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Betrieb & Gewerkschaft

Die Lawine rollt: Zwei weitere Konzerne attackieren

Von Blanca Novaeres | 15.09.2004

Immer mehr Unternehmen fordern Verlängerungen der Arbeitszeit auf 40 Stunden/Woche, Nullrunden, Streichung von Zuschlägen etc. Es folgen sanfte Aufschreie der Gewerkschaftsführungen und bei den Verhandlungen werden am Ende die Verschlechterungen unterschrieben.

Immer mehr Unternehmen fordern Verlängerungen der Arbeitszeit auf 40 Stunden/Woche, Nullrunden, Streichung von Zuschlägen etc. Es folgen sanfte Aufschreie der Gewerkschaftsführungen und bei den Verhandlungen werden am Ende die Verschlechterungen unterschrieben.

Die Drohgebärden der Konzerne, die ArbeiterInnen auf die eine oder andere Weise auf die Straße zu setzen oder gar ganze Werke zu schließen, gehen fast ohne Widerstand der Arbeitenden über die Bühne. Die Gewerkschaftsführungen setzen dem Ganzen nichts entgegen. Die Großunternehmen erheben das Haupt und gehen immer weiter in die Offensive; nun auch General Motors (Opel) und VW:

VW

Bei VW, dem größten Automobilkonzern Europas – der im letzten Jahr 2,5 Mrd. Euro Gewinn gemacht hat und auch dieses Jahr seinen Absatz steigern konnte –, wird am 15. September über einen neuen Haustarifvertrag der westdeutschen Werke verhandelt. Das Management lässt sich die Gelegenheit nicht entgehen, es endlich anderen Großkonzernen gleich zu tun. So fordert Vorstandsvorsitzender Pieschetsrieder die Senkung der Lohnkosten der 103.000 VW-Beschäftigten um 30 % bis 2011. Andernfalls sollen mindestens 30.000 Jobs gestrichen werden (Audi und ostdeutsche Werke eingeschlossen). 2 Milliarden Euro will sich VW mit Hilfe einer zweijährigen Lohnnullrunde erpressen. Bonuszahlungen sollen in Zukunft vom Gewinn des Konzerns abhängig gemacht werden. Pausen und Weiterbildung will VW nicht mehr voll bezahlen. Ein Drittel des Lohns soll variabel gestaltet werden.
Das heißt nichts anderes, als dass VW jederzeit den Lohn senken kann, wenn die gedrehten Wirtschaftszahlen nicht günstig aussehen. Darüber hinaus sollen Arbeitszeitkonten eine Schwankungsbreite von +/- 400 Stunden im Jahr ermöglichen. Das sind im Durchschnitt mehr als 7 Überstunden pro Woche! Und wenn es nach dem Personalvorstand Peter Hartz ginge, würden in dem Unternehmen, wo die 30 Stundenwoche gilt, gar erst ab der 40. Stunde Zuschläge gezahlt. Dann würden 9 Stunden in der Woche ohne Zuschläge gearbeitet.

Opel

Ähnlich sieht es beim größten Autokonzern der Welt aus. General Motors attackiert, indem er versucht schwedische und deutsche Standorte gegeneinander auszuspielen. Beide Werke sind nicht ausgelastet, da der Absatz fehlt. Nach Logik des Konzerns sollen jetzt die ArbeiterInnen für die Verlustzahlen auf dem europäischen Markt bluten, für die sie nicht verantwortlich sind. Bei Saab in Trollhättan sackt daher GM die Aufweichung des Kündigungsschutzes und die Verlängerung der Arbeitszeit ein. Bei Opel in Deutschland beabsichtigt GM ebenfalls, seine weltweiten Milliardenprofite zu vergrößern.
Bereits in den letzten zehn Jahren hat Opel 10.000 Arbeitsplätze abgebaut und seit Anfang 2004 rumort es erneut bei Opel. Der Vorstand will für dieses Jahr 80 Mio. Euro einsparen. Er attackiert das Werk in Rüsselsheim, wo die ArbeiterInnen Lohnullrunden bis 2009, die Streichung von Zuschlägen und die 40-Stundenwoche hinnehmen sollen. Noch Ende 2003 versuchte Opel Arbeitszeitverkürzungen ohne vollen Lohnausgleich durchzusetzen. Nun, wo der Tarifvertrag im Frühjahr 2004 durchlöchert wurde, versucht er die Öffnungsklauseln für Arbeitszeitverlängerungen auszunutzen.

Und die IGM?

Erneut verzichtet die IG Metallführung darauf diesen Angriffen wirklich entgegenzutreten. Der niedersächsische Bezirksleiter Hartmut Meine verrät schon jetzt, dass er gegen die Erpressungen von VW nicht ernsthaft kämpfen wird: „Wir wollen Arbeitsplatzsicherheit. Dafür sind wir auch bereit, etwas zu tun.“ (Jungle World, Nr. 37, 01/09/04) Einen Streik will der Verantwortliche möglichst vermeiden. Über den denkt er erst nach, „[…] wenn man auch in der vierten oder fünften Verhandlungsrunde nicht den Ansatz für einen Kompromiss sieht.“ (Handelsblatt, 10/09/04) Die ArbeiterInnen von VW können auch nicht auf den Betriebsratschef Volkert setzen, mit dessen Hilfe bereits 1993 die hohe Flexibilität und der Verzicht auf verschiedene Vergünstigungen bei VW durchgesetzt wurden. Er war es auch, der 2001 das Projekt 5.000 mal 5.000 zum Abschluss gebracht hat, welches VW half, 20 % der Lohnkosten auf Kosten von 5.000 ArbeiterInnen einzusparen. Und ebenso unternehmerfreundliche Politik hat bereits der Betriebsrat von Opel betrieben, als er für die Jahre 2002 und 2003 den Abbau von 2.500 Arbeitsplätzen vereinbart hatte und auf die Auszahlung des Weihnachtsgeldes zum fälligen Zeitpunkt verzichtete.
Die profitträchtigsten Großunternehmen haben den Kampf um die Arbeitsbedingungen, die Löhne und die Arbeitsplätze begonnen. Die verschiedenen Begründungen für die Angriffe sind nur vorgeschoben. Doch die Gewerkschaftsführungen machen sich zu den Vasallen der KapitalistInnen, indem sie weder Kämpfe organisieren, noch die Profitlogik in Frage stellen. Denn in Wirklichkeit geht es bei all den Angriffen um die Erhöhung des Reichtums der AktionärInnen. Das ist das oberste Prinzip im Kapitalismus und gehört endlich abgeschafft.

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