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Bildung, Jugend

Bildungsstreik-Flaute im Osten

Von Korrespondent Jena | 01.07.2010
„Kein Gott, kein Staat, kein Rektorat!“ hallte es am 9. Juni durch Jenas Straßen. Einen passenderen Ort für den Slogan hätte es zwischen dem Unihauptgebäude, der theologischen Fakultät und mehreren Polizeiwagen nicht geben könnten. Doch nur rund 500 Demonstrant­Innen waren erneut auf die Straße gegangen, um ihren Unmut über die Zustände in der „Denkfabrik Thüringen“ auszudrücken – der Bildungsstreik hatte wieder begonnen und damit verbunden ein möglicherweise vorerst letztes Aufbäumen der Bewegung.

„Kein Gott, kein Staat, kein Rektorat!“ hallte es am 9. Juni durch Jenas Straßen. Einen passenderen Ort für den Slogan hätte es zwischen dem Unihauptgebäude, der theologischen Fakultät und mehreren Polizeiwagen nicht geben könnten. Doch nur rund 500 Demonstrant­Innen waren erneut auf die Straße gegangen, um ihren Unmut über die Zustände in der „Denkfabrik Thüringen“ auszudrücken – der Bildungsstreik hatte wieder begonnen und damit verbunden ein möglicherweise vorerst letztes Aufbäumen der Bewegung.

Nachdem hier im Sommer letzten Jahres zwischen 4 000 und 6 000 Menschen an der Streikdemo teilgenommen hatten und damit die größte Demonstration seit 1989 stattfand, nahmen die Teilnehmerzahlen schon im Winter deutlich ab. Auch von einer Besetzung der Uni wie bei den vorherigen Streiks wurde diesmal bereits in der Vorbereitung abgesehen. Stattdessen war eine Aktionswoche mit diversen Workshops und einer Podiumsdiskussion geplant. Doch trotz der Lethargie war die eigentliche Demonstration über weite Teile außerordentlich lautstark und energiegeladen. Sowohl bei den Sprechchören und Transpis als auch bei den Redebeiträgen zeigte sich außerdem eine deutliche Radikalisierung der Bewegung: „Vom Bildungsstreik zum Generalstreik“, prangte ganz vorne auf einem Banner.
„Reform der Reform“
Die Unileitung reagierte auf die erneute Protestwelle wie zu erwarten war: Sie verwies auf bereits in Gang gesetzte angebliche „Reformen“, worunter beispielsweise die Abschaffung der Anwesenheitspflicht in manchen Fakultäten zählt, und sah dies als Beweis dafür, dass man den Studierenden entgegen gekommen war. Außerdem sei die gesamte Bologna-Reform ja auch ein „Lernprozess“ bei dem natürlich auch Fehler gemacht werden müssen. Im Klartext heißt das: Über einige wenige Nachbesserungen können wir gerne verhandeln, an der Marschroute halten wir aber fest. Handwerkliche Fehler sind vielleicht gemacht worden, im Großen und Ganzen aber  läuft der Betrieb. Für alles andere ist ohnehin das Kultusministerium zuständig.

Im Endeffekt war es dann eigentlich auch egal, wie sich die einzelnen Vertreter herausredeten: Vom diesjährigen Streik hatten sie nicht wirklich etwas zu befürchten. Zu sehr hatten sich die Aktivist­Innen schon in der Vergangenheit verausgabt: Vergeblich, die geforderte „Reform der Reform“ bleibt weiterhin aus. Dabei wandert der schwarze Peter ruhelos von den Hochschulrektoren zur Landesregierung und wieder zurück. Da werden „Bologna-Tage“ einberufen, auf denen die Probleme gesammelt und diskutiert werden sollen – ebenfalls ohne Ergebnis.
Aussitzen
Dass einer starken und selbstbewussten Bewegung durch hohle Phrasen und Versprechungen der Wind aus den Segeln genommen wird, hat beinahe schon traurige Tradition in der Bundesrepublik. Das Auf und Ab in Jena steht hierbei symptomatisch für den Verlauf der Bewegung: Mit der Zusammenführung von Inhalten der letzten Bildungsproteste und mit Hilfe einer modernen „Corporate Identity“ gelang zunächst ein ungeahnter Mobilisierungs- und Medienerfolg. Die öffentliche Debatte wurde in großem Stil schließlich durch den Streik im Winter losgetreten: In sämtlichen Zeitungen, von eindeutig linken bis dezidiert bürgerlichen, wurde über die Probleme der Reform diskutiert. Die Verantwortlichen, Hochschulrektoren und Kultusminister, saßen die Proteste und die folgenden Diskussionen derweil mit aller ihnen zur Verfügung stehenden Gemütlichkeit aus und ver­trösteten die Streikenden mit ihrem „Verständnis“. Die Aktivist­Innen auf der anderen Seite verkannten ihr Druckpotential, das sie durch die besetzten Universitäten hatten und hofften vielmehr auf die Einsicht der selbsternannten Eliten – die blieb jedoch bis heute aus.
Perspektiven
Nach drei zermürbenden und anstrengenden Runden hat der Bildungsstreik im Osten Deutschlands erheblich an Kraft verloren, was im Westen auch droht. Ob es eine vierte Runde geben wird und wie diese aussehen könnte, steht offen. Bis dahin ist jedenfalls noch genug Zeit, die Fehler und Schwierigkeiten der Bewegung zu analysieren und zu diskutieren. Andernfalls könnte es passieren, dass der Streik zu einem halbjährlichen „Happening“, einem linken Familientreffen wird, bei dem kurz vor dem Proseminar nochmal eben protestiert wird.

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