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Innenpolitik

Elite-Bildung

Von Erik | 01.02.2004

Die Regierung beginnt das neue Jahr bildungspolitisch mit einer “Innovationsoffensive”, einer “gewaltigen  Kraftanstrengung” im Sinne der Agenda 2010. Es geht wieder einmal um den Standort Deutschland, genauer den Wissenschaftsstandort. Um den zu retten bzw. international wettbewerbsfähig zu machen, sollen in sechs Jahren bis zu zehn sog. Elite-Universitäten das akademische Humankapital produzieren, das bisher eher im Ausland gebildet wird.

Die Regierung beginnt das neue Jahr bildungspolitisch mit einer “Innovationsoffensive”, einer “gewaltigen  Kraftanstrengung” im Sinne der Agenda 2010. Es geht wieder einmal um den Standort Deutschland, genauer den Wissenschaftsstandort. Um den zu retten bzw. international wettbewerbsfähig zu machen, sollen in sechs Jahren bis zu zehn sog. Elite-Universitäten das akademische Humankapital produzieren, das bisher eher im Ausland gebildet wird.

Bereits die Wortwahl spricht Bände: Elite bedeutet wörtlich Auslese. Die Frage drängt sich auf und beantwortet sich für eifrige Beobachtende der vergangenen neoliberalen Kraftanstrengungen eigentlich von selbst: wer liest nach welchen Kriterien aus dem Gesamtangebot das beste aus? Die Antwort lautet: Der Markt bzw. dessen mächtigste Akteure aus dem Dunstkreis des Kapitals! Der Standort und seine Bedürfnisse geben vor, in welche Richtung die Kraftanstrengung in Forschung und Lehre wirken darf, wo Elite gebildet werden soll: neue Technologien, Jura und Ökonomie werden ebenso wie andere profitabel verwertbare Disziplinen gepusht. Sozial- und Kulturwissenschaften, jüdische Studien oder Gender-Studies u. a. dagegen um so weniger.
An den Elite-Unis soll nun effizienter geschehen, was die herkömmliche Universität nicht mehr zur Zufriedenstellung leistet: Das Wissen verwertbarer Wissenschaften soll im Studium mit einer Elite der SchulabgängerInnen kombiniert werden. Das so gebildete wissenschaftliche Humankapital soll im Anschluss entweder an die Wirtschaft abgegeben werden oder an privaten oder staatlichen Instituten durch Forschung dem Fortschritt, der wiederum möglichst verwertbaren Wissenschaft, dienen. Abitur und Numerus Clausus sorgen auch an der bisherigen Uni für die Schaffung elitärer Arbeits- oder Führungskräfte. Vor dem Hintergrund verschärfter Weltmarktkonkurrenz, ideologisch als Globalisierung in aller Munde, reicht dieses alte System nun nicht mehr aus: die Wissenschaft wird also reformiert.

Neoliberale Wissenschaftspolitik

Diese fast monokausal anmutende Interpretation der gegenwärtigen neoliberalen Wissenschaftspolitik mag zunächst unbefriedigend wirken: Zu schlicht gestrickt scheint eine Erklärung der Inhalte und Bedingungen von Forschung und Lehre allein aus dem gegenwärtigen Verwertungsinteresse des Kapitals. Allein: Ein Blick in das Fan-Magazin der neoliberalen Allround-Reform Agenda 2010, in den Spiegel 3/2004 nämlich, bestätigt den hier behaupteten Zusammenhang: dies alles geschieht im Dienste der Standortsicherung. Konkurrenz sowie Geldverhältnisse sollen die Beziehungen der Menschen weitestmöglich bestimmen, auch im vermeintlichen akademischen Elfenbeinturm: Erfolgreich ist, was Drittmittel, also private Spendengelder, einbringt. “Leistungsabhängige” Bezahlung der Dozierenden soll Effizienz in der Lehre fördern. Effizienz muss dafür quantifizierbar und meßbar werden. Was nicht quantifizierbar ist, sich nicht verwerten lässt, hat auf diesem Marktplatz nichts zu suchen. Der Warencharakter der Wissenschaft unter kapitalistischen Bedingungen wird nicht nur freigelegt – er wird zur Richtschnur für die angestrebte Norm: Bildung als Dienstleistung. Der Kunde ist König: “Ich fühle mich wie eine umschmeichelte Kundin”, so eine Studentin über ihre Studiensituation, die der Spiegel als himmlisch definiert. Na also: das Paradies auf Erden dank neoliberaler Wissenschaftspolitik. Bezahlen sie an der Kasse den Gegenwert per Studiengebühr!
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