2019

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