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Antifa/Antira

Brauner Kack im autonomen Frack

Von joe hill | 01.06.2005

Seit einigen Jahren häufen sich Anstrengungen neonazistischer „Freier Kameradschaften“ mittels Anknüpfung an autonome Stilelemente Anhang zu gewinnen. Glücklicherweise mit bisher geringem Erfolg.

Dabei wird seitens der Nazis nicht nur an Accessoires wie Palitücher (in der Linken inzwischen eher out), Che Guevara-T-Shirts oder rote Fahnen sondern auch an historisch eher mit der autonomen Szene verbundenen Aktionsformen (Schwarzer Block) angeknüpft. Auch im Sprachduktus bis hin zur Übernahme von Parolen (was in aller Regel gegen Parolen wie „USA – internationale Völkermordzentrale“ und nicht für die Nazis spricht) versuchen die FaschistInnen ihre „autonomen Vorbilder“ zu imitieren. Die Programmatik der „nationalen Autonomen“ oder „autonomen Nationalisten“ bleibt allerdings die Gleiche wie bei den übrigen Nazis.

Nazi bleibt Nazi

Die Gründe für diese Orientierung einiger Nazivereinigungen liegen in mehreren Entwicklungen der letzten Jahre. Zum einen soll versucht werden, von einer – trotz allen Krisen – immer noch bestehende Attraktivität autonomer kultureller Formen und Aktionen zu profitieren, speziell die mediale Inszenierung um den „Black Block“ nach dem G8-Gipfel in Genua 2001 ist hier zu nennen. Zum zweiten verbergen sich hinter derartigen Aktivitäten auch Querfrontambitionen. Vor allem diejenigen Linken, welche auf Grund wenig gefestigter und schwammiger eigener Positionen partielle Überschneidungen zur faschistischen Rechten aufweisen1 , sollen für eine Zusammenarbeit „gegen das System“ und später für die volle faschistische Programmatik gewonnen werden. Immerhin scheint der größte Teil der radikalen Linken nach wie vor zu wissen, dass rechte und linke Systemgegnerschaft zwei gänzlich verschiedene Paar Schuhe sind.
Die faschistischen Anknüpfungsversuche an autonome Formen artikulieren auch eine gewisse Unzufriedenheit mit dem in NPD und Nazi-Kameradschaften grassierenden Spießertum, „Salon-Patriotismus“ und Drang nach bürgerlicher Reputierlichkeit aus. Eine Entwicklung hin zu linken, emanzipatorischen Positionen ist mit letzterem allerdings nicht verbunden. Und anders als bei manchen „Nationalrevolutionären“ der 1980er Jahre handelt es sich bei den genannten Nationalautonomen auch nicht um Menschen, die gerne Linke sein wollten aber immer noch objektiv faschistische Positionen vertraten, sondern um Nazis, die Nazis bleiben wollen.

Bis jetzt wenig Erfolg

Die Erfolge derartiger Bestrebungen hielten sich bisher in Grenzen, weder ließen sich durch ein derartiges Gebaren Menschen aus der Linken ansprechen, wirkte doch die autonome Kostümierung mancher Nazis einfach nur aufgesetzt. Auch waren die nämlichen „Freien Kameradschaften“ in ihren jeweiligen Regionen (im Südwesten, in Franken und Berlin) in aller Regel in erster Linie als faschistische und rassistische SchlägerInnen bekannt – keine gute Referenz um Jugendliche anzusprechen, denen es eher um Rebellion geht. In der Naziszene wiederum wurden die „autonomen Nationalisten“ entweder als Sicherheitsrisiko abgelehnt oder aus puristischen Gründen als „undeutsch“ verworfen.
Bleibt die Frage, warum es teilweise für Nazis relativ einfach ist, sich linke (nicht nur autonome) Politikformen anzueignen. Auf jeden Fall sollte die Linke vor diesem Hintergrund durchaus einmal darüber nachdenken, ob es nicht in der eigenen Tradition Elemente (und seien sie auch nur ästhetischer Art) gibt, die auch auf Grund inhaltlicher Befrachtung von Nazis instrumentalisiert werden können2 . Auf praktischer Ebene dürfte allerdings Klarheit gegenüber „Nationalen Autonomen“ oder „Autonomen Nationalisten“ bestehen: Bei diesen handelt es sich wie bei NPD & Co. um Nazis, denen jederzeit mit allen nötigen Mitteln entgegen getreten werden muss.

1 So zum Beispiel unter Teilen der sogenannten Anti-Imps, deren Positionen zur Frage Israel/Palästina eine teilweise gefährliche Schlagseite zum Antisemitismus oder Antiamerikanismus aufweisen oder unter denjenigen Linken, welche sich unter anderem während der Montagsdemonstrationen positiv auf “das (deutsche) Volk” bezogen haben.

2 Was andererseits auch klare Grenzen hat, eine faschistische Bezugnahme auf einen internationalistischen Revolutionär wie Che Guevara kann immer nur oberflächlich, nie aber inhaltlich sein.

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