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Innenpolitik

Die Wahlalternative … oder das Ende der Klasse?

Von Walter H. | 01.03.2005

Prinzipielle Kritik ist in der Linken selten geworden, aber die Positionierung der Partei Arbeit und soziale Gerechtigkeit – die Wahlalternative (ASG) und die damit verbundenen Enttäuschungen und Illusionen setzen eine solche Kritik auf die Tagesordnung.

Zum Kern der ASG gehören alternative Wirtschaftswissenschaftler und Redakteure der Zeitschrift Sozialismus, dem Leib-und-Magen-Organ linker Gewerkschaftsbürokraten. Besagte Zeitschrift um J. Bischoff und den VSA-Verlag verstehen sich aber seit Jahrzehnten als Gralshüter der Klassenanalyse (s. Bischoff u.a. Jenseits der Klassen? – S. 209/ Vom Nutzen der Klassentheorie, 1982).
Im Programmentwurf taucht die kapitalistische Wirtschaftsordnung erst auf Seite 17 auf! Nun gilt es als Binsenweisheit unter Linken, dass die Geschichte aller bisherigen Gesellschaften die Geschichte von Klassenkämpfen ist. Seien es die Sklavenrevolten der Antike, die Bauernaufstände im klassischen Orient, die Kämpfe zwischen Adel und Bürgertum, zwischen Bourgeoisie und Proletariat, usw., usf.. Mit schönster Regelmäßigkeit findet in der Geschichte der „Krieg der Klassen” (Jack London) statt.
Konnte mensch zur Zeit des sozialen Wirtschaftswunders auf ein Ende dieser Kämpfe hoffen, dann ist es Ausdruck eines tiefen politischen Opportunismus im dritten Jahrzehnt des Neoliberalismus, der nichts anderes ist als ein Klassenkampf von oben, die Existenz von Klassen zu bagatellisieren oder ganz zu negieren. Das befestigt nur die bürgerliche Herrschaft! Es sollen letztlich die „Lebensbedingungen der Menschen positiv beeinflusst werden” (FR 24.1.05) Wie? Wahrscheinlich verbilligte Kinobesuche für die Hartz IV-Opfer oder kostenlose Kinderwindeln für alle allein erziehenden Mütter.

Der Staat – das klassenneutrale Wesen?

It’s the same old story – wie hältst Du es mit dem Staat? Der bürgerlichen Ideologie zufolge sind „wir alle” der Staat. Dazu passt dann ein als Patriotismus geschönter Nationalismus, der dann „den Standort Deutschland” und „unsere Interessen am Hindukusch” verteidigt. Bekanntlich ist der Staat aber dazu da, die Produktionsverhältnisse und die Klassenherrschaft aufrecht zu erhalten. Dazu erfüllt er seine Hauptfunktionen, repressiver, technischer und integrierender Art (Ideologie). Nachzulesen ist dies unter anderem in den Texten von Gramsci oder Lukacs, die ganz ohne Zweifel auch der Redaktion von Sozialismus bekannt sind. Im Spätkapitalismus ist dies von einer Tendenz zum starken Staat begleitet, der im Übrigen das Parlament zu Gunsten der Staatsverwaltung entmachtet. Die zunehmende innere Aufrüstung, für die Otto Schily persönlich steht, und die Militarisierung der Außenpolitik sind hier sinnlich erfahrbare Elemente bürgerlicher Herrschaft. Klassen- und Staatstheorie als Ausdruck der gesellschaftlichen Analyse mit Blick auf eine illusionäre Regierungsbeteiligung zu negieren, scheint eine sehr beruhigende Wirkung auf das Bewusstsein der führenden Mitglieder der ASGW haben.
Das Parlament – Ort der Veränderung?
Es war einmal eine Binsenweisheit, dass die „unlösbare ideologische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Kritik den Staatsapparat mit der Bourgeoisie verbindet” (Ernest Mandel). Der Parlamentarismus ist gegenüber anderen Regimes ein historischer Fortschritt, aber die politische Gleichheit ist rein formal, die wirtschaftliche und soziale Ungleichheit existiert weiter. Und dieses Parlament besteht zu 98 – 99% aus Neoliberalen, die keineswegs mit der ASG ins goldene Zeitalter des Sozialliberalismus zurückkehren wollen.
Hier werden die Pflöcke nur dann neu eingeschlagen, wenn eine starke außerparlamentarische Bewegung insbesondere in den Verwaltungen und Betrieben besteht. Aufgrund ihrer Gesamtanalyse ist es schon vorgegeben, dass die ASG-VordenkerInnen, einmal in Amt und Würden, den Weg von Schröder und Fischer beschreiten werden.

ASG – Weg in die Sackgasse

Es ist an sich begrüßenswert, wenn sich Tausende Menschen aus sozialer Empörung engagieren, aber die Ausgangspositionen dieses Projekts lassen ein Scheitern vermuten. Die „verlorenen Illusionen” (Balzac) führen zur Demoralisierung und zur Resignation vieler Menschen. Verantwortliche Politik kann das nicht tolerieren. Man denke nur an die Erfahrungen mit den Demokratischen Sozialisten (Coppik, Hansen) Anfang der 80er Jahre. Dies wurde als Niederlage für die gesamte Linke interpretiert, sehr zur Freude „des herrschenden Blocks an der Macht” (wie Gramsci so etwas in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts bezeichnete).
Jede außerparlamentarische Opposition, die die Selbsttätigkeit der ArbeiterInnenklasse fördert, bereitet der Bourgeoisie mehr Kopfzerbrechen. Der RSB wird sich der kritischen Zusammenarbeit mit der ASG nicht verschließen. Aber ein neues linkes Projekt wird nur in jahrelanger, kontinuierlicher Kleinarbeit realisiert werden. Und vor allem von Menschen die nicht auf Macht, Karriere und Geld aus sind, sondern auf emanzipatorische Praxis in konkreten Kämpfen.

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