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Die US-Präsidentschaftswahl 2004

Von Charly Post | 01.09.2004

Vor weniger als drei Jahren erfreute sich die Bush-Administration enormer öffentlicher Zustimmung. Alle Fragen zur Rechtmäßigkeit der Wahlen von 2000 verschwanden in den Nachwirkungen der Angriffe auf New York und Washington am 11. September 2001.

Vor weniger als drei Jahren erfreute sich die Bush-Administration enormer öffentlicher Zustimmung. Alle Fragen zur Rechtmäßigkeit der Wahlen von 2000 verschwanden in den Nachwirkungen der Angriffe auf New York und Washington am 11. September 2001.

Heute, etwa 3 Monate vor der Präsidentschaftswahl steckt das Bush Regime in tiefen Schwierigkeiten. Der zunehmende Sumpf im Irak, die Tatsache, das man keine „Massenvernichtungswaffen“ oder irgendwelche glaubwürdigen Verbindungen zwischen der weltlichen Diktatur Saddam Husseins und der islamisch-fundamentalistischen Al-Qaida finden konnte, die Aufdeckung der Folterungen und Demütigungen Irakischer Gefangener, zusammen mit einer wirtschaftlichen „Erholung“, die kapitalistische Profite wiederhergestellt hat, aber die Arbeitslosigkeit nicht abgebaut und die Löhne nicht ansteigen ließ, haben die Unterstützung für die Bush-Administration unterminiert. Gegenwärtig meint die Mehrheit der Amerikaner, dass der Irak-Krieg ein Fehler war und stellt in Frage, ob Bush eine zweite Amtszeit zugestanden werden soll.
Trotz der nachlassenden Unterstützung für die Bush-Administration haben die Demokraten es schwer, Begeisterung für ihren Präsidentschaftskandidaten, John Kerry, den ehemaligen Antivietnamkriegs-Veteranen und Senator aus Massachusetts, zu wecken. Eine kurze Rückschau auf Kerrys Politik hilft die laue Reaktion der Öffentlichkeit zu erklären. Kerry beklagte zwar die Spannungen zwischen den USA und den Europäischen imperialistischen Mächten, unterstütze aber den Irak-Krieg, ist gegen den Rückzug der USA und ruft zu einer Verstärkung der Truppenpräsenz auf. Kerry stimmte für den „Patriot Act“, der bürgerliche Freiheiten für sowohl geborene US-Bürger als auch Immigranten beschneidet, und er verspricht, einen noch effektiveren „Krieg gegen Terror“ daheim und im Ausland. Er ist ein überzeugter Neoliberaler. Kerry unterstützt die NAFTA, GATT und trotz neu gefundener (eher vorübergehender) Bedenken zu den Themen Umweltschutz und Arbeitnehmerrechte, die Amerikanische Freihandelszone (FTAA). Kerry unterstützte die Demontage der Hilfe für allein erziehende Mütter und andere Einschnitte in der Sozialpolitik unter Clinton und Bush. Auch wenn er behauptet, die legale Abtreibung unterstützen zu wollen (aber keine öffentliche Unterstützung armer Frauen), so hat er doch klar gemacht, dass er „persönlich gegen“ Abtreibung ist. Zum Thema gleichgeschlechtliche Ehe (damit eingeschlossen die Möglichkeit für Schwule und Lesben die gleichen Rechte wie gemischtgeschlechtliche Ehen zu genießen) unterstützt Kerry „zivilrechtliche Verbindungen“, die Lesben und Schwule dazu verurteilen würden, Bürger zweiter Klasse zu bleiben.

