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Betrieb & Gewerkschaft

Das System Siemens – mit Gewerkschaft AUB

Von Korrespondent Frankfurt/M. | 01.05.2007

Schwarze Kassen im Ausland, systematische Korruption und jetzt auch eine eigene „Arbeitnehmer“vertretung: Vor kurzem kam heraus, dass Siemens nicht nur die Kunden, sondern auch die eigenen Leute gekauft hat. Seit Jahrzehnten hatte Siemens eine willfährige gelbe Gewerkschaft (Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Betriebsangehöriger, AUB) als präventive Streikbrecherin mit Millionen versorgt, um die ihr lästige Gewerkschaft IG Metall klein zu halten.

Schwarze Kassen im Ausland, systematische Korruption und jetzt auch eine eigene „Arbeitnehmer“vertretung: Vor kurzem kam heraus, dass Siemens nicht nur die Kunden, sondern auch die eigenen Leute gekauft hat. Seit Jahrzehnten hatte Siemens eine willfährige gelbe Gewerkschaft (Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Betriebsangehöriger, AUB) als präventive Streikbrecherin mit Millionen versorgt, um die ihr lästige Gewerkschaft IG Metall klein zu halten.

Bei Siemens lief es offenbar ähnlich, wie im Fall Volkswagen. Dort waren dem Exbetriebsratschef für Wohlverhalten durch den Konzern Millionen gezahlt und eine Geliebte großzügig alimentiert worden. Bei den dubiosen Beziehungen zwischen Siemens und der AUB geht es jedoch nicht um persönliche Fehltritte und Begünstigung einzelner Betriebsräte, sondern um die systematische Begünstigung einer ganzen Organisation, in dieser Dimension ein bisher nicht da gewesener Fall.

Mitte der siebziger Jahre bei Siemens als Initiative einiger Betriebsräte gegründet, greift die AUB längst nach Einfluss in anderen Branchen. Aggressive Ablehnung der angeblich ideologisch „verblendeten“ und „ferngesteuerten“ IG Metall sowie das erklärte Ziel, die Harmonie mit der Geschäftsleitung in den Vordergrund zu stellen, kamen der Geschäftsführung wie gerufen. 1984 wurde Schelsky Vorsitzender der AUB. Unter ihm kam die AUB richtig in Schwung und erweiterte ihren Einflussbereich auf andere Unternehmen. Dabei fällt auf, dass sie Erfolge häufig vor allem in Unternehmen verbucht, die durch harte Personalpolitik von sich reden machen. Ganz besonders gilt dies für als notorisch gewerkschaftsfeindlich bekannte Unternehmen wie Aldi, Karstadt und WalMart.
Unbegrenzte Mittel?
IG-Metall-Betriebsräte hatten sich schon lange über die scheinbar unbegrenzten finanziellen Mittel der Kleingewerkschaft gewundert, die immer mit dem teuersten Werbematerial um Betriebsratsmandate rang, Gewinnspiele veranstaltete und Trikots an Betriebssportgruppen verschenkte. Das könnte zumindest den Verbleib eines Teils der 34 Millionen Euro erklären, die Schelsky für eine mysteriöse „Beratertätigkeit“ erhalten haben soll. In Gewerkschaftskreisen hielt sich die Überraschung in Grenzen, als die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen Schelsky wegen Korruption zu ermitteln begann.

Immerhin verfügen auch die „Unabhängigen“ über einen „Solidaritätsfonds“. Der Begriff „Streikbrecherfonds“ wäre allerdings angebrachter. Er ist nämlich für Mitglieder gedacht, „die anlässlich eines Arbeitskampfes unverschuldet Einkommensverluste erleiden“, und zwar „insbesondere diejenigen, die durch Streikposten an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert werden“.
Während einer Auseinandersetzung am Münchner Siemens-Standort Hofmannstraße hetzte die AUB Ende 2003 mit großflächigen Plakaten gegen den Betriebsratsvorsitzenden Heribert Fieber und die IG Metall: „Fieber, Filz und Führungsschwäche: Das haut den stärksten Standort um.“ Mehrere AUB-Mitglieder wechselten bereits infolge dieser Kampagne zur IG Metall. Bei der darauf folgenden Betriebsratswahl verlor die AUB ein Drittel ihrer Stimmen.
Die Rolle Schelskys
Nach seiner Arbeit als BR-Vorsitzender bei Siemens in Erlangen zog es Schelsky neben der Tätigkeit als AUB-Chef als selbständigen Unternehmensberater in die Wirtschaft. In der Folge gründete er diverse Firmen, beispielsweise die NSG Netzwerk Service GmbH. Nach einer unentgeltlichen Anhebung der Arbeitszeit von 37,5 auf 40 Stunden im Jahr 2002 legte man den Beschäftigten im Frühjahr 2005 Zusätze zu ihren Arbeitsverträgen vor. Neben einer weiteren Erhöhung auf 42,5 Wochenstunden sollten sie unterschreiben, dass Überstunden und Mehrarbeit mit dem Grundgehalt pauschal abgegolten sind, der Urlaubsanspruch sich von 30 auf 24 Tage verringert sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld mit der Auszahlung des Grundgehalts abgegolten sind. Um mögliche Härten auszugleichen, gewährt Schelsky ein Darlehen!

Der neue Siemens-Skandal hatte im Februar noch mit einem eher marginalen Ereignis begonnen. Da wurde Schelsky wegen mutmaßlicher Steuerdelikte verhaftet. Grundlage dafür war ein Beratervertrag, den Siemens Vorstandsmitglied Feldmayer 2001 mit Schelsky abgeschlossen hatte. Insgesamt sollen seit 2001 rund 34 Millionen Euro an Schelsky geflossen sein. Da die Staatsanwälte bislang nur Zahlungen der Jahre 2001 bis 2005 im Visier haben, könnte das erst die Spitze des Eisbergs sein. Feldmayer kam deshalb in U-Haft. Der Haftbefehl wurde mittler­weile außer Vollzug gesetzt.
Demokratische AUB?
Nach eigenen Angaben wusste nicht einmal Schelskys erste Stellvertreterin Ingrid Brandt-Hückstädt über die Finanzierung ihrer Organisation Bescheid. Vor ihrem AUB-Job war sie u. a. Pressesprecherin des Unternehmerverbands der Druckindustrie Nord sowie der FDP Schleswig-Holstein. „Es gibt kaum eine demokratische Willensbildung innerhalb der AUB. Die Anweisungen kommen von der Hauptgeschäftsstelle in Nürnberg“, so IG-Metall-Sekretär Michael Leppek.

In Hamburg, Frankfurt und München zogen ehemals Gutgläubige bereits Konsequenzen. Die bisherigen AUB-Mitglieder im Betriebsrat der Siemens-Niederlassung Frankfurt distanzierten sich von den „Unabhängigen“ und führen ihre Arbeit nun ohne Bindung an eine Gruppe weiter. In einem Münchner Siemens-Betrieb soll ein enttäuschter AUB-Betriebsrat sogar sein Amt niedergelegt haben.
An einen Gedanken sollte sich der AUB-Vorstand schon jetzt gewöhnen: Schicke Tagungshotels, luxuriöse Seminare und üppig ausgestattete Geschäftsstellen werden sich mit acht Euro Mitgliedsbeitrag nicht lange bezahlen lassen.

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