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Innenpolitik

Die Gewerkschaften im “Dialog”

Von B.B. | 15.09.2004

Die Montagsdemonstrationen haben “Erfolg”: Endlich konnten sich die Gewerkschaftsvorsitzenden am 7. September wieder ihrem liebsten Mittel der politischen Einflussnahme widmen – dem Gespräch mit Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Die Montagsdemonstrationen haben “Erfolg”: Endlich konnten sich die Gewerkschaftsvorsitzenden am 7. September wieder ihrem liebsten Mittel der politischen Einflussnahme widmen – dem Gespräch mit Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Zu einem Dialog gehören mindestens zwei Seiten. Nachdem im letzten Juni Ver.di-Chef Bsirske erklärt hatte, “der Bundeskanzler ist gescheitert” und nach der herben Kritik Schröders an den Gewerkschaften schien den bürgerlichen Medien die Entfremdung beider Lager unüberbrückbar. Doch seitdem floss nicht nur viel Wasser die Spree herunter. Schröder und Bsirske trafen sich auch zu einem Vier-Augen-Gespräch und räumten “Missstimmungen” aus.

Demos und Gesprächsbereitschaft

Die Gewerkschaftsbürokratien von Ver.di und IG Metall waren enttäuscht, dass die SPD nicht mehr ihr Ansprechpartner war. Die breite Mobilisierung am 3. April 2004 erfolgte nicht nur als Reaktion auf die Demonstration vom 1. November 2003 in Berlin und um dem Unmut der Basis ein Ventil zu verschaffen. Sie fand in erster Linie deshalb statt, damit die Sozialdemokratie wieder mehr auf die Gewerkschaftsführungen eingehe. In diesem Sinne war auch das Entstehen der Wahlalternative willkommen. Dieser Druck reichte aber nicht aus, um wieder bei der SPD Gehör zu finden.

Der Druck der Montagsdemos

Das neue Aufeinanderzugehen liegt nicht am plötzlich auftauchenden guten Willen der Beteiligten, sondern an der Entwicklung des Klassenkampfes. Die Sozialdemokratie erkannte sofort die Gefahr, die in den Montagsdemonstrationen liegt. Würden die Gewerkschaften jeden Montag ihre Mitglieder mobilisieren, dann bekämen wir wirklich eine außerparlamentarische Bewegung, gegen die nur schwer zu regieren wäre. Daher Münteferings “Initiative” für einen Mindestlohn; daher die neue Gesprächsbereitschaft Schröders mit den Gewerkschaftsspitzen.
Selbst manche Linke erwarteten, dass die Gewerkschaftsführungen auf die Montagsdemonstrationen aufspringen würden, um gegen den sozialen Kahlschlag zu protestieren. Das glatte Gegenteil war der Fall. Die Mobilisierungen auf der Straße führten dazu, dass sich die Gewerkschaftsbürokratie vom Protest abwandte und auf das Gesprächsangebot von Schröder flog. Wozu sie selbst nicht in der Lage waren – nämlich Schröder zum Gespräch zu zwingen – erreichten die Montagsdemos.

Nicht einmal ein Linsengericht

Und was kommt bei dem Gespräch am 7. September heraus? Während die Montagsdemos die Regierung wenigstens zu ein paar kleinen Korrekturen an Hartz IV zwangen, erreichte das Spitzengespräch bei Schröder die Einsetzung einer gemeinsamen… “Arbeitsgruppe”. Die soll den Erfolg von Hartz IV “kontrollieren”. “Falls in zwei Jahren keine zusätzlichen Jobs entstanden sind, werden wir auf Arbeitszeitverkürzungen pochen”, erklärte der Vorsitzende der Bahngewerkschaft Transnet, Norbert Hansen. Zuvor war schon eine gemeinsame Arbeitsgruppe von SPD und Gewerkschaften zum Mindestlohn gebildet worden. Und für diese “Gesprächsbereitschaft” halten die Gewerkschaftsvorstände gezielt den Funktionärskörper und darüber die Mitglieder vom Demonstrieren ab.

Aufgabe der Gewerkschaftslinken

Während also die Montagsdemonstrationen dazu führten, dass die Gewerkschaften nicht gegen den sozialen Kahlschlag demonstrieren, nehmen viele gewerkschaftliche Untergliederungen, Betriebsräte und sogar KollegInnen, die nichts mit Gewerkschaften am Hut haben, an den Protesten teil. Hier eröffnet sich der Gewerkschaftslinken ein neues Feld, um ihre Nützlichkeit zu beweisen.

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