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Innenpolitik

Eintrittsgeld beim Arzt: Politik der Abschreckung

Von Klaus E. | 01.02.2004

In seltener Einmütigkeit verabschiedeten Regierung und Opposition das, was uns Versicherten Milliarden aus der Tasche ziehen soll. Versicherte und PatientInnen werden allein im Jahr 2004 mit 8,4 Milliarden Euro zur Kasse gebeten. Das steigert sich bis 2007 auf 11,6 Milliarden Euro.

In seltener Einmütigkeit verabschiedeten Regierung und Opposition das, was uns Versicherten Milliarden aus der Tasche ziehen soll. Versicherte und PatientInnen werden allein im Jahr 2004 mit 8,4 Milliarden Euro zur Kasse gebeten. Das steigert sich bis 2007 auf 11,6 Milliarden Euro.

Erheblich glimpflicher geht es für die so genannten Leistungserbringer ab. Kassen, ÄrztInnen, ApothekerInnen und Pharmafirmen müssen zusammen 2004 nur rund 1,5 Milliarden und bis 2007 drei Milliarden Euro beisteuern. Dabei sind die Regelungen für diese Branchen erheblich allgemeiner gehalten als die für die BeitragszahlerInnen.

Konkret: Seit 1. Januar wird beispielsweise pro Besuch beim Arzt eine „Eintrittsgebühr" von zehn Euro pro Quartal fällig. Das Gesundheitsministerium geht von rund 415 Millionen abgerechneten Fällen aus. Das würde den Kassen 4,2 Milliarden Euro einbringen. Dazu kommen geschätzte 75 Millionen Fälle bei den ZahnärztInnen. Das brächte weitere 800 Millionen Euro.

Dabei ist die Gebühr durchaus umstritten. GegnerInnen im eigenen Lager argumentieren, dass der Aufwand für das Eintreiben der Gebühr zu hoch sei. Da hat die Kritik nicht ganz unrecht. Allerdings übersehen sie etwas sehr Wesentliches. Der Einnahmeeffekt ist nämlich gar nicht der Hauptzweck der „Eintrittsgebühr".
Abschreckung als gesundheitspolitische Maßnahme
Die eigentliche Absicht ist es, die so genannte Ausgabenseite zu entlasten. Und da ist es am effektivsten, dass die Menschen möglichst selten zum Arzt gehen. Und deswegen handelt es sich bei der erhobenen Gebühr auch nicht um ein „Eintrittsgeld", sondern um eine Abschreck- ungsgebühr. Nicht wenige werden es sich überlegen, wegen einer (vermeintlich) banalen Erkrankung zehn Euro beim Hausarzt im Tausch für einen feuchten Händedruck und ein Rezept abzuliefern. Sie werden sich lieber selbst verarzten, was wiederum die Apothekerin ungemein freuen wird. Die kassiert dann die zehn beim Arzt gesparten Euro. Die Kasse zahlt gar nichts und spart mehr, als sie durch die Gebühr eingenommen hätte. Deshalb hoffen auch Kassen und Gesundheitsministerin insgeheim, dass der Einspareffekt erheblich höher als die anvisierten 4-5 Milliarden € sein wird.

Die langfristigen Folgen einer solchen Politik der Abschreckung liegen auf der Hand. Bei vielen Lohnabhängigen wird sich der Gesundheitszustand verschlechtern. Es wird sich auch sehr schnell herausstellen, ob die angekündigten Einsparungen erzielt und somit die Beiträge gesenkt werden. Wenn es nicht klappt, dann hat die Regierung jetzt ein neues Instrument zur Hand: sie kann die Abschreckungsgebühr anheben.
Was dahinter steckt
Auch diese Gesundheitsreform wird nicht lange Bestand haben. Sie stellt nur einen weiteren Schritt im Prozess der schleichenden Privatisierung und marktwirtschaftlichen Ausrichtung des Gesundheitssektors dar. Und Maßnahmen wie das so genannte Eintrittsgeld und die „Selbstbehalte" verfolgen noch einen weiteren Zweck: Die Menschen sollen schrittweise daran gewöhnt werden, „Gesundheitsleistungen" so einzukaufen, wie sie Kleider kaufen. Und wer das Geld nicht hat, hat Pech gehabt.

Wir sind dagegen der Meinung, dass Gesundheit ein Gut ist, welches jedem Menschen, ob arm oder reich, ob jung oder alt, zusteht. Wir sind für einen anderen Weg, als die SPD-Regierung geht: Statt Privatisierung des Gesundheitswesens und Abbau der Solidarversicherung fordern wir Gemeineigentum und Ausweitung der Solidarversicherung auf alle – mit sozialer Staffelung. Damit wären die derzeitigen Finanzprobleme mit einem Schlag gelöst. Aber das Kapital würde im Gesundheitsbereich nicht mehr so schön an der Krankheit verdienen …

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