Eigentlich wollte ich zum Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) nichts mehr schreiben. Meine von Beginn an geäußerte Kritik an diesem politischen Projekt, in Deutschland eine neue rechte Partei mit Massenanhang zu kreieren, die auch als Querfrontangebot für verwirrte Linke angenommen wird, hat sich in bedrückender Weise bis ins Detail bestätigt. Das ist kein Grund, schadenfroh auf die betroffenen Veranstalter:innen des BSW zu zeigen, sondern bitter traurig, weil viele der Mitmachenden noch vor sehr kurzer Zeit in der LINKEN und bei der Linken waren, und auch im Niedergang des Projektes von vielen Leuten immer noch auf diesen „linken Ursprung“ hingewiesen wird.
Aber insbesondere die jüngsten Ereignisse im Landesverband Thüringen des BSW sind Anlass, doch noch einmal dazu Stellung zu beziehen, weil – hoffentlich zum letzten Mal – wieder politisches Porzellan zerschlagen wird, das auch zu den Grundlagen der LINKEN und kommender linker Parlamentsparteien gehört.
Aber der Reihe nach: Das BSW macht nach dem knappen Scheitern an der 5-Prozentklausel bei den Bundestagswahlen eine „Schadensbehebung“, über deren einzelnen Schritte nur verwundert der Kopf geschüttelt werden kann.
Es wird zunächst eine Kampagne losgetreten, die scheitern muss. Die „Niederlage“ bei der Wahl wird verschwörungstheoretisch als erfolgreiches Manöver irgendwelcher Gegner:innen beschrieben. Die Medien hätten das BSW schlecht gemacht, die Wahlorganisation hätte das BSW benachteiligt. Nach Wochen kommt dann faktisch heraus, dass nicht mehr Auszähl- und Organisationsfehler gemacht wurden als bei früheren Wahlen. Trotzdem ist es natürlich bitter, dass ein Verein wie das BSW darunter besonders leidet, weil er nur sehr knapp an der Sperrklausel gescheitert ist.
Fakt ist aber gleichzeitig, dass ausgerechnet das BSW vor den Wahlen ein Lieblingskind der Medien war, allen voran die Chefin und Namensgeberin Wagenknecht. Ohne diese mediale Dauerpräsenz wäre der rasante Anstieg bei Umfragen und ersten Wahlen niemals zustande gekommen. Jetzt ist die Lage eine andere. Das BSW ist zu einem Konkurrenten der alten Platzhirsche in den Parlamenten geworden, also wird der Einfluss in den Medien genutzt, diesen Neuling herunterzuputzen.
Und nun bricht es zweifach über das BSW herein: Erstens: Weil der Laden nur ein Medien- und Agenturprojekt ohne Mitglieder und gesellschaftliche Verankerung ist, fehlt ihm jegliche Resilienz – wie es heute gern genannt wird – sich gegen die neuen Präferenzen der Medien zu wehren. Einem Konstrukt wie dem BSW kann im positiven wie im negativen Sinne jede beliebige Debatte oder auch nur Themenauswahl aufgezwungen werden. Noch nicht einmal große Online-Appelle im Internet gegen den „Betrug bei den Wahlen“, war das BSW in der Lage zu organisieren, was es zu anderen Fragen immerhin noch schaffte. Auf ein bei den Wahlen enttäuschendes Häuflein wird noch gern zusätzlich herumgetreten – warum soll es dem BSW besser gehen als der FDP?
Das hat auch mit der zweiten Reaktion auf den BSW-Betrugsvorwurf zu tun. So wie sich das BSW als vom bösen Gegner betrogene geschlossene Gemeinschaft dargestellt hat, ist es unmöglich, dass irgendjemand sonst außer den eigenen Mitgliedern, eine bekanntermaßen nur kleine Gruppe, sich mit dem BSW und seiner Kritik an den Wahlerfahrungen solidarisiert. Es ist dem BSW durchaus zu wünschen, dass die simple Forderung nach einer Neuauszählung der Stimmen erfüllt wird, aber die schräge Verschwörungs- und Betrugsgeschichte gleich mit zu unterstützen, das wird kaum einem oder einer einfallen. Strukturelle Probleme bei bundesdeutschen Wahlen können gemeinsam angeprangert werden, aber das beleidigt sein und sich betrogen fühlen des BSW bleibt Privatsache der BSW’ler:innen.
