DIE LINKE wählen ‒ außerparlamentarisch kämpfen
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ISO-Aufruf

DIE LINKE wählen ‒ außerparlamentarisch kämpfen

06.06.2021

Die Partei DIE LINKE konnte nicht vom Versagen der Bundesregierung bei Bekämpfung von Pandemie und Klimakatastrophe profitieren. Und hat es versäumt, die Systemfrage von links zu stellen. Dennoch ist es für die außerparlamentarische Linke wichtig, dass sie im Bundestag bleibt.

Für die kommenden Wahlen fehlt allerdings ein Plan, wie die Partei DIE LINKE ihr Wahlprogramm umsetzen möchte. In der Frage ist die Partei gespalten. Die linken Kräfte brauchen jetzt umso mehr ein politisches Programm, um den Kapitalismus zu überwinden. Ein Aufruf der ISO-Koordination.

…vor einer Neujustierung.

Nach fast 16 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel steht die Bundesrepublik vor einer Neujustierung ihrer politischen Ausrichtung. Wir werden wir nicht nur eine neue Person an der Spitze der neuen Bundesregierung bekommen, auch die Zeit für die Große Koalition scheint abgelaufen zu sein. Zu groß sind die Fehler und das Versagen in der Pandemie: Hat sie sich doch hauptsächlich darum bemüht, die Profitinteressen der Wirtschaft zu bedienen, den Unternehmen wurden und werden kaum Auflagen gemacht. Dass es in nicht so wenigen Betrieben wahre Hotspots gab, hat die Regierung nicht von ihrem widersprüchlichen Kurs für Kontaktbeschränkungen der Bevölkerung und Weiterlaufen der Industriebetriebe abhalten können.

Genauso hat die Bundesregierung im Kampf gegen die Klimakatastrophe versagt und keine Energie- oder Verkehrswende eingeleitet, die den Erfordernissen gerecht wird. Erst durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes wurde sie zu einer etwas schärferen Gangart gezwungen, aber konkrete Maßnahmen lassen auf sich warten. Offensichtlich setzen die Damen und Herren auch hier auf die Gesetze des Marktes, der aber dieses Problem nicht lösen wird, genauso wenig wie er dies in der Corona-Krise leisten konnte.

Politische Erosion der Regierungsparteien beschleunigt sich – die Grünen springen ein.

Dieses Versagen bei der politischen Bewältigung der beiden großen aktuellen Krisen hat die politische Erosion der Regierungsparteien weiter beschleunigt. Die Legitimationskrise von CDU/CSU und SPD setzt sich fort, und die jahrzehntelange Politik im Interesse des Kapitals hat diese Parteien verschlissen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik ist ein Wechsel bei der politischen Führungskraft des Bürgertums möglich. Die Grünen haben sich erfolgreich als die Partei der Modernisierung des Kapitalismus verkaufen können und werden von der herrschenden bürgerlichen Klasse immer mehr finanziert und als ihre neue politische Führungskraft angesehen.

DIE LINKE leistet wertvolle Arbeit.

Diese Situation hätte auch einer Partei links von Sozialdemokratie und Grünen die Möglichkeit gegeben, sich als politische Alternative und ein Programm gegen die Krisenerscheinungen zu präsentieren. Es hat sich ‒ wie schon in der Finanzkrise von 2008 ‒ aber gezeigt, dass DIE LINKE „Krise nicht kann“. Zwar nimmt DIE LINKE in der Frage der sozialen Auswirkungen der Krise immer eine eindeutige Haltung ein. Hier hat sie mit vielen Beiträgen im Parlament und mit der Unterstützung für Aktionen der Pflegekräfte und andere Arbeitskämpfe wertvolle Arbeit geleistet. Sie hat in der Frage des Pflegenotstandes, des Kurzarbeitergeldes, der Erhöhung des Regelsatzes bei Hartz IV usw. klare Positionen bezogen.

Ebenso klar war die Haltung der Partei zu der Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst. Als die Streiks von ver.di, Deutschem Beamtenbund, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft usw. von vielen kritisiert wurden, stand sie an der Seite der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften.

Was allerdings fehlt, ist eine deutliche Haltung zu den Verwerfungen des kapitalistischen Systems…

In der Klimapolitik brauchte die Partei etwas länger, um ihre Positionen zu entwickeln. Immerhin hat sie sehr früh den Kohleausstieg bis 2030 und der Ausbau der Erneuerbaren Energien auf 100 % bis 2035 beschlossen. Ein Konzept für die Verkehrswende hat sie vorgelegt. Was allerdings fehlt, ist eine deutliche Haltung zu den Verwerfungen des kapitalistischen Systems und eine Vorstellung davon, wie eine demokratische, ökologische und sozialistische Gesellschaft aussehen soll und wie der Weg dorthin sein kann.

Die Systemfrage muss von links beantwortet werden.

Gerade in der Zeit, in der die herrschenden Kräfte des kapitalistischen Systems einräumen müssen, dass sie keine Lösung für die aktuellen und strukturellen Krisen anzubieten haben, wo nach mehr Staat und sogar nach Planwirtschaft gerufen wird, wo also auf bestimmte Weise die Systemfrage gestellt wird, hätte auch DIE LINKE die Systemfrage aus ihrer Perspektive stellen können und müssen. Das hat sie aber nicht getan. Dieses Problem teilt sie allerdings mit großen Teilen anderer linker Parteien und Organisationen. Immerhin fällt DIE LINKE den realen gesellschaftlichen Widerstandsbewegungen auf Bundesebene nicht in den Rücken, sie beteiligt sich vielfach an den aktuellen Auseinandersetzungen der Klimabewegung und vertritt deren Positionen in den Parlamenten und unterstützt diese Bewegungen materiell.

