Den Rechtsruck auch in den Betrieben stoppen
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Konferenz gegen Betriebsratsmobbing mit Positivbeispielen

Den Rechtsruck auch in den Betrieben stoppen

Von Gerhard Klas | 16.10.2025

„Betriebsräte im Visier – Arbeitsunrecht stoppen, demokratische Gegenmacht stärken“ – unter diesem Motto trafen sich am 11. Oktober knapp achtzig Gewerkschaftsaktive und Betriebsrät:innen von IGM, ver.di, EVG und IGBCE im Mannheimer Gewerkschaftshaus zur 12.Bundeskonferenz. Der gesellschaftliche Rechtsruck, der sich auch auf die Arbeitswelt auswirkt – von rechten Betriebsratslisten bis hin zum staatlichen Angriff auf den 8-Stunden-Tag –, war Thema.

Die Durchsetzung eines „Rechts des Stärkeren“ werde zur menschenverachtenden Normalität, heißt es in der Entschließung der Konferenz. „Vor diesem Hintergrund verstärken sich die Attacken von Firmenleitungen nicht nur auf demokratische Interessenvertretungen wie Betriebs- oder Personalräte, sondern auch auf die gewerkschaftliche Organisierung in der Arbeitswelt.“

Dem Rechtsruck zum Trotz präsentierten sich auf der Mannheimer Konferenz direkt zu Beginn acht Kolleg:innen von Nora Systems, dem Weltmarktführer für PVC-freie Bodenbeläge aus Weinheim. Sie stehen für ein gewerkschaftliches und betriebliches Erfolgsmodell, in dem es keinen Platz für bekennende Rechtsextreme und Union Busting gibt.

Vorzeigebetrieb Nora Systems

Früher hat die Geschäftsführung die Belegschaft terrorisiert, sie wollte Betriebsräte mit Hilfe von Verdachtskündigungen und anderen Schikanen rausekeln. Doch seit 2022 haben gewerkschaftliche Kolleg:innen in dem Mitbestimmungs-Gremium die Mehrheit. Sie trainieren und fördern sich gegenseitig, wollen die Hierarchien zwischen BR-Vorstand und einfachen Mitgliedern so flach wie möglich halten. Und das auch der Geschäftsführung vermitteln: Wenn ihr einen angreift, greift ihr alle an.

Die beiden Vorsitzenden des 13köpfigen Gremiums lehnen auch viele Privilegien ab, die mit einem solchen Amt einhergehen: zum Beispiel ihre Autos auf dem Parkplatz der Geschäftsführung zu parken – sie nehmen wie alle anderen den langen Weg vom einfachen Mitarbeiterparkplatz. Auch die Softdrinks, die von der Geschäftsleitung dem Betriebsratsbüro spendiert werden, wollen sie nicht haben, solange die Kolleg:innen in der Produktion nur Wasser angeboten bekommen. Firmenjubiläen werden jetzt für alle mit gleichem Budget ausgerichtet – früher gab es eklatante Unterschiede: Brötchen für Jubilare aus der Produktion, Spitzenküche für Vertriebsleiter.

Leiharbeit gibt es nicht mehr, und alle Azubis werden übernommen. Achtzig Teilzeit-Kolleg:innen können jetzt auf eigenen Wunsch Vollzeit arbeiten. Früher hatte der Betriebsrat regelmäßig Kündigungen abgenickt – das ist heute vorbei: Grundsätzlich widersprechen sie jeder Kündigung. Mit einer Ausnahme, bei der sie sich mit der Personalabteilung einig waren: im Fall eines Kollegen, der seine Handschuhe mit der Aufschrift „Adolf“ und mit Hakenkreuzen bemalt hatte.

Die Kolleg:innen strotzen vor Selbstbewusstsein und halten es für durchaus realistisch, bei den turnusmäßigen Betriebsratswahlen im kommenden Frühjahr alle 13 Betriebsratsmandate für ihre Liste zu gewinnen. Solche Betriebsräte zahlen sich auch für die zuständige Gewerkschaft aus: Innerhalb eines Jahres konnten sie die Zahl der IGBCE-Mitglieder beinahe verdoppeln – auf jetzt knapp 500 von insgesamt 700 Kolleg:innen.

