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Innenpolitik

Enttabuisierung der Folter

Von Trixi Blixer | 01.02.2005

Wolfgang Daschner, ehemaliger Vize-Präsident der Polizei in Frankfurt a. M., gab die Anweisung dem Tatverdächtigen des entführten Kindes Jakob von Metzler mit Folter zu drohen, um den Ort des Verstecks herauszufinden. Zur Ausführung der Folterung kam es lediglich deshalb nicht mehr, weil der Verdächtige den Ort schon bei Androhung der Gewalt preisgab.

Am 1. Oktober 2002 ließ Wolfgang Daschner dem Tatverdächtigten Magnus G. mit körperlichen Schmerzen drohen, sollte er nicht einen Hinweis auf den Aufenthaltsort des entführten Bankierssohnes geben. Seitdem ist die Diskussion, Folter wieder als Mittel der polizeilichen Untersuchungsmethode zuzulassen, auch in der BRD angekommen. In den USA wird schon seit dem 11. September 2001 in juristischen und rechtskonservativen Kreisen die Forderung laut, Folter von Verdächtigen und Strafgefangenen „unter gewissen Umständen“ zu rechtfertigen.
Die Argumente der Folterbefürworter-Innen, darunter auch Professoren aus Harvard wie Alan Dershowitz, sind denkbar einfach: Menschenverachtende Verhörmethoden sind dann nicht mehr tabu, wenn durch sie angeblich Menschenleben gerettet werden können. Ähnlich folgt im deutschen Fall Daschner auf die Argumentation die Forderung, die folternden ErmittlerInnen durch eine Legalisierung der Folter vor einer Strafverfolgung zu schützen.
Geert Mackenroth, Vorsitzender des Deutschen Richterbundes, denkt sogar laut darüber nach, dass „Fälle vorstellbar [seien], in denen auch Folter oder ihre Androhung erlaubt sein können, nämlich dann, wenn dadurch ein Rechtsgut verletzt wird, um ein höherwertiges Rechtsgut zu retten.“ (BZ Online). Auch Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) betonte in Phoenix, dass – wenn durch Terroristen eine Gefahr für eine Vielzahl von Menschen drohe – man auch über Folter nachdenken müsse.

Präzedenzfall Daschner

Der emotional aufgeladene Fall Daschner stellt einen Präzedenzfall dar, denn der Polizeivize durfte mit seiner Anweisung mit viel Verständnis rechnen. Schließlich habe er alles getan, um das Leben eines unschuldigen Kindes zu retten. Offiziell stelle sich auch der Frankfurter Polizeipräsident Harald Weiss-Bollandt hinter ihn, indem er erklärte: „Ich billige das Verhalten meines Stellvertreters in vollem Umfang.“ (www.stop-torture.de), obwohl Daschner seine Anweisung, mit Schmerzen zu drohen, als verbindlichen Befehl verstanden hat. Nachgewiesen werden kann das daran, dass Daschner seine Anweisung genauestens in einer Aktennotiz festgehalten hat. Demnach befahl er, den Verdächtigen „nach vorheriger Androhung unter ärztlicher Aufsicht durch Zufügung von Schmerzen erneut zu befragen“ (Junge Welt).
Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Richter zeigten im darauffolgenden Verfahren gegen Daschner und einen der ausführenden Beamten viel Verständnis für den Ermittler. Der Staatsanwalt Wilhelm Möllers blieb mit seiner Strafforderung deutlich unter dem gesetzlichen Strafrahmen, denn eigentlich wäre eine Haftstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren vorgesehen. Zu Gunsten Daschners wertete Möllers, dass er aus ehrenwerten Motiven gehandelt habe. Entsprechend verhängte das Landgericht nur eine milde Geldstrafe. Damit darf sich Daschner trotz Verstoß gegen Grundgesetz, Menschenrechtskonvention und Strafgesetzbuch weiterhin als „unbestraft“ bezeichnen. Bei soviel Verständnis ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass Daschner wiederholt verkündete, in vergleichbaren Situationen erneut so zu handeln.

Funktion Folter

Mit dem Fall Daschner und vor allem mit den öffentlichen Reaktionen auf den Strafrechtsbruch ist klar, dass es bei der Folterandrohung gegen Markus G. um einen Testballon ging. Folter und die Androhung von ihr sollen wieder als ein Instrument staatlichen Handelns gebilligt und als gerechtfertigt angesehen werden. Zukünftig sollen Foltermaßnahmen eben nicht nur im Verborgenen, sondern auch in der Öffentlichkeit möglich sein. Durch die Emotionen, die mit einer Kindesentführung verbunden sind, konnte sich Daschner und das Frankfurter Polizeipräsidium als moralisch im Recht aber (noch) strafrechtlich im Unrecht präsentieren. Die darauffolgende Debatte, in besonders schweren Fällen Folter doch zu legalisieren, verläuft analog zu den Diskussionen in den USA oder Israel. Mit der Behauptung, Menschen zu retten, zählen die gefangenen Menschen nicht mehr viel. Im relativ strafverfolgungsfreien Raum Guantanamo oder dem besetzten Irak zählen auch internationale Menschenrechtsabkommen nicht mehr viel, Folter ist hier zum normalen Alltag der Sieger über eine besiegte Bevölkerung geworden.
Jedes Anzeichen, körperliche oder psychische Gewalt wieder zu einem probaten Mittel polizeilicher Untersuchungsmethoden zu machen, ist abzulehnen. Einmal eingeführt, werden sie schnell ausgeweitet und richten sich gegen die erkämpften Rechte, die auch einE StrafgefangeneR haben muss!

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