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Feminismus

Entlohnung: Eine tiefe Kluft zwischen den Geschlechtern

Von Petra Stanius | 11.04.2015

Nicht nur der Internationale Frauentag fällt in den Monat März: Am 20. März ist Equal Pay Day. Der Equal Pay Day symbolisiert den Verdienst­unterschied zwischen Frauen und Männern: 79 Tage müssten Frauen rein rechnerisch im Jahr 2015 länger arbeiten als ihre männlichen Kollegen, um auf den gleichen Lohn zu kommen. Was steckt hinter dieser Zahl?

Laut Statistischem Bundesamt liegt der Unterschied im durchschnittlichen Bruttostundenlohn von Männern und Frauen seit Jahren bei etwa 22 Prozent. Fast alle Länder der EU sind weiter als die BRD, was die Herstellung von Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen betrifft. Die durchschnittliche Lücke zwischen Männer- und Frauenlöhnen liegt in der EU bei „nur“ 15 Prozent.

Die Entgeltlücke kommt nur zum Teil dadurch zustande, dass Frauen für die gleiche Tätigkeit weniger Geld bekommen als Männer. Die traditionellen Rollenbilder sind immer noch in den Köpfen verankert. Frauen werden als „Dazuverdienerinnen“ eingestellt und entsprechend schlecht entlohnt. Durch die abnehmende Tarifbindung wird solch eine Praxis begünstigt. Im Schnitt beträgt der Lohnunterschied schon beim Eintritt in den Beruf unter vergleichbaren Ausgangsvoraussetzungen 8 Prozent. Tendenziell gilt: Je höher die Qualifikation, desto höher ist die Lohndifferenz bei der gleichen Tätigkeit.

Die Schlechterstellung von Frauen im Arbeitsleben hat ihre Ursache in ihrer Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts, geschieht jedoch im Wesentlichen indirekt. Auch hier spielen die traditionellen Rollenbilder eine Rolle: Sie spiegeln sich unter anderem in der Berufswahl von Mädchen in einer entsprechenden gesellschaftlichen Arbeitsteilung und im Steuer- und Sozialrecht wider.

„Frauenberufe“

Sowohl bei den unterschiedlichen Berufsfeldern als auch bei den verschiedenen Branchen gibt es erhebliche Unterschiede hinsichtlich der gezahlten Gehälter. Nach wie vor tendieren Mädchen zu den schlecht bezahlten „frauentypischen“ Berufen. Bei der Studienwahl sieht es nicht anders aus.

Deutlich mehr Frauen als Männer arbeiten in der Branche der sonstigen Dienstleistungen. Umgekehrt sind überwiegend Männer im verarbeitenden Gewerbe vertreten. Letzteres zeichnet sich – ganz im Gegensatz zu ersterem – durch hohe Durchschnittslöhne aus.

Ob die ungleiche Bezahlung durch objektive Kriterien gerechtfertigt ist, steht auf einem anderen Blatt. Die zu 80 Prozent weiblichen Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst führen in ihrer Kampagne zur diesjährigen Tarifrunde überzeugende Argumente an, warum die sozialen Berufe aufgewertet werden müssen (siehe www.soziale-berufe-aufwerten.de).

Hausarbeit ist weiterhin eher Frauensache. Im Schnitt verbringen Frauen täglich zwei Stunden mehr mit dieser unbezahlten Arbeit als Männer, denen dadurch mehr Zeit für andere Tätigkeiten bleibt.

68 % der Frauen in der BRD sind erwerbstätig. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) stellt Anfang 2013 aber fest, dass in Deutschland junge Frauen weniger auf dem Arbeitsmarkt präsent sind als Männer, obwohl sie – anders als vor 20 Jahren – die bessere Ausbildung haben. Die OECD macht die hohe Teilzeitquote von Frauen in Deutschland für die Hälfte des Lohnunterschieds zwischen Männern und Frauen verantwortlich. Die hohe Teilzeitquote wiederum hängt mit der im internationalen Vergleich geringen Betreuungsquote der unter Dreijährigen zusammen. Insbesondere Mütter arbeiten in der BRD in Teilzeit. Zum Vergleich: In Frankreich, wo der Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern bei etwa 11 Prozent liegt, arbeiten laut der Studie 26 Prozent der Mütter zwischen 25 und 54 Jahren in Teilzeit. In Deutschland sind es 62 Prozent.

