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Betrieb & Gewerkschaft

Der Konflikt bei der Post AG, 4. Teil

Von Walter Weiß | 28.09.2015

Da staunten die streikenden Postler­Innen nicht schlecht, als überraschend am 5. Juli der Schluss des Arbeitskonfliktes verkündet wurde. Waren sie doch von einer Fortführung der Auseinandersetzung und einer Verbreiterung der Kampffront ausgegangen.

Um die Resultate zu bewerten, müssen wir uns die wichtigsten Forderungen in Erinnerung rufen: Fremdvergaben sollten ausgeschlossen sein, betriebsbedingte Kündigungen bis zum 13.12.2020 nicht möglich sein und die Postzulage für Beamte und Beamtinnen sollte verlängert werden; der Ausgliederung wie bei DHL Delivery sollte Einhalt geboten werden und die Wochenarbeitszeit von 38,5 auf 36 Stunden reduziert werden; die Entgelte sollten einheitlich um 500 Euro angehoben werden, eine Forderung bei Milliardengewinnen des Unternehmens, die eher bescheiden ausfiel, hat man doch eine jährliche Gewinnsteigerung von 8 % im Auge. Neben anderen Forderungen wie der Übernahme der Auszubildenden hatte der Konflikt einen grundsätzlichen Charakter und war etwas mehr als eine „normale“ Tarifrunde.

Der Gegner in Gestalt des Postvorstandes fuhr eine kompromisslose, neoliberale Konfrontationslinie, bei der für eine sozialpartnerschaftliche Linie kein Raum vorhanden war. Im außereuropäischen Bereich agiert der Vorstand im Stil des Manchesterkapitalismus. Dabei unterstützte die Bundesregierung, mit einer Beteiligung von 21 % am Unternehmen, Hand in Hand mit dem zweitgrößten Eigentümer, dem US-Hedgefonds Blackrock, diesen harten Kurs.

Somit hatte der Konflikt grundsätzlichen Charakter, denn eine Umwandlung der Post AG in ein Unternehmen mit unsicheren Arbeitsverhältnissen und radikal gesenkten Löhnen ist das erklärte Ziel des Postvorstandes. Ziel ist die Prekarisierung großer Teile der Belegschaft. Und Unternehmen wie die Deutsche Bahn und die Telekom sind längst im Visier der Akteure. Das neoliberale Duo Gabriel/Schäuble ist ein verlässlicher Garant dieser Option. Hier war also Ver.di als gewerkschaftliche Gegenmacht gefordert.

Das Ergebnis

Circa zwei Drittel der Bevölkerung hatten Verständnis für den Streik, und das in einem Land, wo nicht wenige einen Streik als sittenwidrigen Anschlag auf den Standort Deutschland betrachten. Und in „bewegen“, der Zeitung für den Fachbereich Postdienste, Speditionen, Logistik, spricht Verhandlungsführerin Andrea Kocsis von einem „guten Ergebnis“. In der Mitgliederzeitung „Publik“  wird das Resultat eher verhalten kommentiert. Tenor: Mehr war nicht drin. Die Erfolge werden unter dem Motto „soziale Standards geschützt“ akribisch aufgeführt.

Im Einzelnen: Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen und Änderungskündigungen, Schutz für die Paketzusteller der Post AG, Schutz in Brief- und Verbundzustellung, Erhalt des Fahrdienstes, Übernahme der Auszubildenden des Prüfungsjahrgangs 2015, Entfris­tung von Beschäftigten, die länger als 24 Monate im Betrieb tätig sind und Entgelterhöhungen; und Verlängerung der Postzulage für Beamtinnen und Beamte. Für die Betroffenen sicher erfreuliche Ergebnisse. Die „großen“ Ziele des Kampfes konnten aber nicht realisiert werden und beim Postvorstand knallten die Sektkorken.

Betrachten wir die Entgelte: Für das Jahr 2015 erhalten die Beschäftigten im Oktober 400 Euro, ab 1.10.2016 2 % und ab 1.10.2017 1,7 % mehr Lohn. Ein äußerst bescheidenes Ergebnis angesichts der Milliardengewinne der Post AG und mit einer Laufzeit, die Ver.di lange in diesem Tarifsegment handlungsunfähig macht. Da kann sich der alleinstehende Zusteller mit Steuerklasse 1 an monatlich ca. 33 Euro – brutto – berauschen.

Auch das zweite Ziel, die Reduzierung der Arbeitszeit der häufig überforderten Zusteller­Innen auf 36 Stunden wurde nicht erreicht. Ebenso der beschäftigungspolitische Effekt, der bei einer Verkürzung der Arbeitszeit hätte umgesetzt werden können.

„Die Deutsche Post AG war nicht bereit, über die Rückführung der 49 DHL Delivery GmbH unter das Dach der Deutschen Post AG zu verhandeln“, heißt es lakonisch in der Ver.di-Fachzeitung „bewegen“.

Somit wurden die strategischen Ziele des Arbeitskampfes nicht erreicht und in Teilen der Mitgliedschaft herrscht Resignation, Wut und Ablehnung. Nicht wenige ­empfinden das Resultat als Verrat und werden eventuell ihre Mitgliedsbücher zurückgeben.

Resümee

„Vertragstreue? Sozialpartnerschaft? Soziale Marktwirtschaft? Längst abgehakt, entsorgt im Fach Sozialromantik,“ vermerkt „Publik“. Eine Bemerkung mit zynischem Beigeschmack, hat man doch gerade einen aktiven Streik mit einem schlechtem Ergebnis ausgebremst. Die Zusteller­Innen mussten rund zwei Wochen die liegen gebliebene Post austragen und demonstrierten so indirekt die Effektivität des Arbeitskampfes.

Das Ganze war als ein Top-Down-Projekt ohne Urabstimmung und anschließende Mitgliederbefragung konzipiert, denn die Gewerkschaftsbürokratie fürchtet eine aktive, selbstständig agierende Basis wie der Teufel das Weihwasser. Nur eine solche Basis kann dem weiteren Sozialabbau und der Prekarisierung der Arbeitsbedingungen bei der Post AG erfolgreich Paroli bieten. Nicht „systemkonforme“, sondern „systemkritische“ Gewerkschaften stehen auf der Tagesordnung.*

Die Herausbildung einer klassenkämpferischen Tendenz in den Gewerkschaften wird mehr denn je zum Gebot der Stunde! Revolutionäre Marxistinnen und Marxisten sollten in der Herausbildung einer solchen Tendenz eine aktive Rolle spielen.

* Siehe Ernest Mandel, Systemkonforme Gewerkschaften?, Heft 2 der Schulungsreihe „Gegen den Strom“, 1,50 Euro plus Versandkosten, zu beziehen über die Redaktionsadresse

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