Brandenburg, blaues Auge?
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Nötig ist internationale Klassenpolitik

Brandenburg, blaues Auge?

Von Manuel Kellner | 23.09.2024

Am Samstag vor der Wahl gab es in Potsdam eine Kundgebung: „Potsdam bleibt bunt“, „Hass ist keine Meinung“, „Menschenrechte statt rechte Menschen“. Aufgerufen hatten das Bündnis „Menschen statt Gräben“ und die Initiative „Kein Bock auf Nazis.“ Viel Musik und klare Kante gegen rechts. Vielleicht hat es geholfen – sicher mehr als mein schwaches Stimmchen auf Facebook gegen die blau versetzte braune Flut. Mit 30,9 Prozent der Stimmen ist die SPD vor der AfD gelandet, die 29,2 Prozent eingefahren hat. Gottlob – sind wir mit einem blauen Auge davongekommen?

Kein Grund zur Entwarnung

Die SPD mit ihrem populären Ministerpräsidenten Dietmar Woidke hat in einem furiosen Endspurt 4,9 Prozentpunkte zugelegt. Die AfD hat aber 5,9 Prozentpunkte hinzugewonnen und gerade bei den Jüngsten und Jüngeren (2,1 Millionen Wahlberechtigte gab es, einschließlich der 16- bis 18jährigen) weit überdurchschnittlich abgeschnitten. Da gibt es keinerlei Grund zur Entwarnung. Wo Kita-Kinder morgens früh im Stuhlkreis singen „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ wird die nächste Großkatastrophe für Deutschland vorbereitet.

Ein Befreiungsschlag für die Ampel und die SPD bundesweit sind die Ergebnisse dieser Landtagswahlen sicherlich nicht. Woidke hatte sich Wahlauftritte der SPD-Bundesprominenz sogar verbeten. Die Grünen fliegen mit 4,1 % (minus 6,6 Prozentpunkte) aus dem Landtag und die FDP landet unter 1 % der Stimmen. Das gehört zu den wenigen erheiternden Ergebnissen dieser Wahl. Vielleicht kommt Lindner doch nicht so gut an mit seinen Vorschlägen, die Rente auf die Grundlage des Zockens mit Aktien zu stellen, den Ärmsten noch mehr Geld wegzunehmen und diejenigen, die im Gegensatz zu ihm schuften müssen, aufzufordern noch mehr und noch länger zu arbeiten.

Scheiternde CDU, dynamisches BSW

Aber auch die Unionsparteien können keine rechte Freude empfinden. Sie kommen nur auf 12,1 % und verlieren 3,5 Prozentpunkte. Sicherlich war die CDU Opfer der Polarisierung zwischen SPD und AfD: Viele stimmten ohne Überzeugung für die SPD, um eine Mehrheit der AfD zu verhindern. CDU-Kretschmar hatte sogar öffentlich dazu aufgefordert, die SPD zu wählen, wofür er jetzt ordentlich Watschen kriegt.  Opfer dieser Polarisierung waren natürlich auch die kleineren Parteien. Dennoch: Der Versuch von Merz, der AfD mit der Anpassung an ihre aggressive Flüchtlings- und Migrationspolitik Stimmen abzugraben ist einmal mehr krachend gescheitert.

Das BSW hat zum dritten Mal auf Anhieb ein zweistelliges Ergebnis eingefahren. Es zieht mit 13,5 % in den Landtag ein. Es erringt damit 14 Landtagsmandate, mehr als die CDU (12). Bei insgesamt 88 Abgeordneten kann die SPD (mit 32 Abgeordneten gegenüber der AfD mit 30) nur regieren, wenn sie mit dem BSW koaliert. Öffentlich wird viel darüber geredet, dass das BSW gegen weitere Militärhilfen für die Ukraine und gegen die Stationierung weiterer US-Raketen in Deutschland ist. Nun gut, im Grunde geht es da um das Abstimmungsverhalten im Bundesrat. Normal wäre die Vereinbarung, sich bei einschlägigen Abstimmungen zu enthalten. Andererseits könnte sich das BSW als Juniorpartner in einem solchen Regierungsbündnis rasch entzaubern – man darf gespannt sein. Interessant ist das Ergebnis einer Umfrage: Viele gaben an, froh zu sein, dass mit dem BSW eine Partei da ist, die sowohl für mehr soziale Gerechtigkeit als auch für die Beschränkung der Immigration ist.

Der Spitzenkandidat der AfD Hans-Christoph Berndt hat am Wahlabend ganz gut gezeigt, wes Geistes Kind er ist mit seinem Ausruf „Die nationale Front steht!“ Die Bundesprominenz der AfD gießt in der Regel Wasser in den Wein, wenn sie von Fernsehreportern auf die Nazisprüche ihrer rechtsextremistischsten Wüstlinge angesprochen wird, so in Sachen „Remigration“: Um Gottes Willen sind doch keine deutschen Staatsbürger oder gut Integrierte gemeint usw. Die Agitation vor Ort sieht aber anders aus.

DIE LINKE vor neuen Aufgaben

Die Partei DIE LINKE fliegt mit 3 % (minus 7,7 Punkte!) aus dem Landtag raus. Wenigstens steht sie bei den Jüngeren mit 7 % besser da. Vielleicht war es keine gute Idee, jegliches Flair der Aufmüpfigkeit von sich abzustreifen und den Rechten zu überlassen. Übrigens ist die AfD weitaus führend in den sogenannten „sozialen Medien“, Facebook, Instagram und vor allem Tiktok. Ihre Hetze, professionell gemacht, verfängt da besonders gut. Linke sollten Teams bilden, um sich auf diesen Ebenen wirksam einzubringen – immer verbunden mit Angeboten aktiv zu werden in der analogen Welt.

Bloß, wovon sollen wir Linken die jungen Leute begeistern? Für gemeinsame Aktion über die Grenzen der Länder und Weltregionen hinweg. Nur wenn diejenigen, die ausgebeutet, unterdrückt und diskriminiert werden sich zusammentun, können sie etwas im eigenen Interesse ändern: Im Kampf gegen die wirklich Mächtigen, gegen das große Kapital und seine Handlanger. Da gibt es dann keine „Ausländer“ und keine „Fremden“ mehr, vor denen man sich abschotten und die man rausschmeißen muss. Da gibt es Menschen, die zusammenhalten und eine Welt vor dem Untergang bewahren.

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