Nicht vereinbar: Beruf und Familie

Teilzeitarbeit wird nicht nur von vorne herein meist schlechter bezahlt, sondern stellt häufig auch eine berufliche Sackgasse dar. Das gilt ganz besonders für Minijobs. Dies führt dazu, dass der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen mit steigendem Alter immer größer wird. Bei den über 40jährigen ist die Lücke drei Mal so groß wie bei jüngeren Erwerbstätigen.

Dass es meist die Frauen sind, die sich um Kindererziehung und pflegebedürftige Angehörige kümmern, liegt sicherlich an den traditionellen Rollenbildern und der ihnen hierüber zugeschriebenen besonderen Kompetenz für diese Arbeiten – aber nicht nur. Deutschland ist das einzige OECD-Mitglied, das mit seinem Steuer- und Sozialsystem Einverdienerhaushalte mit schulpflichtigen Kindern klar bevorzugt. Es liegt nahe, auf das niedrigere Einkommen der Frau zu verzichten. Durch die Reformierung der Elternzeit stieg im 2. Halbjahr 2012 die Zahl der Väter, die eine Auszeit nahmen, auf 25 Prozent an. Dies zeigt, dass die materiellen Bedingungen bei der Entscheidung, wer die Sorgearbeit übernimmt, eine große Rolle spielen. Die Einführung des Betreuungsgeldes, das bei Verzicht auf einen Kita-Platz ausgezahlt wird, wirkt wieder in die entgegengesetzte Richtung. Unterbricht frau ihre Erwerbstätigkeit, um sich ganz der Kinderbetreuung – oder auch der Pflege – zu widmen, so wird mit jedem Jahr der Erwerbsunterbrechung ihre Einkommensperspektive schlechter.

Der Frauenanteil in Führungspositionen in der Privatwirtschaft liegt derzeit zwischen 27 und 30 Prozent und hat sich damit in den vergangenen Jahren nur leicht erhöht. Frauen sind hauptsächlich als Vorgesetzte auf den niedrigen Managementebenen tätig. Nach Vollendung des 35. Lebensjahres nehmen sie nach dieser Studie deutlich seltener Führungsaufgaben wahr. Dass Frauen in deutlich geringerem Maße leitende Tätigkeiten ausüben als Männer, drückt sich in niedrigeren Durchschnittseinkommen aus. Die Gründe hierfür liegen in fehlender Unterstützung durch das Unternehmen, geringer Akzeptanz durch Vorgesetzte und mangelnde Akzeptanz durch Kollegen, vor allem aber in der fehlenden Vereinbarkeit von Berufs- und Familiensituation, den klassischen Rollenbildern und den fehlenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten.

Noch deutlicher: die Einkommenslücke

Die Lohnlücke, die sich bereits zu Beginn des Erwerbslebens der Frauen auftut und im Laufe des Lebens im Regelfall größer wird, schlägt sich in weiteren Faktoren nieder. Der niedrigere Lohn führt zu niedrigeren Lohnersatz­leistungen und niedrigerer Rente. Ist frau selbständig, ist der Einkommensunterschied noch größer. Bei den freien Berufen liegt er bei 63 Prozent – und ist damit in der BRD fast doppelt so hoch wie der OECD-Durchschnitt. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin hat anhand der Einkommensteuerstatistik 2007 eine Studie erstellt, die dies berücksichtigt und zu dem Ergebnis kommt, dass Frauen im Durchschnitt nur die Hälfte des Einkommens der Männer erzielen. An den Kapital- und Vermietungseinkünften liegt dies übrigens nicht. Bei diesen sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern relativ gering.

Bislang gibt es kaum Möglichkeiten, die Gleichstellung der Geschlechter bei der Entlohnung durchzusetzen. Es fehlen verbindliche Frauenquoten mit der Möglichkeit, sie mithilfe von Sanktionen durchzusetzen. Es fehlt ein flächendeckendes
qualitativ hochwertiges und erschwingliches Betreuungsangebot, um Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Es fehlen Steuer- und Sozialgesetze, die die Gleichstellung von Mann und Frau fördern. Und nicht zuletzt ist eine Neubewertung – und damit Aufwertung – von Frauenarbeit erforderlich. Dies ist nicht nur eine Frage der längst fälligen Wertschätzung dieser Arbeit, sondern auch eine zweckmäßige Maßnahme gegen die drohende Altersarmut von Frauen.

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