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Linke

Erfolgreiche Tagung: 75 Jahre IV. Internationale

Von Heinrich Neuhaus | 14.12.2013

Der 75. Jahrestag der Gründung der IV. Internationale war Anlass, um eine öffentliche Konferenz am 23. bis 24. November 2013 in Mannheim zu organisieren. Bei der vom Revolutionär Sozialistischen Bund (RSB) gemeinsam mit seiner Schwesterorganisation Internationale Sozialistische Linke (ISL) durchgeführten Veranstaltung waren insgesamt etwa 100 Personen anwesend.

Der 75. Jahrestag der Gründung der IV. Internationale war Anlass, um eine öffentliche Konferenz am 23. bis 24. November 2013 in Mannheim zu organisieren. Bei der vom Revolutionär Sozialistischen Bund (RSB) gemeinsam mit seiner Schwesterorganisation Internationale Sozialistische Linke (ISL) durchgeführten Veranstaltung waren insgesamt etwa 100 Personen anwesend.

Ein Großteil der TeilnehmerInnen kam aus dem Südwesten der Republik, aber manche scheuten auch nicht den weiten Weg von Hamburg oder Berlin in die Kurpfalz. Besonders erfreulich war die Beteiligung internationaler Gäste aus Frankreich, England, Griechenland, den Niederlanden und Pakistan.
Es gab ein anspruchsvolles politisches und kulturelles Programm, das dennoch genügend Raum für das persönliche Gespräch ließ. Die Tagung war auch deshalb eine gute Gelegenheit, alte GenossInnen zu treffen und den Kontakt mit neuen, politisch interessierten KollegInnen zu vertiefen.
Kampfziele
Am 3. September 1938, also am Vorabend des Zweiten Weltkrieges, entstand mit der IV. Internationale eine neue, wenn auch kleine revolutionäre Organisation. Sie war immerhin schon damals in allen Erdteilen aktiv.
Ihr Kampfziel war klar und nicht zuletzt deshalb eine große Herausforderung: die Überwindung von Kapitalismus, Faschismus und Stalinismus durch die Erhebung der arbeitenden Klassen und die Durchsetzung einer solidarischen und demokratischen Entwicklung.

Dieses Ziel ist bis heute aktuell. Die neue Gesellschaft soll Hunger, Elend und Mangel an lebenswichtigen Gütern weltweit aufheben, die Warenproduktion und Geldwirtschaft durch eine auf unmittelbare Bedürfnisbefriedigung aufgebaute Wirtschaft ersetzen, den Krieg und die massenhafte Anwendung von Gewalt unmöglich machen, jede Art von Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen durch den Menschen beseitigen und den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen durchsetzen.
Traditionen
Die rote Fahne der IV. Internationale schmückte die Stirnseite des Konferenzsaales in Mannheim. Keiner der Delegierten des Gründungskongresses von 1938 hätte auch nur im Traume daran gedacht, dass die Vierte eine derart lange Wegstrecke zu bewältigen hatte – und dass das sozialistische Ziel immer noch in unabsehbar weiter Ferne liegt.
Ihre Todfeinde Faschismus und Stalinismus hat die IV. Internationale – allen Vernichtungsprogrammen  zum Trotz – überlebt. Aber der Sturz des Kapitalismus lässt immer noch ein wenig auf sich warten. Die tiefe Krise dieses Systems hat  jedoch das laute Geschwätz vom „Ende der Geschichte” ganz leise werden lassen. Sie bietet die Möglichkeit eines Neuaufschwungs des Kampfs für eine demokratische Alternative zu Kapitalismus, Krieg, Umweltzerstörung, Ausbeutung und Unterdrückung.

