Eigentum und Staat
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Kernfragen linker Glaubwürdigkeit

Eigentum und Staat

Von Manuel Kellner | 27.03.2025

Von allen Ergebnissen der Bundestagswahl macht neben dem Scheitern der FDP nur das unerwartet gute Abschneiden der Partei Die Linke Mut. Wenige Wochen vor dem Wahltermin ruhten die Hoffnungen noch auf der Eroberung einer genügend großen Anzahl von Direktmandaten. Auch das hat funktioniert. Vor allem aber ist eine neue Generation Jüngerer aufgetaucht, unter denen Die Linke besonders gut abgeschnitten hat. Laut Umfragen gibt es unter den noch Jüngeren, den noch nicht Wahlberechtigten, denselben neuen linken Trend, und zwar in ziemlich spektakulärer Weise.

Alles ist relativ, und der rasante Aufschwung der AfD lässt alle Alarmglocken schrillen. Zumal die anstehende Koalition aus Unionsparteien und SPD unter Merz schon jetzt – obwohl sie noch gar nicht amtiert – offensichtlich die weitere Stärkung der AfD hervorruft. Desto größer ist die Verantwortung der Partei Die Linke und ihrer Führung, die linke Glaubwürdigkeit nicht zu verspielen. Wir haben das schon zu oft und in zu vielen Ländern erlebt: einen Aufschwung der Linken, der im Sumpf der Anpassung steckengeblieben ist und neu links politisierte Generationen enttäuscht und demoralisiert hat.

Eine wichtige Botschaft der Partei Die Linke im Wahlkampf war die Kampfansage gegen die Großkapitalisten. Zum Beispiel sagte Jan van Aken, es sollte „keine Milliardäre“ geben. Was ist das in der Tat für eine Welt, in der einige Wenige immer reicher werden und in zunehmend offener und frecher Weise ihren großen Einfluss dahingehend geltend machen, dass die Ärmsten der Armen noch ärmer und sie dafür noch immer reicher werden. Gottlob scheint das einer wachsenden Zahl der Jüngeren gar nicht zu passen.

Bloß, welche Konsequenz ergibt sich daraus? Die Vorstellung einer sozusagen „gezähmten“ kapitalistischen Produktionsweise, in der es zwar Multimillionäre, aber keine Milliardäre mehr geben darf? Das ist unrealistisch. Zumal es nicht nur um superreiche Individuen geht, sondern überhaupt um die Exzesse der Kapitalkonzentration. Egal, welche Branche wir uns anschauen: Stahl, Automobile, Chemie, Lebensmittelhandel usw. usf., wenn wir an der Oberfläche eingeführter Markennamen kratzen stellen wir fest, dass nur noch ganz wenige riesige Kapitalgesellschaften sich alles unter den Nagel gerissen haben.

Darum ist dem Problem der ungeheuren und wachsenden Ungleichheit nicht allein mit Konzepten der Steuerpolitik beizukommen. Wenn alles andere unverändert bleibt, würde jede linke Regierung, die eine nennenswerte Vermögenssteuer und eine scharf progressive Einkommenssteuer einführt – sicherlich wichtige Punkte jedes linken Programms – an der internationalen Konkurrenz zerschellen. Nötig ist ein Bruch mit den herrschenden Eigentumsverhältnissen: Die Vergesellschaftung der entscheidenden großen Produktionsmittel, Banken und Versicherungen. Vergesellschaftung bedeutet Verstaatlichung kombiniert mit umfassender demokratischer Kontrolle durch die Beschäftigten und Konsument°innen.

Da die kapitalistische Produktionsweise auf dem besten Weg ist, die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen und verbliebene lebenswerte Perspektiven zu zerstören, muss an die Stelle der Jagd nach größtmöglichem Profit eine demokratisch geplante gemeinwirtschaftliche Ordnung treten, mit Selbstverwaltung unten und demokratischen Richtungsentscheidungen über die Prioritäten bei den großen Investitionen. Aber Momentchen mal, wäre das nicht ein anderer Staat?

Das wäre wirklich ein anderer Staat. Die Partei Die Linke wäre gut beraten, sich dazu zu bekennen: Ja, wir wollen einen anderen Staat! Einen Staat, der nicht eine Bande von Verschwörern zugunsten des Großkaptals und der Superreichen und zu Lasten der Beschäftigten und Benachteiligten wäre. Einen Staat, der nicht nur die demokratischen Grundrechte garantiert, sondern auch Verhältnisse schafft, in denen alle an den demokratischen Entscheidungsprozessen teilhaben können. Einen Staat, der systematisch daran arbeitet, alle Herrschaft von Menschen über Menschen zu überwinden. Einen Staat schließlich, der nach Kräften den Zusammenschluss und die Zusammenarbeit aller Beschäftigten und Benachteiligten weltweit betreibt.

Und dieser Staat ist nicht ein Traum, geträumt aus rotem Mohn, denn im Keim gibt es ihn doch schon: überall da, wo Menschen sich gegen Ausbeutung und Unterdrückung gemeinsam zur Wehr setzen und sich dabei selbst demokratisch – und wehrhaft – organisieren.

„Diese Prozesse wollen wir fördern, mit allem, was wir in Parlamenten, Betrieben und Stadtvierteln tun!“ So spricht eine selbstbewusste glaubwürdige Linke. Nur so kann sie der scheinaufmüpfigen extremen Rechten das Wasser abgraben. Als Teil der etablierten bürgerlichen Politik zu agieren und zu erscheinen begünstigt hingegen die extreme Rechte und vernichtet die neuen linken Hoffnungen.

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