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Kultur

Buchbesprechung: Strukturen der Geschichte

Von J.A. | 01.01.2008

{mosimage}Kaum war die Sowjetunion untergegangen, wurde in den USA schon von konservativen Intellektuellen das Ende der Geschichte verkündet; die Gegenwart, so hieß es, verlängere sich unendlich in die Zukunft.

Kaum war die Sowjetunion untergegangen, wurde in den USA schon von konservativen Intellektuellen das Ende der Geschichte verkündet; die Gegenwart, so hieß es, verlängere sich unendlich in die Zukunft.

Im vor kurzem im Neuen ISP-Verlag erschienen Buch von Bernhard Brosius bemerkt der Autor dazu spöttisch: „Gleiches dachten der Sonnenkönig Ludwig XIV. oder Kaiser Augustus von ihren Zeitaltern, und für das Selbstbewusstsein und das Zeitgefühl der Pharaonen sprechen die Bauwerke, die sie uns hinterlassen haben.“

Offenkundig ist die Verkündung eines Endes der Geschichte voreilig. Was aber sind – das ist die zentrale Fragestellung des Buchs von Bernhard Brosius – die Gesetzmäßigkeiten historischer Transformationen? „Was können wir sagen über jene Welt, die der unseren folgt, – und welche Möglichkeiten der Verwandlung gibt es?“

Brosius‘ Ziel ist eine „Darstellung historischer Transformationen“, die die Gesetze dieser Wandlungen formuliert. Das Buch beschreibt die „Umwandlung einer Produktionsweise in eine andere“, konkret: den Weg vom Urkommunismus zum Kapitalismus. Was haben die gesellschaftlichen Verwandlungen vom Untergang des frühen Kommunismus der reichen Bauernsiedlungen in Europa und Anatolien über den langsamen Tod der Antike vor 1500 Jahren bis hin zur Französischen Revolution von 1789 gemeinsam? Und was unterscheidet sie voneinander? Was können wir – so fragt Brosius – aus ihnen „lernen über das Ende unseres Zeitalters und die Geburt einer neuen Epoche?“

Die passenden Begriffe, um den Wandlungsprozess von Gesellschaften beschreiben und verstehen zu können, liefert für Brosius „die allgemeine Theorie von Veränderung und Wandlung“: die Dialektik.
Brosius zeigt, wie vorzugehen ist, um Einsicht in die Entwicklung von Gesellschaften zu gewinnen. Dazu bedarf es einer Blickweise, die nicht statisch ist, sondern die gegebene Fakten als entstandene und sich verändernde betrachtet (entweder fortschrittlich oder hin zur Barbarei).
Neuartige Darstellung
Brosius behandelt dazu die Grundbegriffe der dialektischen Methode und des historischen Materialismus: die Negation, die Negation der Negation, den Widerspruch; und den Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen, die soziale Revolution und ihre Alternative: die Barbarei; schließlich die Revolutionen der Produktionsweisen im historischen Prozess. Und er schließt mit einer Erörterung der Frage: Befinden wird uns auf dem Weg zum Sozialismus? Wo sind die Keime des künftigen Produktionsverhältnisses?

Brosius stellt dabei die Dialektik so dar, dass erkennbar wird: Die Dialektik macht es möglich, Einsicht in die Entwicklung der Wirklichkeit zu erlangen. In seinem Buch verarbeitet Brosius dazu die Fortschritte der letzten dreißig Jahre in den archäologischen und historischen Wissenschaften einerseits, im Bereich marxistischer Theoriebildung andererseits. Brosius‘ Buch ist also alles andere als ein Nachbeten der „klassischen“ Formulierungen von Engels aus dessen „Anti-Dühring“. Brosius verarbeitet zudem neuartige Darstellungen der Dialektik. Außerdem gibt er immer wieder Beispiele, um die Anwendung der schwierigen dialektischen Methode zu erläutern, um sie verstehbar und handhabbar zu machen. Zur Veranschaulichung seiner Darstellung liefert Brosius darüber hinaus insgesamt 36 übersichtliche Graphiken und Tabellen. Am Schluss des Buchs finden sich 7 Tabellen zu den Produktionsweisen und ihren Transformationen, von der neolithischen bis zur sozialistischen Revolution, sowie Literaturhinweise zu den einzelnen Kapiteln.

Brosius hätte die Anschaulichkeit seines Buchs nur dadurch noch steigern können, dass er der Leistungsfähigkeit der dialektischen Erkenntnisgewinnung die traditionellen nicht-dialektischen Methoden gegenübergestellt und dargestellt hätte, was mit ihnen im Unterschied zur dialektischen Methode nicht zu erkennen ist. Doch dazu hätte das Buch vermutlich doppelt so umfangreich werden müssen.

Vielen gelten heutzutage die Dialektik und der historische Materialismus als „toter Hund“. Dass sie alles andere als das sind, wird bei der Lektüre von Bernhard Brosius‘  Buch „Die Strukturen der Geschichte“ deutlich.

 

TiPP!
Bernhard Brosius:

Strukturen der Geschichte. Eine Einführung in den Historischen Materialismus.

Neuer ISP Verlag. Köln 2007. 125 Seiten. 12 Euro.

ISBN: 3-899-001-222

 

 

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