Die Nouveau Front Populaire zerbricht am Parlamentarismus
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Frankreich

Die Nouveau Front Populaire zerbricht am Parlamentarismus

Von Antoine Larrache | 27.01.2025

Die Weigerung der Sozialistischen Partei (PS), für das Misstrauensvotum gegen die Regierung zu stimmen, offenbart einmal mehr den Zustand der Neuen Volksfront (NFP). Sie wird immer schwächer, je mehr sie sich von der Straße entfernt und in institutionelle Diskussionen verwickelt.

Die PS stimmte am 14. Januar 2025 nicht für das Misstrauensvotum gegen die Regierung. Sie ist der Ansicht, dass sie mit der Verabschiedung eines neuen Rentengesetzes im Parlament und dem Verzicht sowohl auf Stellenstreichungen im Bildungswesen als auch die Einführung von zwei Karenztagen im Öffentlichen Dienst Zugeständnisse von Premierminister Bayrou erhalten hat. Laut der Tageszeitung Le Monde berichtete ein Macron nahestehender Senator, dass „François Bayrou den Sozialisten zwar sehr entgegengekommen ist, aber gleichzeitig ist es ihm gelungen, ein Ergebnis zu provozieren, nämlich die meiner Meinung nach unumkehrbare Spaltung der NFP, und das ist sehr wichtig“.

Die Zugeständnisse des Premierministers sind unbedeutend. Ministerien (angefangen mit dem Ministerium für Sport, Jugend und Vereinswesen) sind bereits von Stellenstreichungen betroffen. Außerdem will die Regierung, wenn die Karenzzeit nicht verlängert wird, das Krankengeld auf 90 % des Lohns kürzen. Bei den Renten wird sich die „Reform“ weiter durchsetzen.

So scheint François Bayrou das Tempo der antisozialen Politik geschickt verlangsamt zu haben, um die Enthaltung der PS zu erreichen und die Linke zu schwächen. Mit dem Ziel, einen neoliberalen Haushalt zu verabschieden und ein Programm durchzusetzen, dessen rassistische Dimension in der allgemeinen politischen Erklärung des Premierministers deutlich wurde.

Die Linke von ihren Widersprüchen eingeholt

In diesem Kuhhandel steckt eine Form von Logik, eine Rückkehr zu den neoliberalen Orientierungen der Sozialistischen Partei [während der Präsidentschaft] Hollandes. Es sind tiefgründige Tendenzen am Werk, die mit der Integration der PS in die kapitalistischen Institutionen zusammenhängen. Sie wurden nur zeitweise durch den Druck der Mobilisierungen gegen die Rentenreform und gegen die extreme Rechte neutralisiert. Tausende von linken Aktivistinnen und Aktivisten wollten und erzwangen die Einheit der Linken.

Dieser Druck ist mit dem Scheitern der Mobilisierungen im Öffentlichen Dienst und gegen Entlassungen Ende 2024 praktisch verschwunden. Die Gewerkschaften lassen sich also, wie die Parteien, auf eine Gesprächsrunde ohne die Vorbedingung der Rücknahme der Rentenreform ein.

Die Grünen und die KPF führten Gespräche mit Bayrou, hielten aber an der Position der NFP fest, jeder Regierung, die nicht links ist, das Misstrauen auszusprechen. La France insoumise [LFI – Das unbeugsame Frankreich] verkörpert die klarste Position und lehnte es ab, mit Bayrou zu diskutieren.

Die Stellungnahmen von LFI sind jedoch auch mit anderen Zielen verbunden. So bereitet LFI eine Präsidentschaftskandidatur von Jean-Luc Mélenchon vor, unabhängig davon, ob diese 2027 stattfindet oder vorgezogen wird. Und für die nächsten Kommunalwahlen berechnet jeder das mögliche Ergebnis von unterschiedlich zusammengesetzten Bündnissen. Vielfältige lokale Ambitionen und Kräfteverhältnisse prägen deshalb auch die nationalen Debatten.

Für eine geeinte Linke … von unten

Die einheitlichen Ansätze, die durch die Periode der Krise des Kapitalismus und des Aufstiegs der extremen Rechten bestimmt werden, werden so in den Hintergrund gedrängt. Einmal mehr zeigen der antidemokratische Charakter des Kapitalismus und die parlamentarischen Institutionen ihre Fähigkeit, Radikalität in Passivität umzuwandeln.

Der Schwerpunkt sollte jetzt darin bestehen, auf eine aktivistische Einheit an der Basis hinzuarbeiten. Sie hat die Aufgabe, sich mit lokalen Kämpfen zu verbinden, was derzeit allerdings nur sehr wenige Organisationen überzeugend leisten können. Wichtig ist, dass diese Einheit nicht durch die unvermeidlichen Meinungsverschiedenheiten über die Kommunalwahlen in Frage gestellt wird.

Ein begrenztes Bündnis mit linken Gruppierungen wie Nouvelle Donne, PEPS, LʼAprès, Ensemble, GDS und anderen [darunter der NPA-L’Anticapitaliste] arbeitet daran, diese Einheit an der Basis aufzubauen. Dies erscheint uns sehr wichtig.


Zuerst veröffentlicht in Wochenzeitung L’Anticapitaliste, Nr. 738 vom 23. Januar 2025. Aus dem Französischen übersetzt von H. N.

Siehe auch Veranstaltung mit Antoine Larrache am Freitag, 31. Januar, in Mannheim und online

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