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Innenpolitik

Das „Koch-Steinbrück-Paket“: Mit dem Rasenmäher über Lohnabhängige!

Von Oskar Kuhn | 01.04.2004

Der Subventionsabbau-Katalog der Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) ist seit dem 30.September auf dem Tisch. Diese große Koalition zwischen den christ- und sozialdemokratisch geführten Landesregierungen Hessens und Nordrhein-Westfalens liegt in der Logik des neoliberalen Kahlschlags der Agenda 2010 und trifft die Lohnabhängigen einmal mehr am Härtesten.

Der Subventionsabbau-Katalog der Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) ist seit dem 30.September auf dem Tisch. Diese große Koalition zwischen den christ- und sozialdemokratisch geführten Landesregierungen Hessens und Nordrhein-Westfalens liegt in der Logik des neoliberalen Kahlschlags der Agenda 2010 und trifft die Lohnabhängigen einmal mehr am Härtesten.

Koch und Steinbrück haben sich auf einen umfangreichen „Subventionsabbau-Katalog" geeinigt. Er sieht u.a. vor, Pendlerpauschale, Eigenheimförderung, Sparerfreibetrag und Steinkohlebeihilfen nach der „Rasenmähermethode" zu kürzen. Ziel ist es – in neoliberaler Sprachmanier – „quer durch den Subventionsgarten" bis zum Jahr 2006 ca. 4 Prozent oder 15,8 Milliarden Euro bei den öffentlichen Ausgaben zu kürzen. Im einzelnen sollen bei der Eigenheimzulage 1,35 Mrd. Euro und bei der Pendlerpauschale 1,18 Mrd. Euro (Entfernungspauschale: 460 Mio. Euro; Arbeitnehmerpauschbetrag: 720 Mio. Euro) haushaltstechnisch eingespart werden. Hinzu kommen Mehreinnahmen von 240 Mio. Euro beim Sparerfreibetrag und eine Streichliste von 4,6 Milliarden Euro in der Sparte „direkte Finanzhilfen", die nicht nur die Steinkohle sondern auch die Bahn und den öffentlichen Nahverkehr treffen. Zuschüsse für SchülerInnen, Auszubildende und Schwerbehinderte werden ebenso zusammengestrichen wie bisherige Subventionen für die Werftindustrie.
Was steckt hinter dem Koch-Steinbrück-Paket?
Wenn wir die Kahlschlagschneise hinter Kochs und Steinbrücks Rasenmäher genauer betrachten, so ist nicht einfach „gleichmäßig" gekürzt worden – nebenbei ist die Sorge um „gleichmäßige Kürzungen" bei ungleichen gesellschaftlichen Verhältnissen purer Zynismus. Vor allem die PendlerInnen, die Auszubildenden und Schwerbehinderten werden zusammen mit Schröders Agenda 2010 belastet. Der absehbare Stellenabbau in der Steinkohle- und Werftindustrie verdeutlicht zudem, dass in erster Linie die Lohnabhängigen die Zeche zu zahlen haben. Eigenheimzulage und Sparerfreibetrag treffen nicht unmittelbar die Existenz, es sei denn, mensch begeht ohne eigene ausreichende finanzielle Rücklagen – und das trifft auf die überwältigende Masse der Lohnabhängigen zu – im kommenden Jahr Häuslebauer-Harakiri.
Parteipolitische Diktatur
Die Reaktionen auf das Koch-Steinbrück-Paket verdeutlichen die parteipolitische Diktatur des neoliberalen Kapitalismus. Finanzminister Eichel erklärte sich unmittelbar zur Übernahme der meisten Punkte bereit, um jedoch – ähnlich wie Wirtschaftsminister Clement – den Vorbehalt zu äußern, die Vorschläge gingen nicht weit genug. Die parteipolitische Konkurrenz aus dem Hause FDP und Bündnis 90/Die Grünen heuchelten hier lediglich berufsbedingte Opposition. Ihnen ist das Koch-Steinbrück-Paket zu halbherzig (Wolfgang Gerhardt, Fraktionschef der FDP im Bundestag) bzw. „politisch schizophren", da nicht genügend gegenfinanziert (Krista Sager, Fraktionsvorsitzende der Grünen). Dass v.a. breite Sektoren der ArbeiterInnenklasse erneut zu Ader gelassen werden, kümmert niemanden der gewählten „VolksvertreterInnen".
Die politische Lehre
Wie ist dies politisch zu bewerten? Zunächst belegen die Eckpunkte dieser Initiative die bereits bestehende große Koalition des Sozialabbaus. SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und CDU/CSU mögen über die Gestaltung und Gewichtung des Sozialabbbaus streiten – einig sind sie sich alle im Ziel der Stärkung des Kapitals auf Kosten der ArbeiterInnenklasse. Das nun vorliegenden Paket aus Wiesbaden und Düsseldorf ist im weiteren ein Musterbeispiel für den Betrug der bürgerlichen Demokratie an den Interessen der 41 Millionen Lohnabhängigen. Denn auf parlamentarischer Ebene existiert keine Wirtschafts- und sozialpolitische Alternative zu Rentenkürzungen, Abbau von Lohn"neben"kosten oder der Aufhebung paritätischer Krankenversicherung. Parteipolitische Rivalität ergibt sich allein aus der verschiedenen gesellschaftlichen Verankerung der Parteien und der daraus abgeleiteten Klientel- und Interessenpolitik. Es geht für die bürgerlichen Parteien letztlich also nur um den direkten Zugang zu den staatlichen Fleischtöpfen.
Gemeinsame Initiative
Doch wieso heben gerade Koch und Steinbrück eine gemeinsame Initiative ans Rampenlicht? Der auf die CDU/CSU-Kanzlerkandidatur fixierte Roland Koch sucht sich offenkundig als „staatsmännischer Reformmotor" anzudienen, während der auf Bundesebene weniger bekannte und ambitionierte Peer Steinbrück primär den grünen Koalitionspartner in der Landeshauptstadt Düsseldorf – und im Interesse von Schröder auch in Berlin – unter Druck zu setzen sucht. Für beide ist das gemeinsame Papier deshalb mehr als lohnend. Koch punktet u.a. gegenüber der Parteivorsitzenden Merkel, die ohne Regierungsverantwortung und eigenes Konzept im Kielwasser der Herzog-Kommission schwimmt. Steinbrück hingegen wird mit der Unterstützung aus dem Kanzleramt zum Antreiber der Grünen, die mit dem Schreckgespenst der großen Koalition auf Bundesebene nicht nur an Rhein und Ruhr gefügig gemacht werden sollen.

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