Wer das Programm durchsetzten soll bleibt unklar…

Im April hat der Parteivorstand den Entwurf für das Bundestagswahlwahlprogramm vorgestellt. Darin sind alle Forderungen gebündelt, für die die Partei seit langem steht. Wenn mensch das Wahlprogramm liest, kommt sofort die Frage auf, wie solch ein Programm durchgesetzt werden soll und wer es durchsetzen soll. Beantwortet wird diese Frage aber kaum. Ähnliche Strukturmängel hatten schon frühere Wahlprogramme, angesichts der Mehrfachkrise des Kapitalismus schmerzen diese Lücken aber heute besonders. Partei und Bundestagsfraktion legen immer wieder den Finger in die Wunden des realen Kapitalismus, aber gleichzeitig wollen wesentliche Kräfte in der Linken nicht mehr als der Arzt oder die Ärztin am Krankenbett des Kapitalismus sein. Die Krise soll gemeinsam mit bürgerlichen Parteien behoben werden, dann könne wieder radikale Politik gemacht werden. Diese Rechnung ging noch nie auf und wird auch jetzt nicht aufgehen.

Die Partei ist von einer heftigen Auseinandersetzung durchgerüttelt worden. Sahra Wagenknecht, die ehemalige Vorsitzende der Bundestagsfraktion, hat mit ihrem Buch Die Selbstgerechten eine Breitseite gegen die Mehrheit der Partei abgeschossen. Dieses Konzept, das das bekannteste Gesicht der LINKEN selber ein „Gegenprogramm“ genannt hat, ist nicht links, es ist national-sozialdemokratisch. Sahra Wagenknecht bezeichnet es zurecht als „links-konservativ“. Am heftigsten findet diese Ausein­andersetzung in dem mitgliederstärksten Landesverband in NRW statt, wo sie auf Platz 1 der Landesliste nominiert wurde. Hier haben sich mehrere Kreisverbände sowie die Antikapitalistische Linke (AKL) und die Bewegungslinke, die beiden linken Strömungen der Partei, deutlich gegen ihre Positionen geäußert.

Neben dieser eher individuellen Abrechnung von Wagenknecht mit der LINKEN gibt es im Vorfeld der Bundestagswahlen eine zweite Debatte, die die LINKE zerreißen könnte. Wichtige Teile der Fraktionsführung und Parteivorstands verfolgen eine Taktik, sich die Option einer Regierungsbeteiligung offen zu halten bzw. diese ausdrücklich anzustreben. Die Parteivorsitzende Susanne Henning-Welsow wird nicht müde zu betonen, wie wichtig eine Regierungsbeteiligung für das Durchsetzen linker Forderungen sei. Die Mitvorsitzende Janine Wissler geht mit dieser Frage anders um, indem sie in der Öffentlichkeit betont, welche Positionen auf keinen Fall zur Disposition stehen. Wenn eine Regierungsbeteiligung rechnerisch möglich sein sollte, wird es in der Partei heftige Auseinandersetzungen zwischen dem Reformerflügel und den linken Strömungen um das Mitregieren und Koalieren geben.

DIE LINKE – „Work-in-Progress“

Bei allen Vorbehalten, die es gegen die Partei und ihre Positionen gibt: Sie beteiligt sich aktiv an gesellschaftlichen Kämpfen und trägt durch ihre Arbeit in den Parlamenten erheblich zu dem Einfluss von progressiven Bewegungen und Positionen bei. Nach wie vor ist DIE LINKE ein „Work-in-Progress“, auf das die radikale ökosozialistische Linke einwirken kann und sollte. Einige Genoss:innen der ISO arbeiten in der LINKEN mit und werden es weiter tun. Für die außerparlamentarische Linke wäre ein Scheitern der LINKEN an der Fünfprozentklausel ein herber Verlust. Eine Regierungsbeteiligung auf Bundesebene birgt die Gefahr, dass diese Partei an die Kette gelegt wird und ihre fortschrittliche Funktion für die antikapitalistische Opposition und in der Politik des Landes verliert. Beides gilt es zu verhindern.

Die Linke in Deutschland benötigt ein politisches Programm, das zur Überwindung des Kapitalismus beitragen kann. In dessen Mittelpunkt müssen eine Arbeitszeitverkürzung für alle bei vollem Lohn- und Personalausgleich sowie ein radikaler Umbau der Wirtschaft in Richtung Reduzierung der Klimazerstörung, Ressourcen- und Energieeinsparung stehen. Ein Programm für Abrüstung und Entmilitarisierung, für mehr Demokratie statt Überwachungskapitalismus, für eine Politik der Stärkung der außerparlamentarischen Bewegung und der Kämpfe um Selbstermächtigung und Selbstorganisation. Kurz: für eine soziale Front gegen die bedrohlichen Zumutungen der Herrschenden und ihres überholten kapitalistischen Systems.

Koordination der ISO 05.06.21

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