Eine solidarische Welt erfordert eine direkte, sozialistische Demokratie. Sie kann nur durch eine große und konsequente Massenbewegung der arbeitenden Klasse erkämpft werden. Ihre Entwicklung nach Kräften zu fördern, ist die zentrale Herausforderung für die IV. Internationale. Heute wie bei ihrer Gründung vor 75 Jahren.
Die einleitenden Worte der VeranstalterInnen unterstrichen deshalb, dass Tradition nicht das Bewahren der Asche, sondern das Entfachen eines neuen Feuers ist.
Aktualität
Einen weiten Bogen von der Gründungskonferenz 1938 bis zur heutigen Zeit spannte Jan Malewski (Paris) für das Internationale Büro der IV. Internationale. Er erinnerte nicht nur an den Überlebenskampf der neugegründeten Organisation in der „Mitternacht des [20.] Jahrhunderts”, sondern skizzierte sehr fundiert ihr wesentliches programmatisches Erbe und dessen anhaltende Aktualität. Politische Unabhängigkeit der ArbeiterInnenbewegung vom bürgerlichen Staat und seinen Institutionen, die demokratische Verfasstheit ihrer Organisationen sowie eine national und international anwendbare Strategie von Übergangsforderungen im Zusammenspiel mit einer Einheitsfront-Taktik sind nach wie vor wesentliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche antikapitalistische und revolutionäre Politik.
Geschichte
Die Projektion eines Dokumentarfilms über die IV. Internationale aus den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts ermöglichte einen kritischen und gleichzeitig eindrucksvollen Rückblick auf die historischen Wurzeln, das Entstehen und das Wirken unserer Organisation vor allem in der Zeit nach dem Mai 1968. Das in den Streifen eingefügte Interview mit Ernest Mandel, einem der Köpfe der IV. Internationale dieser Zeit, half, die Bedeutung einer lebendigen sozialistischen Rätedemokratie und einer radikalen Arbeitszeitverkürzung auf 20-Wochenstunden als eine ihrer grundlegenden Voraussetzungen besser zu verstehen.
Internationalismus
Manos Skoufoglou (Athen) vermittelte den TeilnehmerInnen einen konkreten Eindruck von den sozialen und politischen Auseinandersetzungen in Griechenland. Er ski
zzierte sowohl die Verheerungen der Troika-Politik als auch den Aufstieg der braunen Pest in deren Schatten. Der rote Faden seiner Ausführungen reichte vom Entstehen der griechischen Linken Opposition 1928 bis zum heutigen Wirken unserer Schwesterorganisation OKDE-Spartakos. Ohne einen praktisch wahrnehmbaren revolutionären Pol wie ihn Antarsya im Unterschied zu Syriza aufbauen will, so sein Fazit, wird es keinen Ausweg im Interesse der arbeitenden Klasse und der Unterdrückten geben.
Eine interessante und informative Darstellung der Entwicklungen in Pakistan gab Sherpa, ein Genosse unserer dortigen Organisation. Die radikale Linke spielt in dem asiatischen Land eine aktive Rolle im Klassenkampf. Durch den Zusammenschluss verschiedener linker Organisationen zur Awami Workers Party versucht sie, ihre Kräfte noch besser zu bündeln. Ihre zentrale Herausforderung ist es, die ArbeiterInnen politisch zu bilden, sie zum Klassenkampf zu ermutigen und sie in Partei und Gewerkschaften zu organisieren.
Kultur
Nach derart viel Politik kam am Abend  linke Kultur zum Zuge. Das Duo Bernd Köhler (Gesang, Gitarre) und Blandine Bonjour (Gesang, verschiedene Instrumente) brachte die Stimmung im Saal zu einem großartigen Höhepunkt. Die keineswegs verstaubte, sondern spannende und phantasievolle Interpretation von Klassikern wie „La Lega“ („Der Bund“) oder „Die Internationale” bis hin zu neueren Chansons wie George Moustakis „Sans la nommer“ („Ohne sie zu nennen“) – einer Hymne auf die permanente Revolution – ließ die Entwicklung des Liedgutes der ArbeiterInnenbewegung eindrucksvoll Revue passieren.
Sehr bewegend war, dass es Bernd und Blandine nicht nur gelang, die KonferenzteilnehmerInnen zum Mitsingen zu gewinnen, sondern dass sie dem spontanen musikalischen Mitwirken unseres griechischen und des pakistanischen Genossen Raum gaben. Ein wunderbares Erlebnis, das zeigt welche Kraft in unserer Musik verborgen ist!
Organisationsfragen
Die Fortsetzung der Konferenz am zweiten Tag ermöglichte aktuelle Debatten über die weitere Entwicklung unserer Internationale. 75 Jahre nach ihrer Gründung  kann die „Vierte“ derzeit nicht nur in Asien, sondern auch in anderen Erdteilen eine relativ bedeutende Stärkung durch Kräfte verzeichnen, deren Wurzeln zum Teil sogar außerhalb ihrer eigenen Tradition liegen.
Alan Thornett (London) identifizierte in seinem Beitrag zur „Vierten Internationale und ihren Schwerpunktsetzungen für das 21. Jahrhundert” vier von ihm als Schlüsselfragen bezeichnete Themen.
Erstens die Beibehaltung und Weiterentwicklung der offenen und demokratischen Strukturen der Internationale, um neue Kräfte anziehen zu können. Zweitens müsse der Beschluss des letzten Weltkongresse zur Umweltkrise mehr als bisher in unsere praktische Arbeit als ÖkosozialistInnen eingebunden werden. Drittens sei es erforderlich, als Antwort auf die Rechtsentwicklung der Sozialdemokratie den Kampf für den Aufbau breiter Anti-Austeritäts-Parteien wie die griechische Syriza und die Bildung entsprechender linker Regierungen zu verstärken. Und nicht zuletzt müssten wir die „Vierte“ feminisieren und die Frauenbefreiung in das Zentrum aller unserer Aktivitäten stellen.
Arbeitsgruppen
Die anschließende Möglichkeit, in einer Arbeitsgruppe die bisher aufgeworfenen Fragen durchaus kontrovers zu diskutieren, wurde in solidarischer Art und Weise von vielen KonferenzteilnehmerInnen gerne genutzt.
In einer parallel dazu angebotenen zweiten Arbeitsgruppe tauschten sich GenossInnen aus den Organisationsbereichen der IG BCE, der IG Metall und von ver.di über die aktuellen Herausforderungen revolutionärer Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit aus. Dies hat nicht nur ein besseres gegenseitiges Kennenlernen ermöglicht, sondern auch eine Verbesserung unserer gemeinsamen Praxis in der Zukunft.

Fazit
Viele sehr positive, teilweise sogar begeisterte Rückmeldungen nach dem Ende der Veranstaltung lassen darauf schließen, dass unter dem Strich ein dickes politisches Plus steht.
Zu diesem sehr erfreulichen Ergebnis hat nicht zuletzt das große Engagement der freiwilligen HelferInnen im Küchenteam beigetragen, das sich hervorragend um das leibliche Wohl der Anwesenden kümmerte.
Es spricht alles dafür, am guten Erfolg dieser Konferenz in Zukunft anzuknüpfen und das praktische, in der arbeitenden Klasse wirksame gemeinsame Handeln revolutionärer SozialistInnen national und international zu verstärken.

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