Versprochen war: Eine „Entökonomisierung“ der Krankenhäuser durch Abschaffung des Fallpauschalensystems (DRG). Was ist tatsächlich dabei herausgekommen?
Grundzüge der Reform
Einige Dinge sind neu hinzugekommen. Eingeführt wurden Vorhaltekosten. Das sind die Aufwendungen für Personal und Material in den Krankenhäusern, die nötig sind, um auf Anforderungen vorbereitet zu sein. So z.B. muss eine Notaufnahme rund um die Uhr und jeden Tag besetzt sein, egal wie viele Notfälle nun wirklich kommen.
60 % der Kosten sollen so aus den DRGs herausgenommen werden. Für die restlichen 40 % gelten die DRGs weiter. Interessant die Kriterien, nach denen die Vorhaltekosten verteilt werden sollen: Fallschwere und Fallzahl. Will sagen: Es lohnt sich weiterhin für jedes Krankenhaus, möglichst viele Fälle der gleichen Art zu versorgen und es dabei mit möglichst komplizierten Fällen zu tun zu haben.
Das ist genau das, was an den DRGs immer als „Fehlanreiz“ kritisiert wurde. Z.B. stiegen (und steigen wohl weiterhin) die Zahlen der Eingriffe an der Wirbelsäule, ohne ausreichend medizinische Gründe.
Eine weitere Neuerung: Die Einführung von Mindestmengen. Für jede Behandlungsart („Leistungsgruppe“) die ein Krankenhaus anbietet, muss es eine minimale Fallzahl haben, ansonsten darf es diese Behandlung nicht mehr durchführen.
Und die Pflege?
Die Pflege im Krankenhaus kommt bei Lauterbachs Revolution nicht vor. Dazu hatte es eine Reform zu Zeiten des CDU-Gesundheitsministers Jens Spahn gegeben. Die Pflegekosten waren damals schon aus den DRGs herausgenommen und sogar eine Mindestausstattung mit Pflegestellen vorgeschrieben worden. Diese Reform war jedoch so gestrickt, dass sich für die Pflegekräfte nichts verbessert hat. Für Lauterbach offenbar kein Grund für Nachbesserungen.
Zu erwartende Folgen der jetzigen Krankenhausreform
Einige Folgen der Lauterbachschen Revolution: Kleine Krankenhäuser geraten in Schwierigkeiten und müssen in Zukunft häufig schließen. Für alle Menschen, die nicht gerade in einer Großstadt wohnen, werden das die Krankenhäuser in ihrer Nähe sein.
Das Krankenhaussterben ist offen verkündete Absicht dabei. Nach Ansicht der herrschenden Gesundheitspolitiker gebe es zu viele Krankenhäuser. Begründet wird das alles mit dem Ziel einer besseren Versorgungsqualität.
Was es allerdings damit zu tun hat, wenn für den Transport eines Patienten mit Herzinfarkt eine Zeit von bis zu 40 Minuten in Kauf genommen werden soll, bleibt ein Geheimnis. Die Zahlen werden wohl auch in diesem Fall stimmen: Es sterben dann weniger Patienten im Krankenhaus an einem Herzinfarkt, unter anderem deswegen, weil etliche den Transport dorthin nicht überleben.
Durch die Beibehaltung der DRGs für 40 % der Kosten und die Kriterien der Verteilung der Vorhaltekosten, wird die Konkurrenz unter den Kliniken nicht weniger. „Entökonomisierung“ hörte sich eigentlich anders an. Was an den DRG kritisiert wurde, bleibt. Zum Teil wird es sogar noch verschärft.
Hintergrund
Hintergrund ist eine Ideologie, die Markt, Wettbewerb und Privatwirtschaft für die Lösung aller Probleme hält. Dabei gab es schon mal eine Alternative, die sogar im Kapitalismus funktioniert: Das „Kostendeckungsprinzip“.
Der Haken aus Sicht der herrschenden Gesundheitspolitiker: Wenn eine Klinik nur die aufgewendeten Kosten wieder bekommt, gibt es keine Gewinne mehr. Also keinen Grund für privates Kapital, in Krankenhäuser zu investieren. Dann würden Krankenhäuser wieder zu einer staatlichen Angelegenheit. Mitsamt der Möglichkeit der Krankenhausplanung. Die Krankenhauspläne der Bundesländer, die es nach wie vor gibt, sind derzeit angesichts der Anarchie des Marktes lediglich Makulatur.
Weil das den neoliberalen Ideologen als „Planwirtschaft“ ein Dorn im Auge ist, reden sie das Kostendeckungsprinzip systematisch schlecht. So wird unter anderem die Mär verbreitet, dass zur Zeit des Kostendeckungsprinzips die Verweildauer der Patienten im Krankenhaus künstlich hochgehalten worden sei.
Schönheitsfehler dieser Argumentation: Sie ist mit der amtlichen Statistik nicht vereinbar. Die Verweildauer sank immer in gleichem Maß, ob mit oder ohne Kostendeckungsprinzip. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt …