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Brasilianische PT schließt Parlamentsmitglieder aus: Abschied von der Linken?

Von Klaus Engert | 01.01.2004

Was lange niemand für möglich hielt, ist geschehen. Am Sonntag, den 14.12.03 schloss die PT-Leitung mit 55 gegen 27 Stimmen (alle Linken in der PT-Leitung einschließlich des Senators Eduardo Suplicy stimmten dagegen) vier prominente AktivistInnen aus der Partei aus.

Was lange niemand für möglich hielt, ist geschehen. Am Sonntag, den 14.12.03 schloss die PT-Leitung mit 55 gegen 27 Stimmen (alle Linken in der PT-Leitung einschließlich des Senators Eduardo Suplicy stimmten dagegen) vier prominente AktivistInnen aus der Partei aus.

Es handelt sich dabei um die Abgeordneten Luciana Genro von der Strömung MES (Bewegung der sozialistischen Linken), Joao Batista Araujo („Baba", Mitglied des CST – Sozialistische Arbeiterströmung), Joao Fontes (gehört keiner der internen PT-Tendenzen an) und die Senatorin Heloisa Helena, profilierte Vertreterin der Parteilinken aus der Strömung Democracia Socialista (DS), die sich zur 4. Internationale bekennt. Die DS stellt in der Regierung Lula mit Miguel Rossetto den Minister für Agrarreform und war in den letzten 20 Jahren am Aufbau der PT maßgeblich beteiligt.

Anlass für die Parteiausschlüsse war die Tatsache, dass die genannten ParlamentarierInnen im Gegensatz zu der von Lula geführten Mehrheitsströmung auf der Gültigkeit und der Einlösung des 2001 beschlossenen Wahlprogramms der PT bestehen und deshalb folgerichtig in Parlament und Senat gegen die neoliberalen Sozialgesetze der Lula-Regierung stimmten. Diese Gesetze stehen in diametralem Gegensatz zum Wahlprogramm der PT und wurden mit den Stimmen rechtsgerichteter Parteien verabschiedet. Auf wessen Mist diese Gesetze gewachsen sind und wem sie nützen, wurde schnell deutlich:

  • – Am 11.12. beschloss das Parlament die von den internationalen Finanzmärkten geforderte Reform der Sozialversicherung.
  • – Am 12.12. gewährte der Weltwährungsfonds einen Kredit über 14 Milliarden Dollar (ausdrücklich wegen der „beispielhaften" Wirtschaftspolitik Lulas).
  • – Am 13. 12. zog die Weltbank mit einer 7,5- Milliarden-Finanzspritze als „Unterstützung für die Reformbestrebungen" nach.


Auch ein breiter internationaler Appell an die PT, angeführt u.a. vom US-Publizisten Noam Chomsky, das Ausschlussverfahren niederzuschlagen, nützte nichts.
Erste Konsequenzen
Inzwischen haben eine ganze Reihe prominenter Mitglieder der DS und andere Linke, darunter der Mitgründer der PT, Francisco „Chico" de Oliveira, ein emeritierter Soziologieprofessor, öffentlich ihren Austritt aus der PT erklärt. Sie haben ihre Absicht bekundet, die in der brasilianischen Linken bereits seit einiger Zeit laufenden Bestrebungen zur Bildung einer gemeinsamen, pluralen sozialistischen Partei als Alternative zur PT zu unterstützen. In ihrer Erklärung bekräftigen sie, was der 15. Weltkongress der 4. Internationale in diesem Jahr formulierte, nämlich die notwendige Neuausrichtung der brasilianischen antikapitalistischen Linken. MES und CST gaben inzwischen ihren geschlossenen Austritt aus der PT bekannt. Die Leitung des MES gab Ende Dezember eine Stellungnahme heraus, in der ebenfalls zur Bildung einer neuen antikapitalistischen Kraft aufgerufen wird.

Der Ausschluss der vier Mandatsträger ist dabei allenfalls der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Denn die Lula-Regierung verfolgt seit ihrem Amtsantritt einen Kurs, der in erster Linie die Zufriedenheit der internationalen Finanzinstitutionen bezweckt und in direkter Kontinuität zu Lulas Vorgängern im Präsidentenamt steht: So starben unter Lulas Regierung im Jahr 2003 mehr Landlose bei Auseinandersetzungen mit Grundbesitzern als unter seinem Amtsvorgänger im Jahr zuvor und in der Auseinandersetzung um die „Unabhängigkeit" der Zentralbank stand die Lula-Regierung in einer Front mit den Rechtsparteien im Parlament gegen die Linke. In einer derartigen Regierung, die ihre Wahlversprechen bricht und eine bürgerliche Politik verfolgt, haben Sozialisten nichts zu suchen, insbesondere der DS-Minister Miguel Rossetto nicht.

Die DS hat im Gegensatz zu MES und CST ihren kollektiven Austritt (noch) nicht erklärt. In ihrer Verlautbarung nach den Ausschlüssen (die Erklärung ist in INPREKORR von Jan./Feb. 04 und auf der Homepage des RSB nachzulesen) kündigt sie an, die Parteiausschlüsse nicht zu akzeptieren, die ausgeschlossene Senatorin Heloisa Helena selbstverständlich in ihren Reihen zu behalten und für die Einberufung einer außerordentlichen PT-Parteikonferenz einzutreten, die über die Ausschlüsse entscheiden soll. Es ist nicht zu erwarten, dass eine solche Konferenz die Entscheidung der Lula-Kamarilla rückgängig machen wird. Aber sie wäre eine Gelegenheit, der Masse der PT-Mitglieder und der brasilianischen Bevölkerung deutlich zu machen, in welche Richtung Lula und seine Anhänger die PT steuern und damit die Voraussetzungen für den Aufbau einer sozialistischen Alternative zu ihr zu verbessern.

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