Ohne Frage: Ein Vorzeigebetrieb im gewerkschaftlichen und politischen Sinne. Und eher die Ausnahme als die Regel. Vor allem aber ein Beleg dafür, dass mit kämpferischer Gewerkschaftsarbeit etwas zu erreichen ist und dass diese Organisationsform an Attraktivität gewinnt, wenn sie denn offensiv auftritt. Dafür stand auch der Bericht des Betriebsratsvorsitzenden der Uniklinik Mannheim, die bei den letzten Tarifauseinandersetzungen viele neue Mitglieder gewinnen konnte.

Politischer Rückschritt

Die einzelnen betrieblichen Erfolge können nicht darüber hinwegtäuschen, dass auf politischer Ebene große Rückschritte zu beklagen sind.

Wer im Koalitionsvertrag der amtierenden Bundesregierung nach dem Thema Abwehr von BR-Mobbing und Gewerkschaftsbekämpfung sucht, findet – weiße Flecken. Die Ampelkoalition hatte noch beschlossen, die Bestimmung in § 119 Betriebsverfassungsgesetz von einem Antrags- in ein Offizialdelikt umzuwandeln. Passiert ist – nichts. Auch das Nachwirken des Arbeitsunrechts der Nazi-Diktatur (zum Beispiel in Form der „Verdachtskündigungen“) wird in der Öffentlichkeit weitestgehend ignoriert und von der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit als „legal“ angesehen. Dabei ist offensichtlich, dass es elementaren deutschen und internationalen Rechtsgrundsätzen widerspricht.

IGM gibt sich kampffreudig

Kämpferische Töne wurden in Mannheim auch von mehreren Sekretären des Hauptvorstandes der IG Metall angeschlagen, die auf der Konferenz sprachen.

Erst kämpfen, dann verhandeln, hieß es im Hinblick auf die erstarkenden rechten Listen auch in großen Konzernen der Automobilindustrie wie Daimler. Wer sie zurückdrängen wolle, dürfe nicht auf schnelle Standortsicherungsverträge setzen, sondern müsse die Belegschaften beteiligen, betriebliche Kämpfe organisieren. Damit sei es z.   B. gelungen, rechte Listen im VW-Werk von Zwickau in die Schranken zu weisen.

Zu den Betriebsratswahlen im kommenden Frühjahr gibt die IG Metall ein Aktionshandbuch rund um die Themen „Betriebsrat und Wahlen“ heraus, inklusive Kampagnenplaner und Videogenerator. Alexander Mohrlang aus der Frankfurter IGM-Zentrale sprach in seinem Beitrag über die Strategien gegen die neuen High-Tech-Faschisten sogar von der Notwendigkeit, dem kapitalistischen Wettbewerbsprinzip eine Absage zu erteilen. Solche Töne sind rar geworden in der IG Metall. Dafür erhielt er einerseits viel Beifall, aber es ploppte auch die Frage auf, wie sich das in der Praxis der Gewerkschaft widerspiegeln könnte. Mit den gigantischen staatlichen Aufrüstungsprogrammen, mit denen Teile des IG-Metall-Vorstands auch der Krise in der Automobilindustrie begegnen wollen, konnten sich die Anwesenden jedenfalls nicht anfreunden.

In ihrer Entschließung fordert die Konferenz im Hinblick auf die kommenden Betriebsratswahlen dazu auf, demokratische Gegenmacht in der Arbeitswelt zu stärken. „Sie ist wesentlich, um Betriebsrats- und Gewerkschaftsbekämpfung, die sich verschärfenden Angriffe auf Arbeitsplätze und den auch dadurch weiter geförderten bedrohlichen Rechtsruck stoppen zu können.“

Dieser Artikel wird in der November-Ausgabe der Sozialistischen Zeitung (SoZ) erscheinen.

Der vollständige Text der Entschließung der 12. Konferenz „Betriebsräte im Visier“ und die Ankündigung können von der Webseite „Gegen BR-Mobbing“ heruntergeladen werden.

Siehe auch Dokumentation der 11. bundesweiten Konferenz gegen BR-Mobbing, 12. Oktober 2024, sowie den Offenen Brief an die Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften und des DGB „Fortwirken des faschistischen Arbeitsunrechts beenden!“

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