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Innenpolitik

Deutschland-Kampagne: „Überparteilich und politisch unabhängig“

Von Lina | 29.10.2005

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Neben Postkarten, einer Artikelserie und Plakaten mit dem Slogan „Du bist Deutschland.“ beglückt uns derzeit ein TV-Werbespot, in dem mehr und minder Prominente das zugehörige „Manifest“ verlesen. Dabei brabbeln sie Konfuses wie: „…du bist der Baum. Du bist Deutschland.“ Was soll das Ganze?

Neben Postkarten, einer Artikelserie und Plakaten mit dem Slogan „Du bist Deutschland.“ beglückt uns derzeit ein TV-Werbespot, in dem mehr und minder Prominente das zugehörige „Manifest“ verlesen. Dabei brabbeln sie Konfuses wie: „…du bist der Baum. Du bist Deutschland.“ Was soll das Ganze?


In beigeordneter Pressemitteilung heißt es: „Die Kampagne ist überparteilich und politisch unabhängig.“ Seit Ende September wird der Fernsehspot gezeigt, der ein wenig länger als geplant auf seine Erstausstrahlung warten musste, weil diese während des Bundestagswahlkampfes zu offensichtlich den Vorwurf der Propaganda hervorgerufen hätte. Die beteiligten Medienkonzerne – und das sind alle großen: Bertelsmann und Axel Springer, Süddeutsche und FAZ, ARD, ZDF, ProSiebenSat.1 und die RTL Gruppe – hatten sich diesem Risiko nicht aussetzen wollen. Dass das Medienecho auf die Kampagne nun vorwiegend positiv ist, verwundert auch wiedrum nicht.

Social Marketing
Die InitiatorInnen von „Du bist Deutschland.“ nennen sie   die „größte Social Marketing-Kampagne“ in der Bundesrepublik. Mit Social Marketing wird bezeichnet, wenn Mittel der Werbebranche verwendet werden, um Ideen, Einstellungen oder Verhalten zu „verkaufen“, wie häufig im Gesundheitsbereich. Gar von Gemeinnützigkeit ist die Rede.
Getragen wird die Kampagne durch die Initiative „Partner für Innovation“, einem Thinktank, der sich ein „innovationsfreudigeres Klima in Deutschland“ zur Aufgabe gemacht hat; dies möchte jene insbesondere durch stärkere Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft erreichen.

Gegründet hatte sich diese Initiative im Januar 2004 auf Einladung des damaligen Bundeskanzlers Schröder, ihr gehören neben den Vorständen großer Unternehmen (z.B. Telekom, Siemens, IBM), dem BDI sowie dem DGB auch die letzte Bundesregierung an. Doch wer profitiert davon, wenn „die Deutschen“ die vielbeklagte „Jammermentalität“ ablegen? Warum stecken Firmen 30 Millionen Euro in ein solches Projekt, oder besser verzichten auf den Umsatz in selbiger Höhe? Vermutlich haben einige der beteiligten Unternehmen tatsächlich ein Überinvestitionsproblem, andere versprechen sich z.B. durch den Verkauf von schwarz-rot-goldenen Armbändern Gewinne. Gleichwohl scheint heute für das Kapital, für den deutschen Imperialismus ein Burgfrieden, der nur noch Deutsche kennt, eine SozialpartnerInnenschaft ohne Sozialleistungen als erstrebenswerter Weg.
Zurück zum Spot:
Der hier vertretene Nationalismus samt seiner Bilderwelt ist nicht der alte völkische. „Deutschland“ bietet Platz für Frauen, die nicht an der Seite von soldatischen Männern stehen, für Juden, für Schwule, für körperlich und geistig Behinderte, für integrations- und leistungswillige MigrantInnen. Hoffnungsvoll stehen die SprecherInnen an der Gedenkstätte für die ermordeten Juden Europas, so wenig hat der neue Nationalismus mit dem alten zu tun, meint er, sich die selben Vorhaltungen machen lassen zu müssen. In dem Fernsehspot taucht keine direkte Aggression auf. „Deutschland“ ist das verbindende Moment zwischen Arm und Reich, zwischen Menschen mit mehr und weniger formaler Bildung. Alle sind „von allem ein Teil“, ein Teil eines größeren Ganzen. Wenn mensch nichts hat, so doch immer noch die tröstende Zugehörigkeit zu einer Nation. Wenn mensch nur möchte, sieht selbst eine perspektivlose Situation („Mag sein, Du stehst mit dem Rücken zur Wand oder dem Gesicht vor einer Mauer.“) durch die rosarote Brille angenehmer aus und Hoffnung fühlt sich ja auch besser an als Realismus. Mit Worten werden wirtschaftliche und soziale Ausgrenzungserfahrungen nie benannt. Nach jedem Eingeständnis eines Unwohlseins folgt eine Tröstung. („Unsere Zeit schmeckt nicht nach Zuckerwatte….Doch einmal haben wir schon eine Mauer niedergerissen.“)

Der neue Nationalismus gleicht in einem dem alten: er dient dem Überdecken und Zukleistern der sozialen Spaltungen. Und er fordert Opfer und Anstrengungen: In der „Zeit“ vom 6.10. des Jahres spricht Jens Jessen in diesem Kontext von „Ideologisierung des Mangels“. („Behandle Dein Land doch einfach wie einen guten Freund. Meckere nicht über ihn, sondern biete ihm Deine Hilfe an. Bring die beste Leistung, zu der Du fähig bist. Und wenn du damit fertig bist, übertriff Dich selbst.“). Wohin das führt, sagt uns das „Manifest“ auch: „[…]reiß Bäume aus.[…], du bist der Baum.“

TiPP!
www.innovationen-fuer-deutschland.de

Und eine Adbusting-Seite: www.flickr.com/groups/dubistdeutschland/pool/

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