Ob es nützlich ist, schon in der ersten Phase der Beanstandung von Wahlen so ein großes öffentliches Rambo-Zambo, um es mit dem vermutlich neuen Kanzler zu sagen, zu veranstalten, kann auch diskutiert werden. Entscheiden über den Wahleinspruch wird auf dieser Ebene ja ein Wahlausschuss in dem die gewählten anderen Parteien das Sagen haben. Die werden durch öffentliches Geschrei ja erst recht bockig. Erst danach ist eine gerichtliche Überprüfung auf der Tagesordnung, wo öffentlicher Wirbel einiges ausrichten kann.
Zu einer politischen Kritik der strukturellen Mängel der parlamentarischen Demokratie in Deutschland war das BSW schon gar nicht in der Lage. Warum wird nicht wenigstens einmal die generell undemokratische Fünfprozentklausel in Frage gestellt, oder das die schon im Parlament vertretenen Parteien deutlich bevorteilende System von Wahlzulassung und öffentlicher und medialer Unterstützung? Da wären breite Kampagnen mit anderen denkbar.
Nach der Verschwörungskampagne war es fast zu befürchten, dass Phase zwei der „Selbstreinigung“ des BSW sich gegen falsche Leute in den eigenen Reihen richten würden. Die „Thüringer“, Frau Wolf und Co., hätten das Ergebnis versiebt. Deshalb begann die Operation des BSW-Bundesvorstandes, die bei der Zeitung taz zu der wunderbaren Überschrift führte „Wagenknecht gibt in Thüringen Wolf zum Abschuss frei“.
Dabei ist mittlerweile sonnenklar, dass die Regierungsbeteiligung des BSW in Brandenburg in keiner Weise besser ist als die in Thüringen. Geräuschlose Krisenverwaltung des Kapitalismus, Sparpolitik und Duldung von Aufrüstungsprojekten der Bundeswehr ist in beiden Ländern der die konkrete Politik bestimmende Maßstab. Aber irgendeine Art von Selbstkritik dieser schnellen Regierungsbeteiligung – darunter, man kann es ja gar nicht oft genug wiederholen, eine mit der Kriegspartei Nr. 1, der CDU und die andere mit der Kriegspartei Nr. 2, der SPD – ist nirgendwo beim BSW zu entdecken. Dafür umso mehr Grummeln und Raunen bei vielen einzelnen Mitgliedern und Unterstützer:innen.
Der Versuch, die Thüringer BSW-Spitze abzusägen, ist der immer mehr cliquenhaft zusammengerückten BSW-Bundesführung nicht gelungen. Aber sie hat für ihren Putsch gegen missliebige Leute Argumente benutzt, die richtige und kluge Positionen, die sich vor allem eine moderne linke Partei aneignen sollte, skandalös auf den Kopf stellten und für schnöde Personalschlachten missbrauchten.
Die „Trennung von Parteiamt und parlamentarischen oder Regierungsmandaten“ gehört zu den wichtigen Maßnahmen, die eine Partei, eine linke Partei natürlich besonders, heute einlösen muss, um der bei allen bisherigen linken Parteien in der Geschichte erlebten Bürokratisierung und parlamentarischen Verblödung entgegenzuwirken.
Das Gewicht der Partei und ihrer Mitglieder und Gremien muss gegenüber den parlamentarischen Fraktionen und den Mitgliedern in Regierungsbündnissen bewusst gestärkt werden. Die ehrenamtlichen Basismitglieder brauchen besondere durchsetzungsfähige demokratische Strukturen. Deshalb schlage ich seit vielen Jahren die Befristung von Mandaten in Parlament und Regierung, die Trennung von Amt und Mandat in den Parteivorständen und eine gnadenlose Transparenz bei allen finanziellen, materiellen und moralischen Privilegien für Mandatsträger:innen.
Die Führungsriege des BSW benutzt die Forderung nach Trennung von Amt und Mandat allerdings nicht, um demokratische, von konkreten Personen unabhängige und dauerhaft wirksame Strukturen aufzubauen, sondern als schnödes Werkzeug um einzelne Leute zu diskreditieren und abzusägen.
Dieser Schindluder, den das BSW mit hehren politischen Prinzipien treibt, beweist noch einmal, dass das BSW keine linke Partei ist, noch nicht einmal eine liberale Partei, sondern nur eine eklige Beutegemeinschaft von Berufspolitiker:innen, die sich früher oder später immer gegenseitig an die Gurgel gehen.