Unterstützung der Demokraten

Die offiziellen Führungen der Arbeiter-, Frauen-, Minderheiten-, Schwarzen- und Latino-Bewegungen unterstützen nichtsdestotrotz die Demokraten. Seit den 1930er Jahren haben die offiziellen Führungen der sozialen Bewegungen sich an die kapitalistisch dominierte und geführte Demokratische Partei gekoppelt. Die Demokraten erschienen in den 1970ern als die „Reform“-Partei, indem sie tatsächlich, wie die Republikaner, auf die tumultartigen sozialen Kämpfe der 1930er und 1960er reagierten. Die Arbeiterbürokratie und die aus der Mittelschicht stammenden Führer der sozialen Bewegungen demobilisierten und desorganisierten die Kämpfe, um ihre Allianz mit den Demokraten zu zementieren. Die Demokraten haben es ihnen nicht vergolten und taten seit den 1970ern wenig für ArbeiterInnen, rassische Minderheiten, Frauen oder LGBT-Leute.
Nach dem Zusammenbruch der sozialen Bewegungen der 1960er und dem Anfang der globalen kapitalistischen Krise der 1970er und 1980er, bewegten die Demokraten sich nach rechts und ließen sogar den Anschein von Reformen fallen. Das hatte wenig Auswirkungen auf die FührerInnen der Arbeiter- und sozialen Bewegungen. Sie gossen weiterhin Millionen Dollar und tausende Stunden in die Kampagnen der Demokraten, die ihrerseits versuchten, sich von „Sonderinteressen“ wie die der ArbeiterInnen, Frauen, Farbigen und Lesbisch-Schwulen zu distanzieren.
2004 ist es nicht anders. Nach dem der halbherzige Versuch einiger Gewerkschaften und Bürgerrechtsorganisationen, die laue Antikriegskandidatur des Vermonter Gouverneurs Howard Dean zu unterstützen, scheiterte, stützen nun alle offiziellen Reformkräfte Kerry. Um Kerry nicht zu „behindern“ oder „Energien von seiner Kampagne abzuziehen“, stellten sich die FührerInnen der Arbeiter- und sozialen Bewegungen gegen jede Mobilisierung durch ihre Basis. Die Mainstream Schwulen- und Lesben-Führungen halfen, eine viel versprechende Welle direkter Aktionen zum Entgleisen zu bringen, bei der Hunderte von gleichgeschlechtlichen Paaren in die Standesämter eingefallen wären, um Trauscheine zu verlangen. Die AFL-CIO FührerInnen stellen sich gegen den Aufruf der Gewerkschaften der Westküste für einen „Millionen ArbeiterInnen Marsch“ nach Washington im Oktober.
Während die Unterstützung der offiziellen ArbeiterführerInnen und anderer reformistischer Kräfte für die Demokraten wenig erstaunt, ist die Unterstützung der Führungen der Antikriegs- und Antiglobalisierungsbewegungen für Kerry etwas überraschender. Viele, die Ralph Naders Anti-Konzern-Kampagne im Jahr 2000 unterstützten, haben heute den Schlachtruf „Jeder andere als Bush“ („Anybody but Bush“ – ABB) aufgenommen. Das Unvermögen der massiven historischen Mobilisierungen im Winter und Frühling 2003, die Aggression der Bush-Administration gegen den Irak zu stoppen und die scharfe Polarisierung der Wahlen haben viele Radikale, Kriegs- und Globalisierungsgegner überzeugt, Bush müsse besiegt werden und zwar „um jeden Preis“. Sie sind willens, einen Kandidaten und eine Partei zu umarmen, die sie als pro-imperialistisch und als Vertreter der Konzerne erkennen, um mit dem „kleineren Übel“ das „größere Übel“, repräsentiert durch Bush und seine neo-konservativen Ränke, zu besiegen. Für viele US-Linken ist die Niederlage der „Bush-Agenda“ der erste Schritt, den Drang der US-Politik nach rechts aufzuhalten.

Allgemeiner Rechtstrend

Unglücklicherweise erleichtert gerade die Unterstützung des „kleineren Übels“, des Kandidaten der Demokraten, die Rechtsbewegung der US-Politik. Die Hauptelemente der „Bush-Agenda“ – Imperialismus und Neoliberalismus – werden von Kerry und den Demokraten geteilt. Die US Linke und die sozialen Bewegungen haben seit den 1930er Jahren ständig eigene, unabhängige Kämpfe und den Aufbau eigener, unabhängiger Organisationen der Unterstützung der Demokraten geopfert. Als Ergebnis haben die Politiker der Demokratischen Partei immer weniger Druck von den einzigen Kräften verspürt, die Politik nach links bewegen können, von den Gewerkschaften und den sozialen Bewegungen, mobilisiert an den Arbeitsplätzen und auf der Stra&sz
lig;e. Ohne Druck von „unten“ und der Loyalität der ArbeiterInnen, Minderheiten und Frauen am Wahltag sicher, sind die Demokraten den Republikanern nach rechts gefolgt. 1992 wurde Bill Clinton, ein „liberaler“ Demokrat auf der gleichen Plattform gewählt wie Richard Nixon, ein rechter Republikaner, im Jahr 1972: „Soziale Reformen“, „organisiertes Gesundheitswesen“ und „Freihandel“.
Die Ergebnisse des „ABB“ („Anybody but Bush) werden 2004 die gleichen sein. Viele in der Antikriegs- und Antiglobalisierungsbewegung stutzten ihre Politik so zurecht, dass sie Kerry und die Demokraten nicht herausfordern. Beim Bostoner Sozialforum, das gleichzeitig mit dem Parteitag der Demokraten im Juli stattfand, enthielten sich viele Aktivisten jeder Kritik an Kerrys neoliberaler und Pro-Kriegspolitik und konzentrierten sich allein auf die „Bush-Agenda“.
Die OrganisatorInnen viel versprechender massiver Proteste beim Parteitag der Republikaner im August in New York, insbesondere die Führung von „United for Peace and Justice“ mildern ebenfalls ihre Demonstrationspolitik ab. Statt die Forderung nach Rückzug der USA aus dem Irak zu erheben oder die Niederlage der FTAA zu wünschen, erklären die Flugblätter zu diesen Aktionen, dass „die Welt nein sagt zur Bush-Agenda“. Wir sehen mit großer Wahrscheinlichkeit einen starken Rückgang der Antikriegs- und Antiglobalisierungsproteste während der Wahlen im November, der sich bis in das Frühjahr 2005 fortsetzen kann, wenn Kerry gewählt wird.

Schwache Linke

Die Entwicklung einer unabhängigen Antikriegs- und Antiglobalisierungskampagne zu den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2004 war äußerst schwierig und begrenzt. Die Grüne Partei, die Zugang zu Wahlen in über 20 Staaten hat und Ralph Nader 1996 und 2000 ins Rennen schickte, ist bei den Wahlen 2004 tief gespalten. Viele Grüne Aktivisten wollten eine nationale Kampagne mit Nader, dessen 40 Jahre währender Aktivismus gegen die Konzerne und dessen 2000er Kampagne ihm ein nationales Profil gaben. Nichtsdestotrotz neigt eine bedeutende Schicht der Grünen zu einer Kandidatur David Cobbs, eines Grünen aus Texas, der eine „sichere Staaten“ Taktik verfochten hat, bei der die Grünen nur dort an den Wahlen teilnehmen sollten, wo die Demokraten eine deutliche Mehrheit haben.
Obwohl viele Cobb-Unterstützer die „sichere Staaten“ Taktik ablehnten (die viele pro-Nader Grüne als Variante des „ABB“ ansahen“), empfanden andere sein langfristig angelegtes Engagement, die Grüne Partei aufzubauen als erfrischenden Wechsel gegenüber Naders Ablehnung, den Grünen beizutreten oder für sie Verantwortung zu übernehmen. Beim Grünenparteitag im Juni in Milwaukee sicherte sich Cobb die Bestätigung – trotz breiter Unterstützung (vor allem bei Grünen Wahlversammlungen) für Nader.
Nader selber hat einige Hindernisse für die Sammlung der Unterstützung Radikaler, Kriegs- und Globalisierungsgegner errichtet. Er lehnte die Nominierung durch die Grüne Partei ab (und strebte nur nach „Bestätigung“), wodurch er seinen Ruf als „schlaffe Kanone“ unter den Grünen Aktivisten festigte. Er hat sich auch an „unzufriedene Konservative“ gewandt, die von Bushs Irakkrieg und dem repressiven „Patriot Act“ angewidert sind. Nader ist so weit gegangen, die Unterstützung durch der Reformpartei anzunehmen, die den rechtslastigen, immigrantenfeindlichen Populisten Pat Buchanan 2004 ins Rennen geschickt hatte, aber deren Führung seit der letzten Wahl Nader- und Immigrantenrechtsfreundlich geworden ist.
Trotzdem gibt es einige Hoffnung erweckende Zeichen dafür, dass die Nader-Kampagne eine klare, linke, Antikriegs- und Antiglobalisierungsalternative im Jahr 2004 darstellen kann. Nach mehreren Monaten Ruhe zum Thema Krieg, machte Nader den Ruf nach Rückzug aus dem Irak zu einem zentralen Element seiner Kampagne seit März, indem er auf Antikriegsversammlungen auftrat und zu einer öffentlichen Anklage gegen Bush wegen der Lügen über „Massenvernichtungswaffen“ und Verbindungen des Irakischen Regimes zu Al-Qaida aufrief. Nader hat auch als seinen Mitkandidaten Peter Camejo ausgesucht. Camejo, der als revolutionärer Sozialist 1976 für die Präsidentschaft kandidierte, führte zwei erfolgreiche Kampagnen als Gouverneur von Kalifornien 2002 und 2003, bei denen er 3-5% der Stimmen gewann. Camejo hat auch bei der Rekrutierung von Immigranten und Farbigen für die kalifornischen Grünen eine zentrale Rolle gespielt, womit er half, das Image der Grünen als vorwiegend weiße Mittelschichtpartei zu ändern.

Charly Post ist in der Fakultätsgewerkschaft der Städtischen Universität New York aktiv und Mitglied von „Solidarity“, einer revolutionär-sozialistischen Organisation in den USA. Er ist Mitautor der Schrift von Solidarity „Bushs Kriege, die Wahlen 2004 und die Bewegungen“ erhältlich bei Solidarity: solida-ritiy@igc.org – auf Englisch, Übersetzung U.B.

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