TEILEN
Kultur

Doping: Schwarze Schafe oder Eisberg?

Von Walter Wiese | 01.10.2007

Das Thema ist momentan in vieler Munde. Ist doch gerade die Sommerzeit die „Sportzeit“ schlechthin: Leichtathletik, Radfahren… Die Berichterstattung ist entsprechend ausgeweitet, wenn sich nicht gerade mal die öffentlich-rechtlichen TV-Sender ARD und ZDF kurzfristig moralisch empören und die Berichterstattung abbrechen (so bei der Tour de France). Es ist offensichtlich – im wahrsten Wortsinn – dass sich vor unseren Augen Sport abspielt.

Das Thema ist momentan in vieler Munde. Ist doch gerade die Sommerzeit die „Sportzeit“ schlechthin: Leichtathletik, Radfahren… Die Berichterstattung ist entsprechend ausgeweitet, wenn sich nicht gerade mal die öffentlich-rechtlichen TV-Sender ARD und ZDF kurzfristig moralisch empören und die Berichterstattung abbrechen (so bei der Tour de France).

Es ist offensichtlich – im wahrsten Wortsinn – dass sich vor unseren Augen Sport abspielt. Alle wollen sie ExpertInnen sein und doch weiß mensch nicht: Geht es beim Doping „nur“ um „schwarze Schafe“ oder um einen nur zu einem Siebtel sichtbaren „Eisberg“?

In der hiesigen Leistungsgesellschaft zu leben haben gewiss die meisten Menschen positiv für sich akzeptiert, was bedeutet, dass Anerkennungen und Bewertungen sowie soziale Positionen im System der Über- und Unterordnung nach „Leistung vergeben werden“ (Meyers Lexikon). Hierarchien sind anerkannt und ihr Vorhandensein lässt auch den Umkehrschluss zu, dass dort Leistung vollbracht wurde und wird. Und dieses gilt auch im Sport.

Wer also nach oben will („weiter will“), muss Leistung bringen. Im Sport werden hoffnungsvolle Talente entweder hierauf angesprochen oder sie wissen es selbst: Leistungssteigerung ist angesagt, denn es geht nicht darum, dass viele hohe Leistungen vollbringen, sondern dass über die Konkurrenz gesiegt wird. Dies geschieht zunächst mittels „Nahrungsergänzungsmittel“, die sich aber auch nicht als das beste, sprich: wirksamste Mittel erweisen. Es gibt dann die Steigerung, die „Doping“ genannt wird.

Dieser Begriff ist negativ besetzt. Wer solche Mittel einnimmt und seine Leistung nicht trainingsbedingt erhöht, handelt unfair. Es gibt bestimmt Grauzonen; jedoch ist die Überschreitung des Erlaubten dann gewiss, wenn der Sportler es heimlich tut.
Er macht es aber nicht allein und ohne Mitwissen Dritter, denn er ist ja ganz selten medizinisch so bewandt, dass er unvermittelt an die Stimulanzien herankommt. So hat sich auf diesem Gebiet eine Medizinerschaft (und Chemikerschaft) gebildet, die gegen „gutes“ Geld dem Suchenden hilft. So soll Ullrich „seinem Arzt“ ca. 30 000 Euro  gezahlt haben.

Solche Menschen betreiben den Sport als Beruf. In diesem ‚Brot‘erwerb stecken natürlich viele Risiken. Aber Erfolge führen nicht nur zu Siegprämien (Dem Sieger der Golden League des Internationalen Leichtathletikverbandes winkt eine Siegprämie von 1 Mio. $). Woher kommt das Geld? Der Blick auf die Web-Site der Golden League mit den Hauptsponsoren gibt eine Antwort!
Es gibt aber auch den direkten Zugang der Sportler zu einem Sponsor. Dieser ist der Heilige St. Martin der bürgerlichen Gesellschaft und hat aus Eigennutz ein Interesse an der Förderung von Sportarten und Sportlern. Man kann das auch leicht an den vielen Firmenlogos auf den Sportbekleidungen erkennen (s. Skiläufer). Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass mittels des erfolgreichen Sportlers positiv über den Sponsor gedacht wird.

Wie natürlich auch „negative“ Kommunikation entstehen kann: Vom gedopten Sportler ist Abstand zu nehmen und mit ihm auch von demjenigen, der sich positiv auf ihn bezieht (was ja mittels der PR geschieht). Aber auch hier gibt es Grauzonen, denn die Dopingsünder fallen nicht alle gleich ins Loch. Bereuen sie ihre „Missetat“, ist das Publikum  wieder zum Jubeln bereit. Es bleibt jedoch eine Verunsicherung: Worauf die Doper setzen und was sie zur Lüge treiben lässt, ist die geringe Wahrscheinlichkeit, dass ihr sportliches Fehlverhalten als solches erkannt wird. Genau dieses ist es, was der Zuschauer weiß. Die Hoffnung, der Sportler sei ehrlich, verdrängt die Furcht vor dem Verlust einer vermeintlich moralisch integeren Autorität, an der man mittels Projektion hängt.

Die Sponsoren geben jährlich viel Geld für die Werbung aus. Von Telekom wird ein Betrag von ca. 15 Mio. Euro für den Radsport genannt. Dabei gilt die PR dort als relativ kostengünstig, weil man für wenig Geld häufig erwähnt wird. Und für diese Erwähnung sorgen z.B. die TV-Übertragungen, die ansonsten die Sache schlapp aussehen lassen. Sie sind wiederum vertraglich an Veranstaltungen gebunden, so dass die von den TV-Verantwortlichen laut geäußerten Überlegungen, wegen der Dopingfälle auszusteigen, wenig überzeugend wirken. Sie haben jetzt den richtigen Argumentationsweg (sprich: die richtige Rechtfertigung) gefunden, im Geschäft der Sportübertragungen zu bleiben: In der Leichtathletik z.B. werde nicht systematisch gedopt (FR. vom 22.08.07), deswegen ist kein Ausstieg für ARD und ZDF bei der WM 2007 im Fall von Doping vorgesehen. Da haben sich die relativierenden Realisten durchgesetzt!

Erinnern wir uns: Zu Beginn der Bandenwerbung in der Fußball-Bundesliga (es ist lange her!) gab es anlässlich einer vorgesehenen Live-Übertragung deshalb plötzlich eine Weigerung der ARD, diese zu übertragen. Heute lacht man drüber, da man ja im Geschäft ist.

Was hat das Ganze mit Sport zu tun? Er ist zur Trägerwelle verkommen, die den Kommerz transportiert, und hat damit die endgültige Form in der bürgerlichen Gesellschaft erhalten: Alle Beziehungen werden zu Warenbeziehungen. Und deshalb müssen wir davon ausgehen, dass wir beim Doping heute nur die Spitze des Eisbergs sehen.

Artikel teilen
Kommentare auf Facebook
Zur Startseite