Das schlechteste Ergebnis seit zwanzig Jahren
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Zu den Parlamentswahlen in Portugal - Bloco de Esquerda

Das schlechteste Ergebnis seit zwanzig Jahren

Von Michael Rieger | 02.02.2022

António Costa und die Sozialistische Partei haben die Wahlen vom 30. Januar 2022 mit klarem Ergebnis gewonnen und erzielten die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament. Wie lässt sich dieser Sieg einordnen? Ist es ein Erfolg für die Linke?

Ein paar Zahlen vorweg

Portugal hat 10,3 Millionen Einwohner:innen, die Zahl der sog. „Auslandsportugies:innen“ liegt bei mehr als 2,3 Millionen. Nicht zuletzt viele gut ausgebildete jüngere Menschen haben das Land seit 2010/11 im Zeichen der „Banken- und Finanzkrise“ verlassen, um z. B. in Irland oder Deutschland deutlich bessere Verdienstmöglichkeiten zu finden. Eine Reihe von Sparmaßnahmen begleitete die Politik zur Rekapitalisierung durch die EU. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 7 % und die Armut, insbesondere die Altersarmut stellt ein wachsendes Problem dar: Laut Publico leben „mehr als 1,6 Millionen Portugies:innen von weniger als 540 Euro im Monat“. Und weiter: „2020 erhielten mehr als 1,5 Millionen Rentner:innen der Sozialversicherung eine Alters- oder Invaliditätsrente, die unter dem nationalen Mindestlohn liegt. Somit lebten fast 80 % dieser Rentner:innen von weniger als 635 Euro pro Monat.“

Ein kurzer Rückblick

2015 gab es in Portugal einen Regierungswechsel: Die bisherige konservative Regierung von Premierminister Pedro Passos Coelho (PSD) verlor ihre Mehrheit im Parlament und wurde durch die Sozialistische Partei (PS), die 32 % erzielte, abgelöst. Der neue Premierminister António Costa hatte sich gegen eine Große Koalition entschieden und führte stattdessen eine linke Minderheitsregierung auf der Basis von Tolerierungen an, und zwar Tolerierungen durch den Bloco de Esquerda und ein Wahlbündnis der Kommunistischen Partei (PCP) und der Grünen, die Coligação Democrática Unitária (CDU). 2019 verbesserte sich die Sozialistische Partei (PS) sogar auf 36 %, während ihre Partner leichte Einbußen hinnehmen mussten; die Minderheitsregierung konnte fortgesetzt werden. Eine Konstellation mit Seltenheitswert, wenn man bedenkt, dass die PCP einen orthodoxen Kurs vertritt, während der Bloco de Esquerda trotzkistische Wurzeln hat.

Im Oktober 2021 erreichte die Zusammenarbeit aber ihre Grenzen. Sowohl der Bloco wie auch die Kommunisten, im Bündnis mit den Grünen, versagten dem Haushalt die Zustimmung. Sie drängten darauf, die Sozialausgaben zu erhöhen. Doch zu einer Einigung mit den Sozialisten kam es nicht. In der Tagesschau beteuerte Costa, er habe „ein reines Gewissen, denn ich habe alles getan, was ich konnte, um diesen Haushalt durch das Parlament zu bringen.“ Doch das diente nur der Ablenkung von seinem Kalkül. Catarina Martins, die Vorsitzende des Bloco de Esquerda, deutete das Verhalten des Premierministers gegenüber dem nationalen Fernsehsender RTP wie folgt: „Ich kann die Strategie der Regierung nicht verstehen, außer sie legt es auf vorgezogene Neuwahlen an. Und das finde ich ausgesprochen verantwortungslos.“ Auch der Vorsitzende der PCP, Jerónimo de Sousa, kritisierte Costa. Er warf ihm vor, eine absolute Mehrheit anzustreben, um einen Politikwechsel jenseits der linken Allianz durchzusetzen (vgl. moveaveiro.pt): „Die PS will nicht, dass eine absolute Mehrheit den Lebensbedingungen der Arbeiter:innen und des Volkes neuen Schwung verleiht. Er möchte freie Hand haben, um eine Politik zu verfolgen, die nicht den Interessen der Arbeitnehmer:innen und des Volkes dient.“ Und das traf den Nagel genau auf den Kopf. Vor diesem Hintergrund kam es jetzt zu den vorgezogenen Neuwahlen am 30. Januar 2022.

Das Ergebnis

António Costa hat sein Ziel erreicht und mit den eindeutig gewonnenen Wahlen die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament erreicht. Die PS hat ihren Stimmenanteil noch einmal vergrößern können, auf jetzt auf 42 % – damit beträgt der Abstand zur anderen großen Volkspartei, zur konservativen PSD sage und schreibe 14 %. Aus linker Perspektive ist das Ergebnis des Bloco de Esquerda und der Kommunisten von größerer Bedeutung. Die beiden verloren 5 bzw. 2 % und kommen jetzt gemeinsam nur noch auf 9 % bzw 11 Sitze (während sie 2019 noch auf zusammen 15 % und 31 Sitze kamen!).

Diese Entwicklung weist noch einen besonderen Aspekt auf: Auch Portugal besitzt nun eine rechtspopulistische bzw. rechtsextremistische Fraktion im Parlament. Mit einem Stimmenanteil von 1,3 % kam Chega! (am besten mit „es reicht jetzt!“ übersetzt) auf exakt einen Sitz im Parlament, dank der vorgezogenen Neuwahlen sitzen künftig 12 Abgeordnete von Chega! in der Assembleia da República. Themen und Rhetorik der Partei, etwa die Ausfälle gegen Sinti und Roma, erinnern bisweilen an Matteo Salvini. Für ihre populistische Propaganda besitzt die Partei nun eine größere Bühne. 

Fazit

Indem Costa im Poker um die absolute Mehrheit  gewonnen hat, und zwar haushoch, konnte er die linken Kräfte, auf die er bisher angewiesen war, vollständig marginalisieren. Sie haben damit keinen unmittelbaren Einfluss mehr auf die Politik. Das ist ein schwerer Schlag für die revolutionäre Linke in Portugal. Für den Bloco de Esquerda ist es das schlechteste Ergebnis seit genau zwanzig Jahren. Catarina Martins betonte gegenüber Expresso, dass der Bloco de Esquerda seine Entscheidungen nicht aus wahltaktischen Überlegungen heraus getroffen habe: „Die Tatsache, dass wir ein schlechtes Wahlergebnis eingefahren haben, bedeutet nicht, dass wir nun denken, dass der Haushalt gut war.“ Damit hat sie sicher recht. Aber die Sozialisten haben nun, genau wie Jerónimo de Sousa prophezeite, „freie Hand“, um eine Politik im Zeichen der Konsolidierung der Haushalte voranzutreiben, eine Politik gegen die Interessen der Arbeiterklasse. Diese zu vertreten und die Rechte der Arbeitnehmer:innen zu verteidigen, wird nun nach den Wahlen noch wichtiger, aber auch deutlich schwieriger.

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